Sicherheit

Pensionäre als Reserve für Polizei und Feuerwehr?

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Alexander Dinger
Feuerwehrmann Ronald Müller hätte gern länger gearbeitet. Die Behörde lehnte sein Ersuchen allerdings ab

Feuerwehrmann Ronald Müller hätte gern länger gearbeitet. Die Behörde lehnte sein Ersuchen allerdings ab

Foto: David Heerde

Neue Pläne für mehr Sicherheit in Berlin: Beamte im Ruhestand könnten aushelfen. Das sagen Betroffene zu dem Vorstoß.

Berlin. Während draußen das Thermometer die 30-Grad-Marke erklimmt, trifft sich im zweiten Stock eines Restaurants in Lankwitz die Polizei-Seniorengruppe der Direktion 4. An einer langen Tafel sitzen etwa 20 Männer und Frauen im Alter zwischen 60 und 90 Jahren. Die Senioren kommen regelmäßig zusammen und diskutieren über ihren alten Arbeitgeber: die Berliner Polizei. „So halten wir auch Kontakt und bleiben auf dem Laufenden“, sagt Peter Müller (73), erster Polizeihauptkommissar a. D. Müller ist auch stellvertretender Landesseniorenvorsitzender der Gewerkschaft der Polizei (GdP).

Ein Punkt, der die Senioren beschäftigt, ist die Richtung, in die sich die Hauptstadtpolizei entwickelt. Denn am Tisch sitzen Beamte, die die Behörde noch aus einer anderen Zeit kennen. Einer Ära, in der Polizisten noch regelmäßig in ihrem Kiez unterwegs waren und jeden Kioskbesitzer mit Namen kannten. „Kontaktbereichsbeamte waren da, um Verbindung zum Bürger zu halten“, sagt Müller.

Behörde soll zurück in die Kieze

Mit der großen Sparwelle und der Einführung des Berliner Modells im Jahr 2000 wurde der Kontaktbereichsbeamte allerdings abgeschafft. Eine fatale Entscheidung, die zum verschwundenen Sicherheitsgefühl vieler Bürger beigetragen hat, heißt es noch heute aus Polizeikreisen. Auch deshalb wurde der Kontaktbereichsdienst im Jahr 2007 schrittweise wieder eingeführt. Für viele Polizisten ist das allerdings eine Mogelpackung. Denn die Direktionen bekamen dafür kein neues Personal, sondern mussten diese Aufgabe zusätzlich stemmen. „Mit einem echten Kontaktbereichsbeamten, der sich ausschließlich um seinen Kiez kümmert, hatte das nicht viel zu tun“, sagt Müller.

Geht es nach der neuen Polizeipräsidentin Barbara Slowik, soll die Behörde wieder zurück in die Kieze. Slowik lässt gerade ein Papier erstellen, in dem es um die Zukunft der Hauptstadtpolizei geht. In dem Papier geht es auch um die künftige Personalpolitik. So gibt es etwa Gedankenspiele, ob bereits pensionierte oder kurz vor der Pension stehende Polizisten künftig als Kontaktbereichsbeamte eingesetzt werden können. Die Planspiele sind sinnvoll. Laut Berechnungen der Behörde gehen bis zum Jahr 2022 knapp 40 Prozent der rund 16.000 Vollzugsbeamten in den Ruhestand.

Berlin ist aktuell in 1208 Kontaktbereiche unterteilt

Aktuell ist Berlin in 1208 Kontaktbereiche unterteilt, die von 965 Mitarbeitern betreut werden, heißt es aus der Innenverwaltung auf eine Kleine Anfrage des innenpolitischen Sprechers der FDP-Fraktion im Abgeordnetenhaus, Marcel Luthe. Laut Statistik waren diese Beamten im vergangenen Jahr insgesamt 676.000 Stunden in den Kiezen unterwegs. Das sind zwei Stunden pro Tag und Polizist. Viel zu wenig, findet Innenpolitiker Luthe und fordert eine Rückkehr der Kiezpolizei: „Eine bürgernahe Polizei ist notwendig, aber dafür braucht es wieder echte Kontaktbereichsbeamte. Sicherheit schaffen wir nicht durch die PR-Aktionen und Potemkinschen Dörfer des Innensenators, sondern durch harte Fakten: Die Polizei braucht erheblich mehr Personal und mehr Mittel.“

Dass die Polizei wieder bürgernäher werden muss, sieht man auch bei der Seniorengruppe in Lankwitz so. „Ich habe immer gewusst, was bei mir im Kiez los war“, sagt ein Polizist, der jahrelang als Kontaktbereichsbeamter gearbeitet hat. Die Idee der Polizeipräsidentin, auf lebensältere Polizisten zuzugehen und zu fragen, ob sie sich eine Arbeit als Kiezpolizist vorstellen könnten, finden viele der Senioren reizvoll. „Wer freiwillig verlängern will, kann es ja gern machen“, sagt Müller. Grundsätzlich sollte aber versucht werden, geeignete Bewerber für den Polizeidienst in ausreichender Anzahl zu gewinnen. „Das geht aber nur bei angemessener Bezahlung und ausreichender Wertschätzung aus der Politik“, sagt er. Und auf diesem Gebiet, da sind sich die Senioren einig, seien jahrelang Fehler gemacht worden.

Mindestens zwei Drittel der Dienstzeit auf der Straße

Auch Hans Flentge (75) hat lange für die Berliner Polizei gearbeitet. Bis zum Jahr 2003 war er Kontaktbereichsbeamter in Pankow. „Man war immer sehr nah dran an den Menschen und hat auch schnell erfahren, wenn es irgendwo nicht rundläuft“, sagt er. Ein guter Polizist brauche auch immer eine Portion Sozialkompetenz. „Ein Kontaktbereichsbeamter, der auch etwas bewirken will, muss mindesten zwei Drittel seiner Dienstzeit draußen auf der Straße sein“, sagt er. Nur so bekomme man wirklich mit, was im Kiez passiere.

Der pensionierte Polizist erinnert sich an ein Beispiel aus seiner aktiven Zeit in Pankow. In einem Vereinsheim in einer Gartenanlage hätten sich in den 90er-Jahren Rechtsradikale getroffen. Das habe er frühzeitig mitbekommen. Das Vereinsheim stand dann verstärkt unter Beobachtung. Der rechte Spuk war so schnell vorbei, wie er begonnen hatte. Als Kontaktbereichsbeamter habe er sein Ohr immer an der Masse gehabt. „Mein Job hat mir immer Spaß gemacht. Ich habe mit 60 Jahren aufgehört. Damals hätte ich auch länger gearbeitet, wenn nicht das Berliner Modell gekommen und die Behörde kaputtgespart worden wäre“, sagt Flentge heute.

Der Wunsch, länger dabei zu sein, ist auch für Feuerwehrmänner wie Ronald Müller ein Thema. „Ich hätte wirklich gern weitergemacht. Mein Antrag wurde aber leider abgelehnt“, sagt er. Der sportliche 60-Jährige war unter anderen auf Wachen in Kreuzberg und in Tempelhof. Weil Müller aber vor 15 Jahren einen Herzinfarkt hatte, von dem er sich zwar zu 100 Prozent erholte, lehnte die Behörde jedoch seinen Antrag auf Weiterbeschäftigung ab. Müller zog sogar vor Gericht – und scheiterte. Der Feuerwehrmann geht aber nicht im Gram. Auf Facebook postete die Feuerwehr bei seinem Abschied sogar einen Beitrag unter dem Titel „Ein Urgestein geht in Pension“. „Ich habe diesen Job in dieser tollen Stadt geliebt“, sagt Müller der Berliner Morgenpost.

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