Berlin. In Berlins S-Bahnhöfen werden in den kommenden Wochen verstärkt Maler- und Putzkolonnen zu sehen sein. Die Handwerker sind nicht etwa nur auf der Durchreise, sondern bereits am Ziel. Ihr Auftrag: Zumindest einem Teil der angegrauten Stationen ein neues, frisches Outfit zu geben. Die Verschönerungsaktion ist Teil eines vor Kurzem angekündigten groß angelegten Qualitätsprogrammes, mit dem die S-Bahn nicht nur zuverlässiger und pünktlicher, sondern auch kundenfreundlicher werden will.
Bahnhof Tempelhof
Anders als bei vorangegangenen Schönheitskuren soll es dieses Mal aber nicht nur mit dem Einsatz von ein paar Eimern frischer Farbe getan sein. Geplant ist von der Bahntochter Station & Service, die auch für die 166 Stationen im Berliner S-Bahn-Netz verantwortlich ist, eine „ganzheitliche Aufwertung“ der Aufenthaltsqualität in den Bahnhöfen. Dahinter steht auch die Erkenntnis von Bahnhofsmanager Keßler, dass „unifarben gestaltete Flächen eher zu künstlerischer Selbstverwirklichung einladen“. Übersetzt heißt das: Einfarbig weiß oder grau getünchte Bahnhofswände werden umgehend wieder mit Graffiti beschmiert. Schon seit Längerem gibt es dagegen die Erfahrung, dass möglicherweise gar künstlerisch gestaltete Bereiche etwas länger von Vandalismusattacken verschont bleiben. „Da scheint es noch so etwas wie Respekt in der Szene zu geben“, so der 50 Jahre alte Bahnmanager, der seit 2013 für rund 550 Bahnhöfe in Berlin, Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern verantwortlich ist.
Für die geplanten Verschönerungsarbeiten stehen dem Bahnhofsmanager in diesem Jahr rund elf Millionen Euro zur Verfügung, knapp die Hälfte der Summe wurde von der Konzernzentrale als Beitrag von Station & Service zur Qualitätsoffensive „S-Bahn plus“ zusätzlich bewilligt. Mithilfe dieser Finanzspritze sollen noch in diesem Herbst 17 sogenannte Fokusbahnhöfe renoviert und zum Teil neu gestaltet werden. Zwei Kriterien gab es dabei für die Auswahl: Die Stationen durften nicht in einem so schlechten Zustand sein, dass eigentlich eine umfangreiche und damit deutlich zeitaufwendigere Generalsanierung erforderlich ist. Zum anderen sollen sie zu denen gehören, die von besonders vielen Fahrgästen frequentiert werden.
Bahnhof Lichtenberg
Dazu gehört etwa der Bahnhof am Alexanderplatz, an dem jeden Tag allein bei der S-Bahn und im Regionalverkehr mehr als 100.000 Fahrgäste ein-, aus- oder umsteigen. In dem zuletzt nach der Wiedervereinigung grundsanierten Verkehrsknoten werden in den kommenden Wochen nicht nur die Glaskuppel über den Bahnsteigen gereinigt und beschädigte Wandflächen neu verputzt. Geplant ist auch eine Instandsetzung der Effektbeleuchtung an der Fassade des Bahnhofes.
Nur die wenigstens Berliner werden sich erinnern, dass die Nordfassade des Bahnhofes (zur Galeria Kaufhof hin) abends eine Zeit lang farbig illuminiert wurde. Bei Untersuchungen wurde jetzt festgestellt, dass die Technik dafür zwar defekt, aber noch weitgehend vorhanden ist. Keßler hofft, dass die Anlage rasch repariert werden kann. „Dann wird sie in der dunklen Jahreszeit wieder leuchten.“
Doch Berlins S-Bahnhöfe sollen nicht nur heller, sondern auch ansehnlicher werden. Ein Mittel dafür sind Folien, mit denen Wände und Glasflächen beklebt und damit gestaltet werden sollen. Quasi die Rückkehr der guten alten Fototapete – nur in Groß. Geplant ist dies etwa für einen weiteren Verkehrsknoten, den Bahnhof Lichtenberg. Der Bahnhof war einst der verkehrsreichste im Berliner Osten, inzwischen zählt er zu den unansehnlichen der Stadt. Um das viele Grau der Station aufzubrechen, will Bahnmanager Keßler dort mehr Grün hineinbringen. Zum einen in natürlicher Form – etwa mit Pflanzkübeln am Eingang – oder eben mit Folien im 3-D-Druck, die auf die Säulen und die steingrauen Wände geklebt werden. Von Weitem sieht das dann fast so aus, als ob sich Efeu um die Träger rankt.
Bahnhof Spandau
Ein drittes Gestaltungselement sind historische Fotos, mit denen die oft langen und zudem häufig beschmierten Wände in den Bahnhofseingängen und Bahnsteigdurchgängen neuen Pfiff bekommen sollen. „Viele Berliner stammen ja nicht aus der Stadt. Und wenn sie dann historische Aufnahmen sehen, die ihnen etwas über die Geschichte des Ortes erzählen, bleiben sie oft sehr interessiert stehen“, so Keßlers Erfahrung. Die Berliner Verkehrsbetriebe (BVG) nutzen solche geschichtsvermittelnden Aufnahmen schon länger, mit ihnen wurden zum Beispiel etliche U-Bahnhöfe der U2 entsprechend aufgewertet.
Die Bahn hat das erstmals an den Ringbahn-Stationen Schönhauser Allee (dort an den Viaduktwänden) und Bornholmer Straße (in den Zugangsgebäuden zu den Bahnsteigen) angewandt. Mit sehr guten Erfahrungen, wie Bahnmanager Keßler sagt. Nun sind solche Fotowände unter anderem für die S-Bahnhöfe Tempelhof (mit Bezug zu dem einstigen Flughafen), Schönhauser Allee (Zugangsgebäude), Frankfurter Allee (S-Bahn-Historie) und Wannsee (Ortsgeschichte) in Vorbereitung. Alternativ will die Bahn aber auch mit legaler Sprayerkunst arbeiten. Bereits zu sehen sind solche großflächigen Malereien in den Bahnhöfen Gesundbrunnen (Bahnmotive) und Schönefeld (Flughafenmotive). Weitere sind nun für die Bahnstationen in Spandau (Stadtbilder), Warschauer Straße (feiernde Partygänger) und Wedding (abstrakter Kubismus) konzipiert. Ganz witzig auch die Idee, die in alten S-Bahnhöfen häufig anzutreffenden Kachelwände mit Figuren zu verzieren. Geplant ist dies etwa für den S-Bahnhof Schöneberg, auf blauem Untergrund sollen dort ein Seestern, Badenixen oder Tintenfische schwimmen. Passend dazu sollen die Motive auch auf den Scheiben der Bahnhofshalle zu finden sein.
Bahnhof Schöneberg
Denkmalschutz legt Wert auf originalgetreue Gestaltung
Nicht alle Gestaltungsideen lassen sich laut Bahn allerdings umsetzen wie geplant. „Bei vielen Bahnhöfen hat der Denkmalschutz ein gewichtiges Wort mitzureden“, so Keßler. Und die Denkmalschützer würden vor allem Wert auf eine möglichst originalgetreue Gestaltung legen. Einige Ideen, zum Beispiel für den Bahnhof Köpenick, seien bereits abgelehnt worden, zu anderen, etwa zum Bahnhof Pankow, sei man „noch im Gespräch“.
Allein 1,3 Millionen Euro will die Bahn in die Neugestaltung des Bahnhofes Charlottenburg investieren. Dieser soll wie berichtet zu einem „Zukunftsbahnhof“ umgestaltet werden – unter anderem mit „intelligenten Schließfächern“, die von Reisenden zum Abholen von zuvor bestellten Waren und Lebensmitteln genutzt werden können. Die genauen Pläne dafür will die Bahn erst zu einem späteren Zeitpunkt vorstellen. „Ich würde gern noch viel mehr tun, aber dafür brauche ich nicht nur einen einmaligen Finanzzuschuss“, lautet das Fazit von Keßler.