Potsdam

Kampf gegen die Windkraft

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Jens Anker

Widerstand wächst: Mediziner aus der Region warnen vor gesundheitlichen Folgen

Potsdam. Der Streit schwelt seit Jahren, jetzt nimmt er an Fahrt auf. Im Flecken Zechlin bei Rheinsberg (Ostprignitz-Ruppin) sollen neue Windräder gebaut werden, mehr als 20 sind beantragt, 210 Meter hoch sollen sie in den Himmel ragen und erneuerbare Energie erzeugen. Doch das trifft auf Widerstand. „Wenn sie uns die Windräder hier hinstellen, dann sind wir kein staatlich anerkannter Erholungsort mehr“, sagt Björn Plazikowski.

Der CDU-Stadtverordnete von Rheinsberg kämpft verbissen gegen den geplanten Windpark. „Die Zerschlagen uns komplett die Natur“, sagt Plazikowski. Genau da, wo jedes Jahr etwa 100 Singschwäne überwintern, sollen die neuen Windräder gebaut werden, klagt er. Auch zwei Horste des geschützten Rotmilans befinden sich in der Nähe.

Unterstützung erhalten Plazikowski und seine Mitstreiter jetzt von fünf Ärzten aus der Region. Sie haben einen Brief an Brandenburgs Gesundheitsministerin Diana Golze (Linke) geschrieben, um auf die Gesundheitsrisiken von Windrädern in der Nähe von Wohngebieten hinzuweisen. „Es kann doch nicht sein, dass das Landesumweltamt prüft, ob Tiere, die Natur oder die Naturlandschaft von Windrädern beeinträchtigt werden“, empört sich die Allgemeinmedizinerin Silke Klauß. „Aber niemand fragt, was es mit den Menschen macht.“

Tinnitus, Schwindel und Herzrhythmusstörungen würden verstärkt in betroffenen Wohngegenden auftreten. „Psychosomatische Krankheiten nehmen zu“, sagt Klauß. Lärm, Infraschall und Blinklichter auf drei Etagen: „Man kommt nie zur Ruhe, das macht die Leute krank“, sagt die Ärztin. In Dänemark sei man da schon deutlich weiter. Bis die medizinischen Folgen für Menschen nicht geklärt sind, würden zunächst keine Windkraftanlagen mehr genehmigt.

Wie in Zechlin regt sich im ganzen Land immer mehr Widerstand gegen neu geplante Windkraftanlagen. Was aus Sicht der Befürworter unerlässlich für die Umsetzung der Energiewende ist, führt bei den Betroffenen immer häufiger zu scharfer Ablehnung. 3700 Windräder stehen bereits in Brandenburg, allein im vergangenen Jahr sind 500 neue Windanlagen genehmigt worden. Die Landesregierung will nun auf die wachsende Kritik reagieren. In dieser Woche verabschiedeten die Regierungsfraktionen SPD, Linke und die Oppositionsfraktion der Grünen einen Maßnahmenkatalog, der die Akzeptanz für neue Windanlagen stärken soll.

Die Gemeinden sollen an den Gewinnen beteiligt werden

Gemeinden sollen demnach ein besseres Mitspracherecht und Beratungsangebot erhalten. Zudem sollen sie besser als bislang an der Wertschöpfung durch die Erzeugung von Windstrom beteiligt werden. Bislang fließt das Geld an den betroffenen Kommunen weitgehend vorbei in die Kassen der Investoren. Auch konkrete Verbesserungen sieht der Plan der Regierung vor: „Wir wollen die Belastungen mindern – beispielsweise dadurch, das nervige Blinken der Windmühlen nachts abzustellen“, sagt der energiepolitische Sprecher der SPD, Ralf Holzschuher. „Der notwendige Ausbau der Erneuerbaren Energien ist in einer demokratischen Gesellschaft gerade vor Ort auf Zustimmung angewiesen“, ergänzt der Energieexperte der Linken, Thomas Domres.

Für die Grünen ist der Ausbau der erneuerbaren Energien besonders wichtig, fordern sie doch seit Jahren ein schnelles Ende der klimaschädlichen Kohleverstromung. „Um den bedrohlich voranschreitenden Klimawandel zu begrenzen, müssen wir unsere klimaschädlichen Treibhausgasemissionen drastisch reduzieren“, sagt Heide Schinowsky, die energiepolitische Sprecherin der Grünen.

Brandenburg war einst Vorreiter bei der Herstellung von erneuerbarer Energie. Überall in dem Bundesland entstanden Solar- oder Windkraftanlagen. Viele Tausend Menschen arbeiten mittlerweile in der Produktion sauberer Energie. Aber das alles reicht noch nicht aus, um die von der Bundesregierung ausgerufene Energiewende schaffen zu können und die Umweltziele zu erreichen. Auf etwas mehr als ein Prozent der Landesfläche Brandenburgs stehen bereits Windkraftanlagen, zwei Prozent sollen es werden, um die erklärte Einsparung des Ausstoßes von Kohlendioxid zu erreichen. Doch immer mehr Menschen wie in Zechlin stoßen sich an der „Verspargelung“ der Landschaft, immer höher ragen die Windräder in den Himmel, die Geräuschbelästigung für Anwohner und Touristen nimmt zu, Vögel und Fledermäuse werden von den riesigen Rotoren erfasst und getötet.

Allein 900 Windräder stehen bereits in der Ost-Prignitz. Auch hier in Temnitztal kämpfen die Einwohner gegen neue Windräder, die das Landschaftsbild zerstören und die Bevölkerung nerven. Als „Monstren“ bezeichnet der Temnitztaler Bürgermeister Thomas Voigt die Windanlagen, die den Ort immer mehr einkesseln. Für ihn ist eine Schwelle überschritten. „Artenschutz steht über Menschenschutz“, sagte er den Parlamentariern im Vorfeld. Überzeugen können sie ihn mit dem jetzigen Beschluss nicht.