Fahrraddemo

Straße frei für die Radfahrer - 90.000 bei Sternfahrt

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Nina Kugler
Zwischen dem Großen Stern und dem Brandenburger Tor treffen die Sternfahrer auf das Umweltfestival der Grünen Liga

Zwischen dem Großen Stern und dem Brandenburger Tor treffen die Sternfahrer auf das Umweltfestival der Grünen Liga

Foto: Paul Zinken / dpa

Mehrere Zehntausend Menschen demonstrieren wieder einmal für saubere Luft und eine neue Verkehrspolitik. Die Autofahrer stehen im Stau.

Berlin.  Ein Klingelkonzert ertönte über dem Hermannplatz in Neukölln. Der Platz, der sonst eher als Drogenumschlagsort verschrien ist, war am Sonntagmittag von Fahrradfahrern okkupiert. Denn hier war eine der Sammelstellen für die diesjährige Sternfahrt. Wer nur einen Teil der traditionellen Fahrraddemonstration mitradeln wollte, konnte am Hermannplatz zusteigen. Und die ankommenden Radfahrer wurden mit lautem Geklingel begrüßt.

Nach Angaben des Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Clubs (ADFC), der die Sternfahrt organisiert, beteiligten sich in diesem Jahr bis zu 200.000 Menschen. Der Club spricht von der weltweit größten Fahrraddemonstration. Die Polizei schätzt aber, dass es deutlich weniger Teilnehmer gab, und sprach von mehreren Zehntausend. Auf insgesamt 19 Routen führte die Sternfahrt in diesem Jahr zum Großen Stern um die Siegessäule im Tiergarten.

Der Fahrradtross am Hermannplatz setzte sich zunächst nur langsam in Bewegung. Die Einordnung in die vorbeifahrende Masse war etwas schwerfällig. Doch schon ab der ersten Querstraße floß die Raddemo zügig über die Sonnenallee. Für die Strecke über den Hermannplatz dürften sich in diesem Jahr besonders viele Radfahrer entschieden haben, denn sie bot einen ganz speziellen Höhepunkt: Ab der U-Bahnhaltestelle Grenzallee führte die Route bis zum Bahnhof Südkreuz über die Stadtautobahn 100. „Saubere Luft ist natürlich wichtig“, sagte dann auch eine Radfahrerin. „Aber eigentlich mache ich vor allem aus Spaß mit.“

Zweiräder rollen auf rund acht Kilometern über die Stadtautobahn

An der Autobahnauffahrt staute es sich aber erst einmal. Denn hier trafen nicht nur vier verschiedene Strecken der Sternfahrt aufeinander. Auch war die Zufahrt zur Autobahn nur zweispurig – ein Nadelöhr. Doch wer sich durchkämpfen konnte, hatte auf der A 100 freie Fahrt. Zunächst ging es direkt in einen langen Tunnel. Die Blaulichter der Polizei zuckten im Dunkeln, die Rücklichter der Räder leuchteten rot. Viele Sternfahrer hatten sich Musikanlagen an ihre Räder gebastelt, im Tunnel ertönte Bassmusik, begleitet von einem Fahrradklingelkonzert und verzückten Rufen der Radfahrer. Die Autobahn gehörte ihnen.

Genau so, wie es sich die Organisatoren gewünscht haben dürften. Denn in diesem Jahr stand die Forderung nach einer raschen Verabschiedung des Berliner Mobilitätsgesetzes im Mittelpunkt der Raddemo. Das Regelwerk soll noch vor der Sommerpause beschlossen werden, fordert der ADFC. Als erstes Bundesland bekäme Berlin damit ein Gesetz, das umweltfreundliche Verkehrsmittel fördert. Besonders die Bedingungen für Radfahrer sollen erheblich verbessert werden, zum Beispiel durch 100 Kilometer neue Radwege und Tausende Fahrradstellplätze. Nach dem Tunnel schlängelt sich die Autobahn am Tempelhofer Feld entlang. Ordner vom ADFC fuhren auf den verschiedenen Routen mit, sorgten für Ordnung, wiesen den Weg oder kümmerten sich um kleinere Unfälle. Die Karawane aus Radfahrern dünnte sich mittlerweile etwas aus. Die teils über Hunderte Kilometer langen Strecken machten sich bemerkbar.

Hans-Joachim Legeler organisiert seit fünf Jahren eine ganz besondere Tour: aus dem polnischen Szczecin (Stettin) nach in die deutsche Hauptstadt. Die startete bereits am Sonnabend um 23 Uhr. „Seit fast 15 Stunden sitze ich jetzt also auf dem Rad“, erzählte er. Rund 150 Radfahrer sind mit ihm gefahren. Und jedes Jahr werden es mehr. Etwa 20 waren es im ersten Jahr, erinnerte er sich. „Es ist einfach toll, durch die Nacht zu radeln, entlang des Oder-Radweges“, sagte Legeler und sauste über die Autobahn davon.

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