Berlin. Das Bundesamt veranlasste eine „Intensivierung der Beobachtungen zu Amri“. Maaßen hatte den Fall als reinen Polizeifall dargestellt.
Das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) war im Fall des Breitscheidplatz-Attentäters Anis Amri offenbar aktiver als von der Behörde behauptet. Behördeninterne Vermerke, die die Berliner Morgenpost, das ARD-Magazin „Kontraste“ und der Rundfunk Berlin-Brandenburg (RBB) einsehen konnten, zeigen, dass der Nachrichtendienst operative Maßnahmen veranlasst hatte. BfV-Präsident Maaßen hatte den Fall Amri dagegen stets als reinen Polizeifall dargestellt und versichert, keine eigene Informationsbeschaffung betrieben zu haben.
Interne Dokumente ziehen diese Darstellung in Zweifel. Demzufolge wertete das BfV bereits im Februar 2016 Fotos eines Handys aus, das die Berliner Polizei bei einer Kontrolle von Amri beschlagnahmt hatte. Diese Fotos wurden auf Veranlassung des BfV laut internem Vermerk „geeignet erscheinenden Quellen“, also V-Leuten, vorgelegt. Über die Vorlage dieser Fotos hatten bereits verschiedene Medien berichtet.
Der Berliner Morgenpost und „Kontraste“ liegt nun ein bisher unbekannter Vermerk des BfV zum weiteren Vorgehen der Behörde vor. Unter dem Stichwort „Ergebnis der Lichtbildvorlage zum Umfeld des Amri“ und mit dem Hinweis „Quellenschutz“ wurde demnach am 7. März 2016 folgende Maßnahme angeregt: „Intensivierung der Beobachtungen zu Amri“.
Die Grünen fordertem angesichts dieser Erkenntnisse Konsequenzen. „Präsident Maaßen hat gelogen“, sagte die innenpolitische Sprecherin der Grünen, Irene Mihalic. „Was der Grund dafür ist, werden wir herauszufinden haben.“ Die innenpolitische Sprecherin der Linke, Martina Renner, forderte erneut Maaßens Rücktritt. „Herr Maaßen ist politisch aus Sicht von Herrn Seehofer nicht mehr haltbar“, sagte Renner.
Existenz eines V-Manns wird nicht mehr bestritten
BfV-Präsident Maaßen steht wegen seiner Gespräche mit AfD-Politikern und seiner Aussagen zu einem Video, das die Vorfälle in Chemnitz dokumentierte, ohnehin bereits unter Druck. Auch im Fall Amri gab es bereits zuvor Vorwürfe gegen Maaßen, weil er die Existenz eines V-Mannes des BfV im Umfeld der auch von Anis Amri frequentierten Fussilet-Moschee verschwiegen hatte.
Im Umfeld der Behörde wird die Existenz des V-Mannes in der Fussilet-Moschee mittlerweile nicht mehr bestritten. Dieser habe Amri vor dem Anschlag aber nicht gekannt. Daher habe er auch nicht „zum Umfeld“ des Tunesiers gehört, heißt es. Die Linke-Abgeordnete Renner bezeichnete diese Sichtweise als „sprachliche Kniffeligkeit“ und als Versuch, „ideenreich zu lügen“.
Neue Erkenntnisse zur Rolle des BfV im Fall Amri könnte die Sitzung des Untersuchungsausschusses des Bundestags zum Fall Amri am (heutigen) Donnerstag bringen. Als Zeuge ist ein Vertreter des BfV aus der Abteilung für Informationsbeschaffung geladen.
Innenminister Seehofer stellt sich hinter Hans-Georg Maaßen
So begründet Maaßen seine Aussage zum Chemnitz-Video