Berlin. Die Bahn will 17 S-Bahnstationen kurzfristig renovieren. Das ist auch dringend nötig, sagt der Fahrgastverband.
Blinde Glasscheiben, vernagelte Geschäfte, beschmierte Wände und mit Taubenkot verschmierte Bahnsteige. Tausende Berufspendler haben derzeit die Möglichkeit, zweimal täglich ein besonderes Kleinod im Berliner S-Bahnetz zu besichtigen. Die Station Pankow-Heinersdorf ist seit Mitte Juni Dreh- und Angelpunkt des Schienenersatzverkehrs (SEV) für die S2 und S8, an der Station müssen nun deutlich mehr Fahrgäste als sonst ein- und aussteigen.
Die Station in Pankow ist zwar ein besonders hervorstechendes Beispiel, aber längst kein Einzelfall in der Berliner Bahnhofslandschaft. In den vergangenen Jahre hat die Bahn nicht nur viele ihrer Stationen draußen im Land, sondern auch in den Städten verkommen lassen. Zwar gibt es positive Beispiele wie der im Vorjahr eröffnete grüne (weil besonders umweltfreundliche) Bahnhof in der Lutherstadt Wittenberg, doch für viele Stationen musste ein Eimer Farbe reichen.
5,5 Millionen Euro sollen investiert werden
Zumindest für die Hauptstadt scheint die Bahn den Handlungsbedarf erkannt zu haben. Als Teil einer in der Vorwoche vorgestellten Qualitätsoffensive für die S-Bahn hat das bundeseigene Unternehmen auch ein Programm zur „baulichen Aufwertung“ von Berliner S-Bahnhöfen angekündigt. Zusätzlich zu bereits laufenden Langfristprojekten, wie die bis 2021 geplante Neugestaltung des Bahnhofs Zoologischer Garten, sollen kurzfristig 17 Stationen aufgehübscht werden. Das ist gut ein Zehntel der insgesamt 166 Stationen im Berliner S-Bahnnetz.

Schwerpunkt des Programms sind die Zugangsbereiche. Rund 5,5 Millionen Euro will die Bahntochter DB Station&Service in die Arbeiten investieren. „Wir wollen mit vergleichsweise einfachen Mitteln für die Fahrgäste deutlich sichtbare Verbesserungen erreichen“, sagte der für Berlin zuständige Regionalchef von DB Station&Service, Friedemann Keßler, der Berliner Morgenpost.

Gut ein Fünftel der Summe soll dabei in die laut Bahn „behutsame Neugestaltung“ des Bahnhofs Charlottenburg fließen. Die Station ist eine der am stärksten frequentierten Stationen an der Stadtbahntrasse, die Züge von vier S-Bahn- und fünf Regionalbahnlinien halten dort an vier Bahnsteigen. Bis zu 51.000 Fahrgäste steigen dort jeden Tag ein, aus oder um. Zudem halten in der Nähe die U7 sowie mehrere BVG-Buslinien, was für eine gute Anbindung sorgt.
Charlottenburg wird zum „Zukunftsbahnhof“
Der 136 Jahre alte und zwischenzeitlich mehrfach umgebaute Bahnhof gehört dabei klar zu den besser gepflegten Bahnstationen in der Stadt. Die Klinkerwände des Eingangsgebäudes sind zwar schmucklos, aber ohne sichtbare Schäden, die Eingangshalle selbst ist sauber, hell und mit einem „Fahrkartenladen“, einem „Reisemarkt“, einem Geschäft für russische Spezialitäten sowie einem Imbiss gut ausgestattet.

Bereits zu Jahresbeginn hatte der Eigentümer, die Deutsche Bahn, angekündigt, die Station zu einem „Zukunftsbahnhof“ umzugestalten. Dabei sollen Ideen der Bahn für eine „Smart City“ umgesetzt werden, heißt es. Einige solcher Ideen wurden von der Bahn bereits im Vorjahr am Bahnhof Südkreuz vorgestellt. Dazu gehören etwa Schließfächer, in die sich Fahrgäste, die zum Beispiel erst nach der Schließung der Läden in der Stadt ankommen, Waren liefern lassen können.
Gesteuert werden die Fächer über eine Smartphone-App. Ob das auch in Charlottenburg realisiert wird, ist noch offen. Derzeit ist lediglich von einer „Aufwertung des Empfangsgebäudes“ sowie des Tunnels, der vier Bahnsteige miteinander verbindet, die Rede. Geplant sind neue, verglaste Wartebereiche, ein neues Licht- und Farbkonzept sowie zusätzliche Fahrradabstellplätze.
S-Bahnhof Jannowitzbrücke hat „Angsträume“
Der Berliner Fahrgastverband Igeb begrüßt die jüngsten Ankündigungen der Bahn. Befragt nach dem Zustand der S-Bahnhöfe in Berlin, sagte Igeb-Sprecher Jens Wieseke: „Von top bis gruselig haben wir alles dabei. Im Moment aber leider viel Grusel.“ Zu den Vorzeigebahnhöfen in Berlin gehört für ihn der S-Bahnhof Hackescher Markt. „Da gibt es eine ansprechende Architektur, da fühlt man sich als Fahrgast wohl.“
Ganz anders dagegen der Zustand des gleichfalls an der Stadtbahn liegenden Bahnhofs Jannowitzbrücke, mit „vielen dunklen Ecken und Angsträumen“. Der Erhalt der Stationen wird aus Sicht der Igeb von der Bahn, aber auch von der BVG vielfach unterschätzt. „Dabei gilt gerade auch hier die Broken-Windows-Theorie: Umso unansehnlicher ein Bahnhof, umso stärker wird er Ziel für Vandalismus“, so Wieseke.

Wie die angekündigte „Aufwertung“ der S-Bahnstationen aussehen soll, ist am Bahnhof Bornholmer Straße bereits zu sehen. Da, wo einst Fahrkartenschalter und Blumenstände für Leben sorgten, herrscht nun gähnende Leere. Damit diese nicht zum Ausleben mehr oder minder qualifizierter künstlerischer Neigungen einlädt, hat die Bahn dort große Fototafeln angebracht, die über die Geschichte dieses Ortes informieren.
Fuhr doch hier fast drei Jahrzehnte lang die S-Bahn ohne Halt durch, weil sich der Bahnhof im Grenzgebiet zwischen Ost und West befand. Im November 1989 öffnete der Grenzübergang hier als erster seine Schranken. All diejenigen, die das nicht selbst miterlebt haben, werden nun an diese aufregende Zeit erinnert.
Künstlerisch gestaltete Folien für kahle Bahnhofswände
„Diese Idee wollen wir auch an anderen Stationen umsetzen“, sagte Bahnhofsmanager Keßler. Vorgesehen ist dies unter anderem für die Bahnhöfe Frankfurter Allee, Köpenick, Tempelhof und Pankow. Und: Kahle Bahnhofswände sollen mit künstlerisch gestalteten Folien beklebt werden.
So etwa am Gesundbrunnen, wo künftig ICE-Motive und eine Strandszene die Aufgänge zu den Fernbahnsteigen zieren sollen. Folien sind auch für die Bahnhöfe Westhafen, Schöneberg und Hermannstraße geplant. Eine Aufwertung des Zugangs mit mehr Licht und frischer Farbe ist unter anderem für die Bahnhöfe Rathaus Steglitz und Wedding (insbesondere Übergang zur U-Bahn), Schönhauser Allee (Treppenzugang und Übergang zur U2), Lichtenberg und Landsberger Allee vorgesehen.
Deutlich mehr soll in die Bahnhöfe Neukölln (Ausstattung mit Videoüberwachung) und Westkreuz (Optimierung Wegeleitsystem zwischen den beiden Bahnsteigebenen) investiert werden. Alle Arbeiten sollen ab September bis Anfang 2019 umgesetzt werden.
Pankow-Heinersdorf steht bislang nicht auf der Aufhübsch-Liste. Offenbar fährt keiner der Bahnmanager mit dem S2-Ersatzverkehr. Dieser soll übrigens am 17. August planmäßig beendet werden, dann haben die Tauben den Bahnhof wieder weitgehend allein für sich.
Aktion Zeitgewinn: S-Bahn öffnet alle Türen gleichzeitig