Potsdam

Kampf um das „Minsk“ am Brauhausberg

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Jens Anker

Das ehemalige Restaurant soll einem Neubau weichen. Viele Potsdamer machen sich aber für den Erhalt der DDR-Moderne stark

Potsdam.  Das Haus steht seit 20 Jahren leer und verfällt, es hat den Charme eines Parkhauses und soll abgerissen werden. Doch um das Gebäude am Brauhausberg, direkt gegenüber dem Hauptbahnhof, ist in Potsdam ein regelrechter Kulturkampf entbrannt. Denn der schmucklose Flachbau beheimatete einst das einzige weißrussische Restaurant der DDR, das „Minsk“, ein beliebtes Ausflugslokal zu DDR-Zeiten.

Nachdem sich über viele Jahre kein Nutzer für das traditionsreiche Haus finden ließ, verfiel das „Minsk“ immer mehr. Jetzt soll es dem Neubau von Wohnungen weichen. Ein Investor bietet 27 Millionen Euro für die drei zum Verkauf stehenden Grundstücke am Brauhausberg. Dagegen richtet sich nun Widerstand. Viele Potsdamer wollen das „Minsk“ erhalten, auch wenn sich bislang kein Geldgeber dafür fand. Sie fürchten um die sogenannte DDR-Moderne, die im Lauf der Jahre immer mehr aus dem Stadtbild verschwunden ist. Dabei handelt es sich in der Regel um schnörkellose Plattenbauten, die in den 60er- und 70er-Jahren des vergangenen Jahrhunderts entstanden sind.

Die DDR-Bauten verschwinden nach und nach aus dem Stadtbild Potsdams. Die alte Fachhochschule in der historischen Mitte der Stadt wird derzeit abgerissen, das Rechenzentrum in der Nähe soll ebenfalls verschwinden, nur das „Mercure Hotel“ am Hafen hat eine dauerhafte Perspektive – allerdings gingen auch hier jahrelange Diskussionen über den Abriss oder den Erhalt voraus. 35 Bauexperten, darunter Berlins ehemaliger Kultursenator Thomas Flierl und der Publizist Ulrich Hartung, haben nun einen Brief an das Rathaus geschrieben und fordern den Erhalt des „Minsk“ auf dem Brauhausberg. „Die einstige Strahlkraft des Minsk“ sei unvergessen, heißt es in dem Schreiben. „Das Minsk ist weder Typenbau noch Wiederverwendungsprojekt – es ist ein Unikat! Und zwar ein innen wie außen hervorragend gestaltetes.“ Das Gebäude sei im Gegensatz zur alten Schwimmhalle, von der es DDR-weit mehrere gab und die derzeit ebenfalls abgerissen wird, tatsächlich einzigartig. Mit seiner „hochwertigen, beispiellosen Gestaltungsqualität“ sei es „prädestiniert für einen Erhalt und ein städtebauliches Zusammenspiel“ mit der zukünftigen Bebauung des Brauhausbergs.

Das sehen nicht alle Potsdamer so. Niemand würde auf die Idee kommen, einen Aldi-Markt in Duisburg als Bauwerk einer „West-Moderne“ unbedingt erhalten zu wollen, heißt es bei den Abrissbefürwortern hinter vorgehaltener Hand. Wie schon beim Versuch, die Fachhochschule am Alten Markt zu retten, formiert sich der Widerstand zudem erst am Ende eines längeren Diskussions- und Planungsprozesses – und fast schon zu spät. Denn das seit 2017 laufende Ausschreibungsverfahren ist gerade beendet.

Potsdams Oberbürgermeister hält an den Abrissplänen fest

Auch Potsdams Oberbürgermeister hält an den Abrissplänen fest. „Bei der Debatte um das ,Minsk‘ wird leider vergessen, dass es sich hierbei im Wesentlichen um eine Frage der Stadtentwicklung handelt“, sagte Jann Jakobs (SPD) der Berliner Morgenpost. „Die Bebauung des Brauhausbergs dient als wichtige Ergänzung zur Potsdamer Mitte.“ Zudem hätten alle möglichen Investoren in der gegenwärtigen Ausschreibung Eigentumswohnungen geplant und eine öffentliche Nutzung ausgeschlossen. „Das Minsk als Terrassenrestaurant wird es folglich nie wieder geben“, sagte Jakobs – egal welcher Entwurf am Ende umgesetzt wird. „Insofern unterstützen wir die Vorschläge zur Vergabe, wie sie jetzt von den Stadtwerken gekommen sind.“

Ein bislang unbekannter Investor hat 27 Millionen Euro für die gesamte rund 17.000 Quadratmeter große Fläche geboten – unter der Voraussetzung, dass das „Minsk“ abgerissen wird. Dieses Gebot ging als Sieger aus dem Ausschreibungsverfahren hervor. Mit den Einnahmen soll der 40 Millionen Euro teure Bau des neuen Sport- und Freizeitbads „blu“ am Hauptbahnhof zum Teil gegenfinanziert werden, dessen Baukosten sich von der Planung bis zum Bau verdoppelt haben. Für das zum Verkauf stehende Areal am Brauhausberg sieht der Bebauungsplan mehrere mehrgeschossige Wohnhäuser vor. Der Erhalt des „Minsk“ ist darin möglich, aber keine Voraussetzung.

Ein Potsdamer Architektenteam hatte sich ebenfalls um die Bebauung am Brauhausberg beworben und den Erhalt des „Minsk“ versprochen. Allerdings lag das Angebot mit elf Millionen Euro deutlich unter dem Spitzengebot. In der Stadtverwaltung wird nun seit Wochen heiß darüber diskutiert, ob das Verfahren neu aufgerollt wird und ob es sich die Stadt leisten kann, auf 16 Millionen Euro möglicher Einnahmen zu verzichten, nur um die Emotionen in Potsdam zu beruhigen.

Zuletzt haben sich die Stadtverordneten vor einer Entscheidung gedrückt und den Fall „Minsk“ vertagt. Die Angelegenheit soll noch einmal in den Fachausschüssen geprüft werden. Im Sommer soll dann ein endgültiger Beschluss ergehen – möglicherweise wird dies auch erst nach der Wahl des neuen Oberbürgermeisters im Herbst geschehen, um die leidige Diskussion über das verfallene Haus nicht in den Wahlkampf ums Rathaus zu zerren.