Berlin. Die Quinoa-Schule ist eine erfolgreiche Privatschule im Brennpunkt-Kiez. Jetzt braucht sie dringend Spenden.

Es könnte alles so viel einfacher sein, wenn Quinoa eine normale staatliche Schule wäre. Doch die Quinoa-Schule in Wedding ist eine Privatschule, allerdings ohne die klassische Schülerklientel aus bürgerlichen Haushalten. Die meisten hier stammen aus Elternhäusern, in denen das Geld knapp ist und der Staat unter die Arme greift. Und noch mehr kommen aus Familien, in denen zu Hause nicht Deutsch gesprochen wird, sondern Türkisch, Arabisch, Persisch, vieles mehr. Quinoa ist sozusagen ein Spiegelbild des Weddings.

Das fehlende Geld soll über Spenden reingeholt werden

Aber warum einfacher? Weil Privatschulen, anders als staatliche, nur zu 93 Prozent vom Land finanziert werden. Die restlichen sieben Prozent müssen sie sich anders holen. Durch Schulgeld oder einen Träger. Beides geht bei der Quinoa-Schule nicht. Nur 17 Prozent der Schüler zahlen Schulgeld, und auch das ist überschaubar – im Schnitt 35 Euro im Monat. Einen Träger gibt es zwar - die Montessori-Stiftung -, aber der kann finanziell nicht unterstützen. Wie also das kommende Schuljahr finanzieren, womöglich sogar noch weiterwachsen? Crowdfunding heißt das Zauberwort.

Bis zum 18. Mai steht das Ziel nun: 60.000 Euro sollen zusammenkommen. Es sind nur noch sehr wenige Tage, fast die Hälfte ist mit über 27.000 Euro schon geschafft. Das Gemeine an Crowdfunding ist allerdings: kommt das Geld bis zum letzten Tag nicht zusammen, sind alle vorher zugesagten Spenden hinfällig. Futsch. Einfach weg. Darum noch mal die Frage: Warum tut man sich das an? Warum musste es ausgerechnet eine Privatschulgründung sein, damals 2014?

„Weil man als Privatschule schneller reagieren kann“, erklärt Ulrike Senff, Geschäftsführerin der Quinoa-Schule. Wir stehen in der Mensa der Schule vor einer Kissenecke für die Schüler, schauen auf den Schulhof. Ja, schnell musste es damals gehen. Es war das Jahr 2014 und spätestens da war klar, der Wedding, der ja zum Bezirk Mitte gehört, hat ein Problem. In dem Jahr waren es 45 Prozent, also fast die Hälfte, die noch nicht mal die Berufsbildungsreife (BBR), also den Ersatz für einen Hauptschulabschluss, schafften. Und viel zu viele Schüler in Wedding haben bis heute am Ende der Schullaufbahn nichts in der Tasche. Keine BBR, keinen Mittleren Schulabschluss (MSA), geschweige denn das Abitur. Wo landet man danach anders als bei den Sozialbehörden?

Die Quinoa-Schule war also eine unmittelbare Reaktion auf diesen desaströsen Zustand. Ziel der Schule ist es, die Schüler wirklich auszubilden. Nicht Abschluss sei das Ziel, sondern Anschluss, sagt Juliane Schäfer von der Schulleitung – Anschluss heißt, das Rüstzeug zu haben, später einen Beruf ergreifen zu können. Und eben nicht irgendwann bei Hartz IV zu landen. Dafür werden von den Schülern schon früh Pläne geschmiedet. In der siebten Klasse einen Plan A, dann kommt ein Jahr später der Plan B dazu, am Ende – in der zehnten Klasse – ergänzen noch Plan C und D den Horizont. Denn das Leben geht nicht immer nach Plan A.

Sie sprechen mindestens zwei Sprachen und keine richtig

Viele Schüler müssten erst einmal lernen, zu lernen. Es herrsche das „Phänomen der doppelten Halbsprachigkeit vor“, erzählt Schäfer. Die meisten seien in einer sprachlichen Zwischenwelt gestrandet. Können zwei Sprachen, aber beide nicht richtig. Es sind Berliner Kids, man sieht es ihnen an – die Jungs tragen wie viele Heranwachsende der Stadt Basecaps oder Hoodie, die Mädchen sind modisch gekleidet, mal mit Kopftuch, mal ohne. Für den Alltag reicht ihr Deutsch allemal.

Aber sie scheitern sprachlich dort, wo die Welt formaler wird. In der weiterführenden Schule, in der Ausbildung, beim Job. Es braucht viel Engagement und pädagogisches Personal, um diese Schüler fit für den Abschluss und damit fit für die Zukunft zu machen. Raus aus der Wohlfühlzone heißt das Konzept; die Wohlfühlzone ist der Kiez Wedding. Sie sollen die anderen Seiten Berlins sehen. Mal die Oper besuchen, mal kommt eine Knigge-Expertin der Deutschen Bank zu Besuch in die Schule, mal geht man zum Software-Unternehmen SAP an den Hackesch­en Markt. Dann wird schnell klar, mit „Verpiss dich!“ kommt man hier auf keinen Fall weiter.

Eine Privatschule also, die allen eine „faire Chance“ bieten will. Wobei schon das Schulgebäude zeigt, man weiß zu improvisieren. Gelernt wird in einer ehemaligen Kosmetikfabrik – schön sieht anders aus. Der Bau wirkt wie eine Ost-Platte, die sich in den Westen verirrt hat. Alle Schulmöbel darin sind gespendet; von Firmen, die ihre Büroeinrichtungen erneuert haben. Im Vergleich zu normalen Schulen ein wildes Durcheinander.

Und doch gibt es eine Oberfläche, die den Ort zusammenhält. Die Wände sind von den Schülern bemalt, überall hängen Zettel, Hinweise, Ermunterungen. Fahnen aus aller Welt, darüber der Spruch: „Das sind wir“. 111 Schüler werden hier inzwischen von der siebten bis zur zehnten Klasse unterrichtet, zum ersten Mal machen dieses Jahr die Zehntklässler ihr MSA. Ein erstes Ziel wurde schon erreicht – 74 Prozent der Neuntklässler schafften letztes Jahr ihre BBR, mehr als sonst in Wedding. Bald wird sich zeigen, wie viel dieser Schüler am Ende der 10. Klasse ihren MSA gepackt haben. Aber es sieht gut aus. Die Hälfte der Abschlussklasse ist schon jetzt für eine weiterführende Schule empfohlen, dann käme womöglich sogar eines Tages das Abitur. Für den Wedding eine kleine Erfolgsgeschichte, an dem im nächsten Jahr auch viele neue Schüler teilhaben sollen. Allerdings nur, wenn das Geld reicht.

Zur Crowdfunding-Seite: www.startnext.com/quinoaschule, Schulseite: www.quinoa-bildung.de

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