Berlin. Einbrecher im Haus, ein schwerer Verkehrsunfall oder ein Überfall – da ist schnelle Hilfe dringend gefragt. Wer in solchen Situation den Notruf 110 wählt und statt eines Polizeimitarbeiters nur die automatische Bandansage hört, kann durchaus in Panik geraten. Immerhin knapp 120.000 Notrufe bei der Polizei wurden von Anrufern innerhalb etwa acht Monaten beendet, nachdem sie in die Warteschlange gelangt waren – das sind rund 500 Fälle am Tag. Diese beträchtliche Zahl an abgebrochenen Notrufen geht aus der Antwort der Innensenatsverwaltung auf eine Anfrage des CDU-Innenexperten Burkard Dregger hervor.
Die der Berliner Morgenpost vorliegende Statistik bezieht sich auf die Zeit zwischen 1. Juni 2017 und 31. Januar 2018. Der CDU-Abgeordnete fordert nun Konsequenzen. „Die Leitstelle muss personell so gut ausgestattet werden, sodass es zu keinen Bandansagen kommt“, verlangt Dregger. „Das darf der Bürger in Not erwarten.“ Längere Wartezeiten über die Notrufleitung seien inakzeptabel, betont der Innenexperte.
Nach 17 Sekunden schaltet sich das Band ein
Am 29. Juni 2017 waren zwischen 20 und 21 Uhr manche Anrufe sogar erst nach elf Minuten angenommen worden. „Da verliert der redliche Bürger den Glauben an den Staat“, kritisiert Dregger. Die Polizei verwies damals auf das Unwetter mit Stark- und Dauerregen. Innerhalb kurzer Zeit seien sehr viele Anrufe eingegangen. „Eine solche Ausnahmesituation kann nicht vorhergesehen werden“, so die Senatsverwaltung.
Ziel der Polizei ist es, 90 Prozent der 110-Anrufe innerhalb der ersten zehn Sekunden anzunehmen. Doch das wird in Berlin seit Jahren nicht erreicht. Beim Polizei-Notruf 110 verdoppelte sich die durchschnittliche Wartezeit zwischen Anruf und Kontakt mit einem Mitarbeiter innerhalb von vier Jahren: Nach Erhebungen aus dem Jahr 2017 dauert es im Durchschnitt 13 Sekunden, bis der Anruf entgegengenommen wird.
Wenn ein Notrufgespräch in rund 17 Sekunden nicht entgegengenommen wird, schaltet sich automatisch das Band ein. „Bitte warten. Polizeinotruf Berlin. Zurzeit sind alle Notrufleitungen belegt, bitte legen Sie nicht auf!“ Die Polizei warnt allerdings: „Auflegen und erneutes Anrufen bringt keine schnellere Notrufannahme mit sich. Denn die Notrufe werden der Reihenfolge nach bearbeitet.“
Die Einsatzleitzentrale der Polizei ist laut Innensenatsverwaltung derzeit mit 17 Notrufannahmeplätzen ausgestattet, die ausschließlich 110-Notrufe entgegennehmen. Zusätzlich gebe es sieben weitere Arbeitsplätze für außergewöhnlich hohe Belastungen. „Die Besetzung der 110-Annahmeplätze erfolgt bedarfsorientiert“, erläuterte eine Sprecherin. „Sie beruht im Wesentlichen auf einer Prognose. Tagesabhängig werden weitere Parameter, wie Witterungsverhältnisse oder die Veranstaltungslage berücksichtigt.“ Kürzere Wartezeiten sollen durch eine technisch und personell verbesserte Ausstattung sowie organisatorische Veränderungen erreicht werden.
Notrufnummern werden häufig missbraucht
Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) fordert aber noch mehr Personal für die Leitstelle. „Wir befinden uns derzeit auf einem besseren Weg als in den letzten Jahren“, sagte GdP-Chef Norbert Cioma auf Anfrage. Es könne aber kein Dauerzustand sein, dass jede Einsatzhundertschaft zwei Leute dauerhaft abstellen muss, wie es derzeit der Fall sei. „Viele Menschen, die die 110 wählen, befinden sich in einer Situation, in der sie schnellstmöglich Hilfe brauchen“, betonte Cioma. Das sollten aber auch diejenigen bedenken, die anrufen, weil ein Sack Reis in China umgefallen ist oder der Nachbar den Gartenzwerg verrückt hat.
Die Notrufnummer wird vielfach missbraucht – aus Spaß, Langeweile, Unwissenheit oder um zu verärgern. Der Missbrauch von Notrufen kann laut Strafgesetzbuch mit einer Gefängnisstrafe von bis zu einem Jahr oder einer Geldstrafe bestraft werden. Ein 17-jähriger Junge löste diese Woche einen Großeinsatz in der Wilhelm-Hauff-Grundschule in Gesundbrunnen aus. Er gab zu, als anonymer Anrufer gemeldet zu haben, dass zwei bewaffnete Männer in die Schule eingedrungen seien. Dies stellte sich als Fehlalarm heraus. Es wird nun wegen des Missbrauchs von Notrufen gegen den Jungen ermittelt. Bestraft wird er, wenn ihm nachzuweisen ist, dass er vorsätzlich gehandelt hat.
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