Berlin. Sechs Jahre, nachdem die Berliner Groth-Gruppe das ehemalige US-Militärgelände Parks Range in Lichterfelde-Süd gekauft hat, soll jetzt bis zum 31. Juli der städtebauliche Vertrag unterschrieben sein.
In diesem Vertrag ist unter anderem geregelt, wie viele geförderte Wohnungen, wie viele Kitas und Schulplätze entstehen. Bezirk und Bauherr einigen sich also darauf, welche Kosten der Investor im Bereich der sozialen und technischen Infrastruktur übernehmen muss. Die internen Abstimmungen des Bezirks laufen derzeit hinter geschlossenen Türen – das ist der Grund, warum Kritiker von einem „Geheimverfahren“ und von „Sonderregelungen für Groth“ sprechen und mehr Transparenz fordern.
Baustart schon im vierten Quartal
Auf dem knapp 100 Hektar großen Gelände zwischen Osdorfer Straße und S-Bahn-Trasse sollen auf einer Fläche von 39 Hektar etwa 2500 Wohneinheiten entstehen. Baustart könnte nach Auskunft des Investors im vierten Quartal 2019 sein. „Die genaue Aufteilung in Reihenhäuser, Miet- und Eigentumswohnungen steht noch nicht fest und wird im Vertrag auch nicht zahlengenau geregelt“, sagt Anette Mischler, Sprecherin der Groth-Gruppe.
Nach derzeitigem Planungsstand sind 420 Doppel- und Reihenhäuser geplant und 2080 Geschosswohnungen, von denen mehr als 500 mietpreisgebundene Wohnungen nach dem Berliner Modell sind. Das entspricht einer Quote von 25 Prozent, die noch gilt, wenn der städtebauliche Vertrag bis zum 31. Juli 2018 abgeschlossen wird. Denn dann läuft eine Übergangsregelung ab. Vom 1. August an müssen 30 Prozent der Geschossflächen sozialer Wohnungsbau sein.
Seit Jahren wird über das Bauprojekt verhandelt
Von einem „hektischen Abschluss des städtebaulichen Vertrags“ spricht deshalb SPD-Kreisvorsitzende Ruppert Stüwe. „Ein Vertragsabschluss vor dem 1. August hilft nur dem Investor und sorgt für weniger bezahlbaren Wohnraum und schadet so den Interessen des Bezirks“, sagt Stüwe. Er appelliert an die Zählgemeinschaft von CDU und Grünen im Bezirk, dass sie „keinem Geheimverfahren zu Lasten des sozialen Wohnungsbaus zustimmen“ sollen.
Ähnlich äußert sich das Aktionsbündnis Landschaftspark Lichterfelde Süd. Sprecher Gerhard Niebergall vermutet „Sonderregelungen für Groth“, weil derzeit unter Zeitdruck und unter Ausschluss der Öffentlichkeit über den städtebaulichen Vertrag verhandelt werde.
Anette Mischler von der Groth-Gruppe versteht die Einwände nicht. „Vertreter der Bürgerinitiative haben an jeder öffentlichen Sitzung und an jedem Workshop über Städtebau und Grüne Mitte seinerzeit teilgenommen“, sagt die Sprecherin. Seit Jahren werde über das Bauprojekt verhandelt, man komme eher sehr langsam voran als dass es jetzt extra schnell gehen solle.
Keine Sondervereinbarungen
Bei dem Bebauungsplanverfahren handle es sich um ein formales, standardisiertes Verfahren, „da kann es keine Sondervereinbarungen geben“. Auch nach dem Abschluss des städtebaulichen Vertrages könnten sich noch Wohnungsgrößen und damit die Anzahl der Wohnungen ändern. „Wichtig ist die Anwendung der 25-Prozent-Regelung“, so Mischler.
Vertreter von CDU und Grünen stellen sich hinter Bezirk und Investor. „Es gibt kein Geheimverfahren“, sagt Bernd Steinhoff, Fraktionsvorsitzender der Grünen in der Bezirksverordnetenversammlung (BVV) Steglitz-Zehlendorf. Vielmehr sei ein unter Ausschluss der Öffentlichkeit tagender Ausschuss notwendig für die interne Positionsbestimmung ohne den Investor, der ja die Gegenseite im städtebaulichen Vertrag ist.
Dass es eine Übergangsfrist für die 25-Prozent-Regelung für langgeplante Projekte gebe, halte er für richtig. Schließlich hätten die Investoren alle Kalkulationen auf dieser Basis gemacht. Die Grünen wollten aber preisgünstige Wohnungen dauerhaft sichern. Daher setzten sie sich für eine fixe Anzahl preisgebundener Wohnungen ein, die bei einer Erhöhung des Anteils der Reihenhäuser nicht verringert werden darf.
Von „Unsinn, den die SPD verbreitet“ spricht Torsten Hippe, CDU-Fraktionschef in der BVV. „Der Abschluss des städtebaulichen Vertrages bindet die Bezirksverordnetenversammlung in keiner Weise, insbesondere ist sie nicht verpflichtet, einen Bebauungsplan gemäß des Vertrages aufzustellen“, sagt Hippe. Dieses sei rechtlich unmöglich. Die Bezirksverordneten hätten das Verfahren bis zum Beschluss über den Bebauungsplan weiter in der Hand.
Die Debatten in nicht-öffentlicher Sitzung dienten auch seiner Ansicht nach der Wahrung der Verhandlungsposition des Bezirks. „Kein vernünftiger Mensch käme doch auf die Idee, wenn er mit seinem Vermieter verhandelt, die interne Abstimmung mit seiner Ehefrau beim Kaffee mit dem Vermieter zu machen“, so Hippe.
Absichtserklärung bezüglich der Bebauung
Nachdem die Groth-Gruppe das Grundstück am südwestlichen Stadtrand 2012 gekauft hatte, fanden 2013 die ersten öffentlichen Workshops statt. Im April 2013 haben Bezirk und Investor einen Letter of Intent, eine Absichtserklärung, bezüglich der Bebauung abgeschlossen.
Im Juni 2015 folgte der Aufstellungsbeschluss für den Bebauungsplan – der formale Startschuss für das Bebauungsplanverfahren. „Die Verhandlungen über den städtebaulichen Vertrag begannen schon Anfang 2017 und sind aus unserer Sicht zu den wesentlichen Punkten abgeschlossen“, sagt Anette Mischler. Daher unterlägen sie der alten Regelung.
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