Bürgerforschungsprojekt

Berliner sollen Nachtigallen per App aufnehmen

| Lesedauer: 14 Minuten
Nirgendwo singen mehr Nachtigallen als in Berlin. Jetzt werden sie erforscht

Nirgendwo singen mehr Nachtigallen als in Berlin. Jetzt werden sie erforscht

Foto: dpa Picture-Alliance / WILDLIFE/M.Varesvuo / picture alliance / WILDLIFE

Wo singen sie? Und was? Das Naturkundemuseum lädt dazu ein, die sangesfreudigen Vögel per App zu erforschen.

Berlin. In Berlin gibt es jetzt jeden Abend wieder Gratiskonzert de besonderen Art: Die Nachtigallen sind wieder da. Lautstark beginnen sie zu singen, sobald die Dämmerung naht. Man hört sie in Parks und auf Bäumen – aber erstaunlich oft auch an vielbefahrenen Kreuzungen oder in Hinterhöfen. Was man weiß: In Berlin leben mehr von ihnen als irgendwo sonst. Aber was singen sie eigentlich? Und wo nisten sie in der Stadt? Um mehr über Berlins „Meistersänger“ herauszufinden, startet das Museum für Naturkunde jetzt ein Bürgerforschungsprojekt. Mit einer App auf dem Handy können Berliner „ihre“ Nachtigallen aufnehmen, den Gesang hochladen und bei Workshops später selbst zu Forschern werden. Die Leitung des Projekts hat seit Januar die Verhaltensbiologin Silke Voigt-Heucke (35). Uta Keseling sprach mit ihr.

Frau Voigt-Heucke, was macht die Nachtigall so spannend?

In erster Linie natürlich der Gesang der Männchen. Er ist unglaublich komplex und individuell. Die Männchen haben im Durchschnitt rund 190 Strophen, die sie den Weibchen vortragen. Außerdem ist es ungewöhnlich, dass es in Berlin so viele Nachtigallen gibt. Wir gehen von rund 1500 Paaren aus, die in Berlin brüten. Das ist mehr als in anderen vergleichbaren Großstädten und sogar mehr als in Brandenburg.

Warum liebt die Nachtigall ausgerechnet Berlin?

Weil die Stadt noch nicht so aufgeräumt ist wie andere Städte. Die Nachtigall sie liebt Hecken und Gebüsche zum Brüten. Je „aufgeräumter“ unsere Natur ist, Agrarlandschaften ebenso wie Städte, desto weniger Hecken und Brachen gibt es. Wir müssen uns bewusst sein, dass Bauprojekte und Parksanierungen die Populationen von Nachtigallen bedrohen.

Was genau soll erforscht werden?

Die Idee ist, die Nachtigall als Symbolvogel für die Bürger der Hauptstadt sichtbar zu machen. Wo singt sie? Und was genau? Stören sie Lärm oder künstliches Licht? Dass Nachtigallen in regionalen „Dialekten“ singen, hatte vor drei Jahren schon eine Forschungsgruppe der FU untersucht, „Nightingale City Berlin“. Daraus geht nun unser Bürgerforschungsprojekt hervor.

Das Forschungsprojekt bezieht ausdrücklich die Berliner mit ein.

Ja, indem wir die Bevölkerung mit ihren Beobachtungen und eigenen Ideen mit einbinden, können wir den bisherigen Datensatz und unser Forschungsprojekt bereichern. Und wir denken, diese Ergebnisse auch für die Berliner selbst interessant, da Fragen nach Lärm, Licht und Umwelt die Menschen ja auch sehr bewegen. Später soll das Projekt auf ganz Deutschland ausgeweitet werden.

Wie kann man mitmachen?

Interessierte können den Gesang der Nachtigallen zum Beispiel mit dem Handy aufzeichnen und im Internet hochladen. Dies ist über die Webseite des Projekts möglich (www.forschungsfallnachtigall.de) und mit der App „Naturblick“ des Museums für Naturkunde, die unser Projekt „Forschungsfall Nachtigall“ als Partner unterstützt. Das Projekt ist auf zwei Jahre angelegt. Im Winter wollen wir die Bürger zu kleinen Gesprächsrunden oder Workshops einladen, um herauszufinden, was was wir mit den gesammelten Daten gemeinsam noch erforschen können.

Woher weiß ich, ob es wirklich die Nachtigall ist, die singt?

Über die App kann man zunächst die Vogelstimme identifizieren lassen.

Was passiert mit den Daten?

Die Nachtigall-Daten der Berliner werden anonym abgefragt, weitere Nutzerdaten werden nicht gesammelt, außer, man möchte gerne mit seinem Klarnamen oder auch einem Synonym am Projekt teilnehmen. So entsteht dann unsere Nachtigall-Karte, auf der man als Nutzer auch selbst nachschauen kann, wo und wann Gesänge aufgenommen wurden.

Warum singen Nachtigallen eigentlich so schön?

Die Berliner Nachtigallen überwintern in Afrika, in der Gegend von Ghana. Zunächst kehren die Männchen zurück und locken dann mit ihrem Gesang die Weibchen an. Dies ist der Zweck des nächtlichen Gesangs.

Und warum singen sie nachts?

Das ist tatsächlich etwas Besonderes. Sie singen im Wortsinn ihre Weibchen vom Himmel, denn sie kehren erst nach den Männchen zurück. Kein anderer Singvogel in Europa singt nachts so laut und lange. Man muss sich das so sinnlich und poetisch vorstellen, wie es klingt: Die Nachtigallen sitzen nachts auf ihrer Bühne, der Singwarte, und geben ihr Konzert.

Loben die Nachtigall-Männchen die angebeteten Weibchen – oder sich selbst?

Letzteres. Die Berliner Verhaltensbiologin Conny Landgraf hat nachgewiesen, dass im Gesang der Männchen codiert ist, wie gut sie sich an der Aufzucht der Jungen beteiligen. Männchen, die besondere Strophentypen darbieten und das in einer besonderen Qualität, füttern ihre Jungen besonders häufig und haben einen größeren Anteil an der Aufzucht. Der Gesang informiert also über die guten Qualitäten des Sängers – vergleichbar etwa mit dem prächtigen Pfauenschwanz.

Wobei Nachtigallen eher unscheinbar sind, oder?

Ja. Im Englischen gehören sie zu den „little brown birds“, also zu den kleinen braunen Vögeln, die man leicht verwechseln kann. Männchen und Weibchen unterscheiden sich nicht. Schön sind an sich die rostbraunen Schwanzfedern, die man aber selten ausgebreitet sieht, weil sie auf der Singwarte meist nicht aufgefächert werden. Die Weibchen huschen am Boden herum, wo sie auch brüten. Manchmal kann man sie beim Nestbau beobachten. Die Männchen sind etwas mutiger, gerade wenn sie auf Ästen sitzen und singen. Aber selbst da sind sie unauffällig.

Sind Nachtigallen nicht schon gut erforscht?

Berlin ist nicht nur eine Hochburg der Nachtigallen, sondern auch der Nachtigallenforschung. Man weiß deshalb viel über ihre Reviertreue – sie kehren immer wieder in die Brutgebiete zurück, über das Gesangslernen und die komplexen Strukturen des Gesangs und vermutete daher auch schon lange, dass sie möglicherweise in „Dialekten“ singen. Was das aber genau bedeutet, hat sich bisher noch niemand angeschaut. Unter anderem das wollen wir mit unserem Projekt gemeinsam mit allen Berlinern und Berlinerinnen nun beantworten. Es wäre spannend, wenn dabei herauskommen würde, dass beispielsweise Kreuzberger Nachtigallen andere Strophen benutzen oder sie dort anders aneinanderreihen als in anderen Stadtteilen.

Wie lange singen die Nachtigallen im Frühling?

Der nächtliche Gesang verstummt, wenn die Paare sich gefunden haben – Ende Mai wird es dadurch des Nachts selbst in Nachtigallen-Hochburgen stiller. Tagsüber verteidigen die Männchen allerdings noch bis Ende Juni lautstark ihr Revier gegen andere Rivalen!

In Berlin gibt es jetzt jeden Abend wieder Gratiskonzert de besonderen Ar6: Die Nachtigallen sind wieder da. Lautstark beginnen sie zu singen, sobald die Dämmerung naht. Man hört sie in Parks und auf Bäumen – aber erstaunlich oft auch an vielbefahrenen Kreuzungen oder in Hinterhöfen. Was man weiß: In Berlin leben mehr von ihnen als irgendwo sonst. Aber was singen sie eigentlich? Und wo nisten sie in der Stadt? Um mehr über Berlins „Meistersänger“ herauszufinden, startet das Museum für Naturkunde jetzt ein Bürgerforschungsprojekt. Mit einer App auf dem Handy können Berliner „ihre“ Nachtigallen aufnehmen, den Gesang hochladen und bei Workshops später selbst zu Forschern werden. Die Leitung des Projekts hat seit Januar die Verhaltensbiologin Silke Voigt-Heucke (35). Uta Keseling sprach mit ihr.

Frau Voigt-Heucke, was macht die Nachtigall so spannend?

In erster Linie natürlich der Gesang der Männchen. Er ist unglaublich komplex und individuell. Die Männchen haben im Durchschnitt rund 190 Strophen, die sie den Weibchen vortragen. Außerdem ist es ungewöhnlich, dass es in Berlin so viele Nachtigallen gibt. Wir gehen von rund 1500 Paaren aus, die in Berlin brüten. Das ist mehr als in anderen vergleichbaren Großstädten und sogar mehr als in Brandenburg.

Warum liebt die Nachtigall ausgerechnet Berlin?

Weil die Stadt noch nicht so aufgeräumt ist wie andere Städte. Die Nachtigall sie liebt Hecken und Gebüsche zum Brüten. Je „aufgeräumter“ unsere Natur ist, Agrarlandschaften ebenso wie Städte, desto weniger Hecken und Brachen gibt es. Wir müssen uns bewusst sein, dass Bauprojekte und Parksanierungen die Populationen von Nachtigallen bedrohen.

Was genau soll erforscht werden?

Die Idee ist, die Nachtigall als Symbolvogel für die Bürger der Hauptstadt sichtbar zu machen. Wo singt sie? Und was genau? Stören sie Lärm oder künstliches Licht? Dass Nachtigallen in regionalen „Dialekten“ singen, hatte vor drei Jahren schon eine Forschungsgruppe der FU untersucht, „Nightingale City Berlin“. Daraus geht nun unser Bürgerforschungsprojekt hervor.

Das Forschungsprojekt bezieht ausdrücklich die Berliner mit ein.

Ja, indem wir die Bevölkerung mit ihren Beobachtungen und eigenen Ideen mit einbinden, können wir den bisherigen Datensatz und unser Forschungsprojekt bereichern. Und wir denken, diese Ergebnisse auch für die Berliner selbst interessant, da Fragen nach Lärm, Licht und Umwelt die Menschen ja auch sehr bewegen. Später soll das Projekt auf ganz Deutschland ausgeweitet werden.

Wie kann man mitmachen?

Interessierte können den Gesang der Nachtigallen zum Beispiel mit dem Handy aufzeichnen und im Internet hochladen. Dies ist über die Webseite des Projekts möglich (www.forschungsfallnachtigall.de) und mit der App „Naturblick“ des Museums für Naturkunde, die unser Projekt „Forschungsfall Nachtigall“ als Partner unterstützt. Das Projekt ist auf zwei Jahre angelegt. Im Winter wollen wir die Bürger zu kleinen Gesprächsrunden oder Workshops einladen, um herauszufinden, was was wir mit den gesammelten Daten gemeinsam noch erforschen können.

Woher weiß ich, ob es wirklich die Nachtigall ist, die singt?

Über die App kann man zunächst die Vogelstimme identifizieren lassen.

Was passiert mit den Daten?

Die Nachtigall-Daten der Berliner werden anonym abgefragt, weitere Nutzerdaten werden nicht gesammelt, außer, man möchte gerne mit seinem Klarnamen oder auch einem Synonym am Projekt teilnehmen. So entsteht dann unsere Nachtigall-Karte, auf der man als Nutzer auch selbst nachschauen kann, wo und wann Gesänge aufgenommen wurden.

Warum singen Nachtigallen eigentlich so schön?

Die Berliner Nachtigallen überwintern in Afrika, in der Gegend von Ghana. Zunächst kehren die Männchen zurück und locken dann mit ihrem Gesang die Weibchen an. Dies ist der Zweck des nächtlichen Gesangs.

Und warum singen sie nachts?

Das ist tatsächlich etwas Besonderes. Sie singen im Wortsinn ihre Weibchen vom Himmel, denn sie kehren erst nach den Männchen zurück. Kein anderer Singvogel in Europa singt nachts so laut und lange. Man muss sich das so sinnlich und poetisch vorstellen, wie es klingt: Die Nachtigallen sitzen nachts auf ihrer Bühne, der Singwarte, und geben ihr Konzert.

Loben die Nachtigall-Männchen die angebeteten Weibchen – oder sich selbst?

Letzteres. Die Berliner Verhaltensbiologin Conny Landgraf hat nachgewiesen, dass im Gesang der Männchen codiert ist, wie gut sie sich an der Aufzucht der Jungen beteiligen. Männchen, die besondere Strophentypen darbieten und das in einer besonderen Qualität, füttern ihre Jungen besonders häufig und haben einen größeren Anteil an der Aufzucht. Der Gesang informiert also über die guten Qualitäten des Sängers – vergleichbar etwa mit dem prächtigen Pfauenschwanz.

Wobei Nachtigallen eher unscheinbar sind, oder?

Ja. Im Englischen gehören sie zu den „little brown birds“, also zu den kleinen braunen Vögeln, die man leicht verwechseln kann. Männchen und Weibchen unterscheiden sich nicht. Schön sind an sich die rostbraunen Schwanzfedern, die man aber selten ausgebreitet sieht, weil sie auf der Singwarte meist nicht aufgefächert werden. Die Weibchen huschen am Boden herum, wo sie auch brüten. Manchmal kann man sie beim Nestbau beobachten. Die Männchen sind etwas mutiger, gerade wenn sie auf Ästen sitzen und singen. Aber selbst da sind sie unauffällig.

Sind Nachtigallen nicht schon gut erforscht?

Berlin ist nicht nur eine Hochburg der Nachtigallen, sondern auch der Nachtigallenforschung. Man weiß deshalb viel über ihre Reviertreue – sie kehren immer wieder in die Brutgebiete zurück, über das Gesangslernen und die komplexen Strukturen des Gesangs und vermutete daher auch schon lange, dass sie möglicherweise in „Dialekten“ singen. Was das aber genau bedeutet, hat sich bisher noch niemand angeschaut. Unter anderem das wollen wir mit unserem Projekt gemeinsam mit allen Berlinern und Berlinerinnen nun beantworten. Es wäre spannend, wenn dabei herauskommen würde, dass beispielsweise Kreuzberger Nachtigallen andere Strophen benutzen oder sie dort anders aneinanderreihen als in anderen Stadtteilen.

Wie lange singen die Nachtigallen im Frühling?

Der nächtliche Gesang verstummt, wenn die Paare sich gefunden haben – Ende Mai wird es dadurch des Nachts selbst in Nachtigallen-Hochburgen stiller. Tagsüber verteidigen die Männchen allerdings noch bis Ende Juni lautstark ihr Revier gegen andere Rivalen!

Naturblick-App fürs Smartphone: kostenlos im App Store bzw. Play Store. Mehr In www.forschungsfallnachtigall.de