Berliner S-Bahn

S-Bahn-Chef: "Ich entschuldige mich bei den Reisenden"

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Thomas Fülling
S-Bahn-Chef Peter Buchner (l.) und DB-Netz-Vertreter Helge Schreinert

S-Bahn-Chef Peter Buchner (l.) und DB-Netz-Vertreter Helge Schreinert

Foto: Maurizio Gambarini

Der Chef der S-Bahn, Peter Buchner, über Verspätungen der Züge, die Probleme auf der Ost-West-Linie und neue Investitionen.

Berlin.  Zugausfälle, Verspätungen, Störungen. Die Angebotsqualität der Berliner S-Bahn war in den vergangenen Monaten alles andere als überzeugend. Die Stimmung hat bei vielen Fahrgästen einen Tiefpunkt erreicht, wie die S-Bahn-Geschäftsführung in einem internen Brief vor Kurzem selbst zugab. Im Morgenpost-Interview sprechen Berlins S-Bahn-Chef Peter Buchner und Helge Schreinert, Regionalbereichsleiter bei der Bahntochter DB Netz – und damit auch verantwortlich für die Schieneninfrastruktur der Hauptstadtregion – über die Probleme.

Herr Buchner, Herr Schreinert, der Winter ist ja in Berlin in diesem Jahr weitgehend ausgefallen. Dennoch haben sich die Fahrgäste über viele Verspätungen und Zugausfälle bei der S-Bahn ärgern müssen.

Peter Buchner: Die Pünktlichkeit war in den ersten Monaten des Jahres eigentlich gar nicht so schlecht. Unsere Züge sind zu 94,8 Prozent ohne Verspätung gefahren. Wir haben allerdings in den letzten Monaten nicht jede geplante Fahrt anbieten können, weil wir an einigen Tagen nicht genügend einsatzfähige Triebfahrzeugführer hatten. Die Gründe dafür lagen an der außergewöhnlich starken Grippewelle. Da ging es uns so wie vielen anderen Unternehmen auch. Dafür möchte ich mich ausdrücklich bei den Reisenden entschuldigen. Wir hatten dabei zusätzlich noch den Faktor neuer Arbeitszeitregelungen im Tarifvertrag, die auf unsere Betriebsvereinbarungen mit dem Betriebsrat treffen.

Es kamen aber auch viele Ausfälle dazu, weil Weichen und Signale ausfielen …

Helge Schreinert: Wenn man sich die bloßen Zahlen anschaut, hatten wir etwa im März weniger Störungen als noch im Vorjahr. Aber es sind immer noch etwa vier Störungen pro Tag, und die wirken sich oft stark auf den S-Bahn-Betrieb aus. Daher ist unser großes Ziel auch weiterhin, eine höhere und bessere Verfügbarkeit auf der Schiene anzubieten.

Vor allem vom Ostbahnhof wurden zuletzt immer wieder Störungen gemeldet. Gibt es dort eine „Problemweiche“?

Schreinert: Wir hatten dort sogar zwei technische Probleme. Bei der einen Weiche war die Ursache ein Wackelkontakt im Schaltkasten, den wir leider nicht gleich gefunden hatten. Bei der anderen Weiche ist es ein Fahrbahnproblem. Dort müssen wir die Schwellen austauschen, um die Stabilität der Weiche zu verbessern. Die Arbeiten wurden am 18./19. April ausgeführt, sodass wir da dann hoffentlich Ruhe haben werden.

Gab es im Vorjahr die meisten Verspätungen auf der Ringbahn, so sind jetzt vor allem die Ost-West-Linien betroffen. Warum?

Schreinert: Mit der Inbetriebnahme der neuen Infrastruktur am Ostkreuz haben wir deutlich mehr Züge in diesem Abschnitt. Die betrieblichen Abläufe sind also straffer, und jede Störung hat mehr Auswirkungen auf den Gesamtbetrieb. Zum anderen haben wir ein neues elek­tronisches Zugsicherungssystem auf der Stadtbahn implementiert. Im Anlauf des Systems kam es tatsächlich zu Störungen und damit zu Verspätungen. Damit haben wir uns intensiv auseinandergesetzt und sind uns sicher, dass die Zahl der Störungen im Betrieb zurückgehen wird.

Buchner: Die Stadtbahn ist im Abschnitt Ostkreuz – Ostbahnhof extrem belegt, dort verkehren im Berufsverkehr die Züge im Abstand von nur zweieinhalb Minuten aus drei Richtungen (Lichtenberg, Treptower Park und Erkner). Uns stehen baubedingt in diesem Abschnitt aber nur zwei Gleise zur Verfügung. Stadteinwärts fahren wir außerdem auf dem Gleis, das eigentlich für die Gegenrichtung vorgesehen ist und daher weniger Signale hat. Durch diesen Engpass gibt es faktisch keine Erholungsphasen im System. Das heißt: Gibt es erst mal eine Verspätung, schleppt man diese sehr lange mit. Deshalb tun wir derzeit alles, um speziell bei Fahrten in Richtung Innenstadt Verzögerungen zu verhindern.

Was konkret ist da geplant?

Buchner: Beim morgendlichen Betriebsbeginn gegen fünf Uhr liegen zwei Zugeinläufe auf der S5 im Bereich Ostbahnhof sehr dicht beieinander. Wir wollen deshalb ab Mai eine Fahrt bis nach Westkreuz verlängern, davon profitieren auch unsere Fahrgäste. Zum anderen planen wir Änderungen bei stadteinwärts führenden Fahrten beim Lokführerwechsel. Der dauert ja immer so ein, zwei Minuten. Im Moment erfolgt das teilweise am Ostbahnhof Richtung Innenstadt, also genau an einem für den Betrieb sehr neuralgischen Punkt. Künftig soll die Ablösung in der Gegenrichtung oder in Westkreuz erfolgen. Für diese Änderung benötigen wir aber noch etwas planerischen Vorlauf.

Ausgerechnet die S5, mit der viele Berufspendler in die Innenstadt fahren, ist seit einiger Zeit die unpünktlichste Linie der S-Bahn.

Buchner: Die S5 ist Hauptopfer der Stadtbahn-Thematik. Der große Wurf kommt allerdings erst im Dezember, wenn der S-Bahn nach Ende der Bauarbeiten zwischen Ostkreuz und Ostbahnhof vier Gleise zur Verfügung stehen. Bis dahin legen wir aber nicht die Hände in den Schoß, sondern versuchen mit den beschriebenen kleineren Maßnahmen die Situation zu verbessern.

Und was ist mit den Verstärkerzügen, die eigentlich für den Berufsverkehr geplant sind?

Buchner: Solange wir den Engpass zwischen Ostkreuz und Ostbahnhof haben, könnten die Verstärker derzeit nur bis Lichtenberg fahren, ergeben so verkehrlich keinen Sinn und würden die betriebliche Stabilität weiter belasten.

Aber auch auf der S1 fehlen die Verstärker noch immer. Angekündigt war, dass sie ab Jahresbeginn wieder fahren.

Buchner: Wegen der vielen grippebedingten Ausfälle bei den Lokführern verzögert sich das. Wir wollen die S1-Verstärker nun im Frühsommer wieder aufs Gleis bringen.

Bei der Ringbahn reicht ja oft schon eine kleine Störung aus, um den Zugbetrieb den ganzen Tag durcheinanderzubringen. Was wird dort getan?

Schreinert: Die Ringbahnlinien waren in der Tat lange Zeit die unpünktlichsten im S-Bahn-Netz. Wir haben Mitte vorigen Jahres gemeinsam mit der S-Bahn ein Programm zur Stabilisierung der Infrastruktur gestartet. Dazu gehört etwa der Austausch von störungsanfälligen Signal- und Telekommunikationskabeln. Dazu gehören aber auch Maßnahmen, um Weichenausfälle im Winter zu verhindern. Die Maßnahmen sind fest geplant, die Umsetzung hat im März begonnen und soll bis zum Jahresende abgeschlossen sein. 2,1 Millionen Euro werden wir dafür in diesem Jahr ausgeben. Für Infrastruktur-Verbesserungen auf der Stadtbahn und im Nord-Süd-System haben wir jetzt noch ein weiteres Maßnahmenpaket erarbeitet. 2018 wollen wir dafür noch einmal rund drei Millionen Euro investieren.

Von Berliner Verkehrspolitikern und Fahrgastvertretern gibt es immer wieder die Kritik, die Bahn investiert insgesamt zu wenig in die Infrastruktur der Berliner S-Bahn. Reicht das aus, was sie geplant haben?

Schreinert: Das Berliner S-Bahn-System ist inzwischen mehr als 90 Jahre alt. Auch wenn es eine Grunderneuerung nach der Wiedervereinigung gab, haben wir speziell auf den Ostästen der S-Bahn noch einen sehr hohen Erneuerungsbedarf. Wir haben ja im Herbst vorigen Jahres gemeinsam mit dem Bund, den Ländern Berlin und Brandenburg sowie dem Verkehrsverbund das Projekt „i 2030“ gestartet. Ein Teilprojekt ist das S-Bahn-System. Es gibt Überlegungen in zwei Richtungen: Zum einen der Wiederaufbau eines zweiten Gleises auf derzeit noch eingleisigen Abschnitten, zum anderen geht es um Maßnahmen zur Betriebsstabilisierung. Dazu gehören etwa zusätzliche Bahnsteigkanten auf dem Ring – Halensee und Westend sind in der Diskussion. Aber auch Blockverdichtungen etwa zwischen Neukölln und Hermannstraße, die auf dem südlichen Ring eine dichtere Zugfolge ermöglichen.

Wann wird es da Entscheidungen geben?

Schreinert: Ich will dem Lenkungskreis nicht vorgreifen. Aber ich gehe davon aus, dass wir dazu noch in diesem Jahr zu einer Entscheidung kommen.

Hat denn die Zahl der Fahrzeugschäden zugenommen?

Buchner: Ein großes Thema bei allen Nahverkehrsunternehmen, nicht nur bei uns, sind Türstörungen. Wenn die nicht richtig schließen, darf der Zug nicht mit Fahrgästen weiterfahren. Die Zahl der Störungen hat nicht zuletzt aufgrund des gewaltsamen Aufhaltens der Türen durch einzelne undisziplinierte Fahrgäste leider zugenommen. Zudem hat sich herausgestellt, dass bei unserer wichtigsten Zug-Baureihe, der Baureihe 481, ein Relais besonders störanfällig ist. Die Relais (zwei pro Doppelwagen) wurden inzwischen bei neun Viertelzügen (ein Viertelzug besteht aus zwei Wagen – Anm. d. Red.) ausgetauscht. Nun beobachten wir, ob die Türstörungen damit reduziert werden können. Wenn ja, werden sie präventiv bei den übrigen 491 Viertelzügen der Baureihe erneuert.

Die Fahrzeugflotte ist teilweise schon sehr in die Jahre gekommen, neue Züge werden erst im Jahr 2021 regulär fahren. Was tun Sie bis dahin?

Buchner: Für die älteren Baureihen 480 und 485 laufen ja bereits seit drei Jahren Programme, mit denen sie für einen Einsatz bis 2023 und möglicherweise darüber hinaus ertüchtigt werden. Für die Baureihe 481 ist im Herbst ein Probe-Umbau geplant, dann soll es im nächsten Jahr richtig losgehen mit einer Runderneuerung.

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