Das Haus gehörte einst einem jüdischen Geschäftsmann, der es 1933 verkaufen musste. Jetzt wird daran erinnert
Es hat lange gedauert. Doch kommenden Montag, 15 Uhr, ist es soweit: Mit einer Gedenkstele vor der Villa des Bundespräsidenten in Dahlem wird an den einstigen jüdischen Hausbesitzer erinnert. Frank-Walter Steinmeier, der vor seinem Einzug in die Wohnung der Dienstvilla sicherstellte, dass „eine Verständigung über ein angemessenes Gedenken hergestellt ist“, wird die Informationstafel enthüllen.
Hugo Heymann (1881–1938) und seine Frau Maria wohnten in der 1913 erbauten Kaufmannsvilla an der Pücklerstraße 14 in den Jahren 1926 bis 1933. Der heutige Dienstwohnsitz des deutschen Staatsoberhaupts wurde dem jüdischen Eigentümer damals offenbar unter Druck und unter Wert abgepresst.
Der Käufer war der Potsdamer Verleger Waldemar Gerber, förderndes Mitglied der SS. Die Heymanns zogen als Zwischenstation vor der Ausreise provisorisch in eine Wohnung an der Berkaer Straße 31 in Schmargendorf, wo seit Dezember 2017 zwei Stolpersteine an sie erinnern. Eigentlich wollten sie Deutschland verlassen, nach Norwegen emigrieren. Einige Maschinen seiner Kunstperlenfabrik hatte Heymann bereits im Oktober 1932 nach Norwegen verlagert, wohin er mit seiner Frau auswandern wollte. Der einstige sozialdemokratische Reichsinnenminister Friedrich Wilhelm Sollmann hatte die Heymanns gewarnt, dass der Machtantritt der Nationalsozialisten kurz bevorstehe. Doch die Emigration scheiterte.
Hugo Heymann wurde mehrfach verhaftet, von der Gestapo misshandelt. Er starb an den Folgen. Seine Frau überlebte das NS-Regime. Das hat der Forensische Historiker Julien Reitzenstein bei seinen Forschungen über die Wissenschaftsabteilung der SS herausgefunden. Diese nutzte nämlich alle die Dienstvilla umschließenden Grundstücke zur Koordinierung ihrer mörderischen Medizinversuche. Reitzenstein untersuchte bei den Recherchen zu seinem Buch „Himmlers Forscher“, warum sie das Grundstück, auf dem sich heute die Dienstvilla von Frank-Walter Steinmeier befindet, nicht auch nutzte. Seine Forschungen schufen die Grundlage für die Erinnerungs-Stele. Reitzenstein, der am Montag an der Enthüllung der Stele teilnimmt, wich bislang den Medien aus mit Erläuterungen dazu – unter Verweis auf die Würde des ermordeten Hugo Heymann. Auf Anfrage der Morgenpost sagte er jetzt: „Es freut mich sehr, dass das Bundespräsidialamt sich intensiv mit der Geschichte des Areals befasst hat und mit dieser Stele ein würdiges Gedenken ermöglicht.“
Nachdem sich Reitzenstein mehr als vier Jahre dafür engagierte, ist diese Freude nachvollziehbar. Ob ohne seine Forschungsergebnisse die dunkle Vorgeschichte der Villa je bekannt geworden wäre, ist fraglich. In jedem Fall kann der oberste Repräsentant der Bundesrepublik Deutschland nun auch auf dieser Ebene überzeugend vermitteln, dass Deutschland seine historische Verantwortung ernst nimmt, nicht nur bei Reisen nach Yad Vashem in Jerusalem.