Extremismus-Verdacht

Nach „88“-SMS: „Polizei, wir haben ein Problem!“

| Lesedauer: 3 Minuten
U. Kraetzer und A. Dinger
Das Polizeipräsidium Berlin

Das Polizeipräsidium Berlin

Foto: picture alliance

Nach dem Rechtsextremismus-Verdacht gegen einen Ermittler drängt Berlins Innenverwaltung auf Aufklärung.

Berlin. Ein Beamter, der gegen Extremisten ermitteln soll, äußert sich in einer SMS-Unterhaltung selbst im Jargon von Rechtsextremisten – und sein Vorgesetzter erhebt bei dem Nachrichtenaustausch keinen unmittelbaren Widerspruch: Die Berichterstattung über den rechtsradikalen Ausfall eines Berliner Polizisten aus der Abteilung für Staatsschutz hat Empörung hervorgerufen. „So eine Person hat in der Polizei Berlin nichts zu suchen. Diese Geisteshaltung offenbart vieles“, sagte der verfassungspolitische Sprecher der Berliner SPD, Tom Schreiber der Berliner Morgenpost. Der Linke-Abgeordnete Niklas Schrader kritisierte, dass der Beamte im Disziplinarverfahren lediglich einen Verweis erhalten habe – die mildeste Form der Sanktionierung. „Polizei, wir haben ein Problem!“, schrieb Schrader.

Am Tag nach der Veröffentlichung durch die Berliner Morgenpost, das ARD-Magazin Kontraste und den Norddeutschen Rundfunk äußerte sich auch die Innenverwaltung. Jede Form von Rechtsextremismus habe in der Polizei nichts verloren. „Wir fordern die Polizei auf, weiterhin konsequent gegen extremistische Vorfälle vorzugehen“, sagte der Sprecher der Behörde, Martin Pallgen.

„Jetzt soll niemand vorverurteilt werden“

Welche dienst- und disziplinarrechtlichen Maßnahmen erforderlich seien, richte sich nicht nach „politischen Forderungen“, sondern nach den gesetzlichen Vorgaben. Eine Entfernung aus dem Beamtenverhältnis, stehe unter Richtervorbehalt. Innensenator Andreas Geisel befindet sich zurzeit im Urlaub.

Zur Vorsicht mahnte die Gewerkschaft der Polizei (GdP). „Es steht völlig außer Frage, dass der Kollege einen schwerwiegenden Fehler gemacht hat und wir uns von seinen Aussagen in aller Deutlichkeit distanzieren“, sagte der Berliner Landesvorsitzende der GdP, Norbert Cioma. Er forderte aber, auf pauschale Urteile zu verzichten. „Vielleicht sollte man ihn sich aber mal anschauen, bevor man ihm rechtsextremes Gedankengut vorwirft und ihn als Nazi bezeichnet“, sagte Cioma.

Möglicherweise habe der Elite-Polizist „nicht im Vollbesitz seiner kognitiven Fähigkeiten“ die Nachrichten geschrieben. Zurückhaltend äußerte sich auch der CDU-Fraktionsvorsitzende Burkard Dregger. „Jetzt soll niemand vorverurteilt werden. Ich erwarte einen Bericht des Senators im Innenausschuss.“

„scheiß Gut-Menschen“ und Codeformel „88“

Grund der Debatte sind Textnachrichten, die ein Polizeioberkommissar, der in dem Anti-Terror-Kommissariat für den Fall Anis Amri gearbeitet hatte, keine zwei Wochen nach dem Anschlag am Silvestertag 2016 geschrieben hatte. Dabei sprach er von „scheiß Gut-Menschen“ und nutzte die Codeformel „88“, die unter Neonazis als Code für den verbotenen Nazi-Gruß „Heil Hitler“ genutzt wird. Die Polizei erteilte ihm im April 2018 einen Verweis.

Er wurde innerhalb des Landeskriminalamtes versetzt. Gegen den Vorgesetzten im Dienstrang eines Kriminalhauptkommissars, der die SMS in der Handy-Unterhaltung unkommentiert gelassen hatte, wird weiterhin wegen eines anderen Vorwurfs ermittelt. Er arbeitet immer noch im Staatsschutz.

Offen ist immer noch, ob die SMS-Nachrichten nur an den Kriminalhauptkommissar oder an auch an weitere Beamte versendet wurden und, falls es mehrere waren, wie diese auf die rechtsextremen Äußerungen reagierten. Hinweise auf mehrere Empfänger lägen nicht vor, sagte der Sprecher der Berliner Polizei, Thomas Neuendorf auf Anfrage. Neuendorf schloss dies aber auch nicht aus. Die Formulierungen der SMS deuten auf mehrere Empfänger hin - der Polizeioberkommissar schrieb im Plural. Der innenpolitische Sprecher der Linke, Hakan Tas, sagte: „Wir müssen und fragen, ob das Einzelfälle sind, oder ob das Problem größer ist.“

Mehr zum Thema:

Rechtsextremismus-Vorwürfe gegen Berliner Elite-Polizist