Potsdam. Im NSU-Untersuchungsausschuss wurde Brandenburgs Justizminister Stefan Ludwig (Linke) vernommen
Brandenburgs Justizminister Stefan Ludwig (Linke) hat den Verdacht zurückgewiesen, einen V-Mann des Verfassungsschutzes verraten zu haben. Er habe im Jahr 2000 erst aus den Medien erfahren, dass ein Rechtsextremist in seinem Wohnort Königs-Wusterhausen als V-Mann „Piatto“ für den Verfassungsschutz gearbeitet habe, erklärte Ludwig am Freitag im NSU-Untersuchungsausschuss des Potsdamer Landtags. Die CDU hatte zuvor diesen Verdacht geäußert und ursprünglich sogar eine Sondersitzung des Ausschusses gefordert.
Die Vernehmung Ludwigs brachte nun aber doch eine Überraschung. Nach Unterlagen des Ausschusses, die Ludwig vorab einsehen konnte, hatte der Verfassungsschutz damals Informationen auch über Ludwig gespeichert. Darüber sei er „sehr unangenehm berührt“, sagte Ludwig. Der heutige Justizminister war damals Vize-PDS-Chef und als Landtagsabgeordneter Vize-Mitglied der G10-Kommission, die auch Teile der Arbeit der Geheimdienste kontrollieren soll.
Den Akten zufolge könnte damals eine Frau, die inzwischen gestorben ist und damals Mitglied der PDS und der Antifa war, den Verfassungsschutz unter anderem auch über parlamentarische Initiativen Ludwigs informiert haben. Nach Angaben des CDU-Abgeordneten Jan Redmann soll es sich dabei um eine „Gelegenheits-Informantin“ gehandelt haben, die nicht speziell auf Ludwig angesetzt war. Ludwig sagte, er habe einen Verdacht, wer über seine Arbeit berichtet haben könnte. Er wolle den Namen aber nicht nennen, weil die Frau nicht mehr lebe und sich gegebenenfalls nicht mehr gegen den Vorwurf wehren könne.
2000 verschwindet die NPD aus Königs Wusterhausen
Ludwig schilderte im Ausschuss die Situation in Königs Wusterhausen (Dahme-Spreewald). Die seit Anfang der 1990er-Jahre dort starke rechte Szene habe erst durch den Neonazi Carsten S., der später als „Piatto“ enttarnt worden war, Parteistrukturen der NPD erhalten. Er selbst habe der damals in der Antifa aufkommenden These, der Rechtsextremist sei ein Spitzel, nicht geglaubt. Ludwig berichtete weiter, dass nach der Enttarnung von „Piatto“ auch die NPD damit aus Königs Wusterhausen verschwunden sei. Carsten S. war im Jahr 2000 durch einen Bericht des Nachrichtenmagazins „Der Spiegel“ enttarnt worden.
Ursprünglich wollte der Ausschuss auch den früheren Brandenburger Innenminister Jörg Schönbohm (CDU) als Zeugen vernehmen. Der Ex-Minister habe wegen gesundheitlicher Probleme allerdings absagen müssen, sagte Ausschusschef Holger Rupprecht (SPD). „Ein Attest liegt dem Ausschussbüro vor.“
Der Untersuchungsausschuss soll der Frage nachgehen, ob Brandenburgs Behörden bei der Verfolgung von Rechtsextremisten und der Terrorgruppe NSU Fehler gemacht haben. Dieser Frage war bereits der Deutsche Bundestag nachgegangen. Die Volksvertreter hatten dabei herausgearbeitet, dass es etliche Chancen gegeben hätte, die untergetauchten Uwe Mundlos, Uwe Böhnhardt und Beate Zschäpe aufzuspüren. Die Ämter für Verfassungsschutz der verschiedenen Bundesländer, sowie die Polizeibehörden hatten allerdings ihre Informationen nur ungenügend miteinander ausgetauscht und aus Observationen und weiteren Erkenntnissen nicht die richtigen Schlüsse gezogen und ungenügende Maßnahmen ergriffen. Dem NSU werden zehn Morde angelastet – neun aus rassistischen Motiven und einer an einer deutschen Polizistin. Sie wurden zwischen den Jahren 2000 und 2007 begangen. Die Sicherheitsbehörden vermuteten seinerzeit allerdings, dass die Täter Migranten seien. .
dpa