Berlin. Anfang kommenden Jahres soll das „Gute-Kita-Gesetz“ in Kraft treten. Bis 2022 will der Bund den Ländern fast 5,5 Milliarden Euro überweisen, um die frühkindliche Förderung zu unterstützen. Berlin werde davon einen dreistelligen Millionenbetrag erhalten, sagte Bundesfamilienministerin Franziska Giffey (SPD) im Interview der Berliner Morgenpost. Die genaue Verteilung des Geldes werde noch errechnet, so Giffey, auf jeden Fall werde aber eine Summe fließen, „mit der Berlin viel auf den Weg bringen kann“.
Zum ersten Mal engagiere sich der Bund in einer solchen Größenordnung mit zusätzlichem Geld für die frühkindliche Bildung, betonte die Ministerin. Das sei auch eine Motivation für sie gewesen, dieses Amt zu übernehmen. Die Bedarfe in den Bundesländern seien sehr unterschiedlich. In einigen seien eher hohe Gebühren oder fehlende Ganztagsbetreuung das Problem, in anderen der Fachkräftemangel in den Kitas. Die Bundesländer könnten daher weitgehend selbst entscheiden, wofür sie das Geld verwenden. Das werde aber auch kontrolliert. „Wir wollen mit jedem Bundesland eine Zielvereinbarung abschließen, mit der wir auch überprüfen, wie die Qualität konkret verbessert wird“, sagte Giffey.
In Berlin werde es vor allem darum gehen, Fachpersonal zu gewinnen und die Kita-Kapazitäten auszuweiten, aber auch darum, die Betreuungsqualität zu verbessern. Die SPD-Politikerin kennt die Kita-Misere in der Stadt gut: Sie war seit 2010 Stadträtin für Bildung und Schule in Neukölln, von 2015 bis zu ihrem Amtsantritt als Ministerin im März dieses Jahres Bürgermeisterin des Bezirks. „Wir hätten sofort 900 zusätzliche Kitaplätze schaffen können, ohne einen Mauerstein zu bewegen, wenn wir die Erzieherinnen und Erzieher dafür gehabt hätten“, sagte sie der Morgenpost. In Berlin wären rund 10.000 weitere Plätze in bestehenden Gebäuden möglich, wenn das erforderliche Personal dafür vorhanden wäre.
In Berlin fehlen mehr als 3000 Kita-Plätze
Der Mangel an Erzieherinnen und Kitaplätzen in Berlin brachte Ende Mai rund 3500 Betroffene auf die Straße. Mütter und Väter, die monatelang einen Betreuungsplatz suchen mussten, hatten eine Großdemonstration organisiert. Sie forderten den Ausbau der Platzkapazitäten und bessere Arbeitsbedingungen für Erzieherinnen und Erzieher, insbesondere eine bessere Bezahlung. In Berlin fehlen mehr als 3000 Kitaplätze, die Zahl der Elternklagen steigt in allen Bezirken.
Im Juni lud Jugendsenatorin Sandra Scheeres (SPD) Verbände, Bezirke, Eltern und Gewerkschaft zum Kita-Gipfel. Dort wurde über „multiprofessionelle Teams“ aus Erziehern und Quereinsteigern sowie über die Möglichkeit diskutiert, auch ohne Abitur eine Erzieherausbildung zu beginnen. Beschlüsse stehen noch aus. Ministerin Giffey unterstützt die Forderung nach einer besseren Bezahlung. Erzieher seien pädagogische Fachkräfte. Allerdings verdienten alle sozialen Berufe eine Aufwertung, das gelte etwa auch für Pflegekräfte und Sozialarbeiter.
Es habe sie anfangs in ihrem neuen Amt überrascht, wie vielen Ostdeutschen wichtig sei, dass jemand, der im Osten seine Wurzeln habe, am Kabinettstisch sitzt, sagte die Ministerin. „Es gibt viel zu wenige Menschen mit Ost-Biografie in Führungspositionen in der Politik, auch in der Wirtschaft. Das gilt nicht nur für die erste Reihe der Regierung“, stellte sie fest.
Auch die schlechten Umfragewerte für die Berliner SPD waren Thema des Gesprächs. Auf die Frage, was ihre Partei ändern müsse, antwortete Giffey: „Wir müssen konkrete Dinge tun, an denen die Leute merken, dass sich etwas verbessert. Wir müssen vor Ort präsent sein und Inhalte so kommunizieren, dass sie verstanden werden.“ Die Berliner wollten eine funktionierende Stadt. Dazu gehörten auch klare Regeln und ein entschlossener Kampf gegen organisierte Kriminalität.
Franziska Giffey im Interview: „Die Berliner wollen eine funktionierende Stadt“