Berlin. Die Gartenhandschuhe sitzen, die Schubkarren stehen startbereit, voll beladen mit Besen und Harken. Es ist 10 Uhr morgens und ruhig im Lietzenseepark. Noch. Denn heute ist ein großer Tag für den Park und seine Anwohner. Eine besondere Stimmung liegt in der Luft, als die rund 15 Mitglieder des Vereins „Bürger für den Lietzensee“ ihre grünen Schürzen zubinden. „Mensch, so viel los heute Morgen“, ruft eine Passantin der Gruppe zu.
Geht es nach Beate Ernst, dann ist heute ein großer Tag für ganz Berlin und seine Ehrenamtlichen. Vor acht Jahren gründete sie die Initiative „Wir Berlin“ mit. Die 65-Jährige hatte genug vom Müll auf Wiesen und Plastiktüten, die einem beim Schwimmen im See begegnen. Als sie sich engagieren wollte, stellte sie fest: „Es ist es sehr schwer, die Bürokratie der Bezirke zu durchblicken. Das ist ein Riesenproblem. Die Rahmenbedingungen müssen einfacher werden“, sagt Ernst. Ihr Verein will engagierten Bürgern eine Plattform bieten, auf der sie sich über ehrenamtliche Arbeit austauschen können, mit derartigen Aktionstagen Sichtbarkeit und Gemeinsamkeit fördern. Sie ist am Sonnabend zum Lietzensee gekommen, um sich bei der Bürgerinitiative zu bedanken. Danach wird sie andere Saubermachaktionen des Aktionstags „Berlin Machen“ besuchen.
„Begeistert über so viel Engagement“
Unterstützung erhält Beate Ernst auch von Sawsan Chebli (SPD), Staatssekretärin für bürgerschaftliches Engagement. Knietief steht sie im Gebüsch und rupft mit den Vereinsmitgliedern Unkraut. Dass die Anwohner hier auf eigene Faust sauber machen, findet sie toll. „Ich finde es wichtig, mir selbst ein Bild von der Situation zu machen und bin jedes Mal begeistert über so viel Engagement.“
Neben Chebli ziehen Monica Winarto und Jochen Schatz Brennnesseln aus der Wiese. „Uns macht das einfach Spaß und ein bisschen wie Sport ist es auch“, scherzt Jochen Schatz. Lydia Riedel ist mit ihren 81 Jahren die wohl älteste Teilnehmerin. Jede Woche zieht sie mit den „Bürgern für den Lietzensee“ durch „ihren“ Park – das halte fit und der Austausch mache Spaß.
Vor allem soll am Aktionstag aber der Umweltschutz im Vordergrund stehen. Viel zu viele Parkbesucher lassen ihren Müll einfach liegen, berichten Anwohner. Das sieht nicht nur unschön aus und lockt Schädlinge an. Das Plastik wirkt sich auch schädlich auf Flora und Fauna aus. „Es mangelt nicht am Engagement. Es hat nur nicht jeder das gleiche Engagement“, fasst Beate Ernst die Situation zusammen. Gerade deswegen sei es wichtig, durch Aktionstage wie „Berlin Machen“ Menschen aufzurütteln und miteinzubeziehen.
Den Vorwurf, die Berliner Stadtbetriebe (BSR) wären nicht aktiv genug, weist Ernst strikt zurück. „Wir arbeiten seit acht Jahren sehr erfolgreich zusammen.“ Die BSR werde am Abend auch den gesamten Müll des Aktionstages abholen. Wie viel Plastik und anderen Müll die Berliner in der freien Natur statt im Mülleimer entsorgen, weiß Roland Knuth zu berichten. Der 50-Jährige hat die Reinickendorfer Tauchschule Dive’n gegründet, aus Liebe zum Wasser. Seit rund 15 Jahren setzt er sich für den Schutz der Berliner Seen ein. Am Sonnabend ist er mit 20 Dive’n-Tauchern und noch mehr Müllbeuteln an der Greenwichpromenade unterwegs. Die Mission: das Ufer des Tegeler Sees von Müll zu befreien. Denn das friedliche Bild von Schwänen und Ausflugsbooten trügt. Ein Blick vom Nahen zeigt, dieser See ist verschmutzt. Fische schwimmen zwischen Bierflaschen, Kronkorken und Zigarettenstummeln.
Die Taucher wissen: Schon eine Viertelstunde unter Wasser und sie finden Fahrradketten und Autobatterien. Die Mülltüten reichen nicht. Das Tauchen ist anstrengend, weiter als drei Meter reicht die Sicht unter Wasser nicht. Doch ihre Mühe lohnt sich. In den vergangenen Jahren holten sie so jeweils 500 Kilogramm bis zu einer Tonne Müll an Land. Felix Burgfeldt ist 20 Jahre alt und das erste Mal bei „Berlin Machen“ dabei. „Der See ist so schön. Aber wenn wir ihn nicht säubern, wird das nicht lange so bleiben. Dabei hängt unser aller Leben vom Wasser ab.“
„Ernüchternd, wie viel Müll in so einem See ist“
Es sei vor allem ein Einstellungsproblem, sagt Roland Knuth. „Die Leute müssen verstehen, dass man nicht einfach alles ins Wasser schmeißen kann.“ Bei den Plastiktüten und dem Mikroplastik habe sich bereits das Bewusstsein geändert. Und es gibt Grund zur Hoffnung. Seine Taucher ziehen jedes Jahr 50 bis 100 Kilo weniger aus dem Wasser. Hilfe bekommen sie dabei nicht nur von Berlinern. Auch Travis Scott taucht mit. Der 24-jährige Südafrikaner ist durch die schönsten Gewässer der Welt geschwommen. Der Tegeler See gehöre vielleicht nicht dazu, sauberes Wasser sei aber grundsätzlich wichtig, sagt Travis.
Beate Ernst und Sawsan Chebli, die auch die Ehrenamtlichen am Tegeler See besucht haben, sind zufrieden. „Das ist das Öl der Gesellschaft“, sagt Ernst mit Blick auf die engagierten Taucher. Und betrachtet den Müllberg, der sich nun am Ufer häuft, mit Genugtuung.
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