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Berliner SPD sinkt auf historischen Tiefstwert

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Joachim Fahrun
Berlins Bürgermeister Michael Müller: Die Zustimmung für seine Partei ist auf einen Tiefstwert gesunken

Berlins Bürgermeister Michael Müller: Die Zustimmung für seine Partei ist auf einen Tiefstwert gesunken

Foto: dpa

Nur noch 18 Prozent der stimmberechtigten Berliner würden derzeit die Sozialdemokraten wählen. Stärkste Partei ist die Linke.

Berlin.  Die Unterstützung der Berliner für die SPD ist im Mai 2018 auf einen historischen Tiefstwert gesunken. Nur noch 18 Prozent der Wähler würden derzeit ihr Kreuz bei den Sozialdemokraten machen, die seit 1989 ununterbrochen am Berliner Senat beteiligt sind, davon immerhin 17 Jahre als führender Koalitionspartner.

Diese Position ist nun akut bedroht, wie der Berlin Trend der Berliner Morgenpost und der RBB-Abendschau ausweist. Die Meinungsforscher von Infratest dimap befragten dafür zwischen 9. und 12. Mai 1000 wahlberechtigte Berliner am Telefon.

Noch nie schnitt die Berliner SPD in der seit 1999 regelmäßig erhobenen repräsentativen Umfrage so schlecht ab wie derzeit. Im September 2017 kam die SPD noch auf 19 Prozent und büßte im Mai 2018 noch einen Punkt ein. Der Ergebnis der SPD passt in den Trend anderer Bundesländer wie Nordrhein-Westfalen oder Schleswig-Holstein, wo Infratest dimap in aktuellen Umfragen ebenfalls deutliche Verluste für die SPD ermittelte.

Stärkste Kraft in Berlin ist Die Linke

Stärkste politische Kraft in Berlin ist im Moment die Linke. 22 Prozent würden für den zweiten Regierungspartner im rot-rot-grünen Bündnis stimmen. Das entspricht einem Plus von drei Prozentpunkten gegenüber dem September 2017. Im Vergleich zum Ergebnis bei der Abgeordnetenhaus-Wahlen im Herbst 2016 konnte die Linke um fast sieben Prozentpunkte zulegen, während die SPD mit 3,6 Prozentpunkten deutlich an Boden verlor.

Offenbar prallt die Unzufriedenheit vieler Bürger an der Arbeit des Senats an der Linken ab. Die Linke erreicht in den östlichen Bezirken mit 29 Prozent ein sehr starkes Ergebnis, aber auch die 16 Prozent im Westen belegen die gelungene Ausdehnung der einstigen Ost-Partei. Die Linke punktet gleichermaßen in allen Altersgruppen und ist anders als fast alle anderen Parteien bei Frauen und Männern gleich stark.

Der dritte Partner im Senat des SPD-Politikers Michael Müller, die Grünen, halten mit 15 Prozent in etwa das Niveau der Umfrage vom vergangenen Herbst (damals 14 Prozent) und von der Wahl. Interessant: Unter Berlinern mit Abitur oder vergleichbarem Bildungsabschluss kommen Linke und Grüne auf jeweils 25 Prozent Zustimmung.

Insgesamt behauptet so die rot-rot-grüne Koalition ihre politische Mehrheit in der Stadt, allerdings mit intern verschobenen Kräfteverhältnissen. Der Regierende Bürgermeister Michael Müller (SPD) müsste bei einer mangels Alternativen durchaus möglichen Neuauflage des linken Dreierbündnisses um seinen Posten im Roten Rathaus fürchten.

CDU liegt auf Rang zwei

Die CDU hat in den sieben Monaten seit ihrem Hoch aus dem September, als sie mit 23 Prozent vorne lag, zwei Punkte eingebüßt und ist hinter die Linke auf Rang zwei der Parteien zurückgefallen. Dennoch konnte die Union zum wiederholten mal ihr Wahlergebnis aus dem Jahr 2016, als sie bei nur 17,6 Prozent einlief, deutlich übertreffen. In vielen Gruppen der Bevölkerung bleibt die Union jedoch schwach. Nur unter den älteren Berlinern über 65 Jahre genießt die CDU mit 32 Prozent den deutlich größten Zuspruch aller Parteien. Die Union kann also nicht wirklich von der Schwäche der anderen ehemaligen Volkspartei SPD profitieren.

Die rechte Oppositionspartei AfD kommt auf elf Prozent (plus eins), bleibt aber um mehr als drei Punkte hinter ihrem Wahlergebnis zurück. Unter den jüngeren Berlinern zwischen 18 und 39 würden nur vier Prozent für die AfD stimmen, unter den Menschen mit Hauptschulabschluss oder vergleichbarem Bildungsniveau würde aber jeder fünfte seine Stimme der AfD geben.

Die FDP überspringt nur noch knapp die Fünf-Prozent-Hürde. Die Liberalen rutschen nach einem Minus von einem Punkt auf nur noch sechs Prozent ab. Vor allem bei den Frauen ist die FDP eine Splitterpartei, die nur auf drei Prozent kommt. Andere Parteien erreichen zusammen sieben Prozent (plus 1).

Opposition kann Situation nicht nutzen

Insgesamt kann die Opposition kein Kapital schlagen aus der verbreiteten Unzufriedenheit der Bürger mit der Arbeit von Senat und Koalition. Besonders kritisch schätzen die Berliner die Fähigkeit der Politiker von SPD. Linker und Grünen ein, die Herausforderungen aus dem starken Bevölkerungswachstum zu bewältigen. Nur jeder sechste Befragte (16 Prozent) gab an, zufrieden oder sehr zufrieden damit zu sein, wie der Senat bei Wohnungsbau, Schulbau oder in der Verkehrspolitik vorankommt.

Jeder zweite (49 Prozent) äußerte sich weniger zufrieden, jeder dritte (32 Prozent) gar nicht zufrieden. Damit fällt die Bewertung zum Management der Wachstumsprozesse in der Stadt noch schlechter aus als der Gesamteindruck der Berliner von der Arbeit des Senats in vergangenen Umfragen, als etwa im september 2017 etwas mehr als jeder Dritte das Wirken von Rot-Rot-Grün positiv einschätzte.

Bemerkenswert an den Mai-Resultaten sind die schlechten Noten, die auch die Wähler der Koalitionsparteien dem Senat ausstellen. Im Lager der SPD-Anhänger sind drei Viertel der Befragten (77 Prozent) nicht zufrieden, wie die Berliner Politik das Wachstum bewältigt. Vier von fünf Linken- und Grünen-Anhänger sehen das Wirken „ihrer“ Regierung kritisch. Im Lager der Oppositionsparteien teilen fast alle diese Wahrnehmung.

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