Berlin. Die Aufklärungsquote liegt in Berlin bei unter vier Prozent. Der Radverband fordert deshalb mehr sichere Abstellplätze.
Berlins Fahrradfahrer müssen vor allem in der Innenstadt um die Sicherheit ihrer Zweiräder fürchten. So wurden 2017 im Bezirk Mitte berlinweit erneut die meisten Räder gestohlen. Das geht aus einer jetzt von der Senatsinnenverwaltung veröffentlichten Antwort auf eine Anfrage des Grünen-Abgeordneten Stefan Taschner hervor. Für 2017 spricht die zur Antwort herangezogene „Verlaufsstatistik Data-Warehouse“ von 27.507 angezeigten Fällen. 2016 wird mit 30.259 angegeben. Diese Zahlen weichen allerdings von den Daten der offiziellen Polizeilichen Kriminalstatistik (PKS) ab. Für 2016 weist die PKS 34.418 Fälle aus.
Nach Mitte (3931) verschwanden die meisten Räder in Friedrichshain-Kreuzberg (3877), Pankow (3666) und Charlottenburg-Wilmersdorf (3075). In Außenbezirken wie Spandau, Marzahn-Hellersdorf und Reinickendorf beklagten die Menschen seltener den Verlust eines Rades. Besonders häufig werden Fahrräder also dort entwendet, wo die Menschen sehr viel Rad fahren und viele Räder besitzen. Mit Blick auf Berlins Kieze sind das Pankow-Zentrum, der Kreuzberger Graefekiez, Friedenau und Zehlendorf-Mitte. Diese vier Viertel identifizierte die Polizei als „Hotspots“ für Fahrradklau.
Die Dunkelziffer ist hoch
2017 verschwand in diesen vergleichsweise kleinen Gebieten im Durchschnitt jeden Tag ein Fahrrad. Im Graefekiez waren es 407 Räder, auch wenn hier kein Bahnhof oder größeres Einkaufszentrum liegen, die die Polizei als Diebstahl-Schwerpunkte nennt. Pankow-Zentrum ist mit 421 registrierten Diebstählen der Kiez mit den meisten verschwundenen Rädern. Dort kommt eine fahrradaffine Bevölkerung zusammen mit der Umsteigefunktion, die der Bahnhof Pankow für viele Pendler einnimmt. Auch Friedenau (337 Diebstähle) fällt in diese Kategorie.
Beim Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Club (ADFC) geht man darüber hinaus von einer großen Dunkelziffer aus. Viele Opfer hielten es für sinnlos, einen Diebstahl ihres Verkehrsmittels anzuzeigen, weil sie ohnehin nichts von der Polizei erwarteten. „Vor allem Menschen, die eine Versicherung haben, gehen zur Polizei“, sagte ADFC-Sprecher Nikolas Linck. Der Wert der als gestohlen gemeldeten Räder steigt kontinuierlich und lag im vergangenen Jahr bei 629 Euro pro Diebstahl.
Aufklärungsquote bei nicht mal 4 Prozent
Der Polizei gelang es nur in ganz wenigen Fällen, die Täter zu ermitteln. Die Aufklärungsquote lag in Berlin 2017 bei nicht einmal vier Prozent. „Das ist viel zu wenig“, findet Taschner. Bundesweit sei die Quote doppelt so hoch. Die Münchener Polizei beschaffe sogar jedes neunte geklaute Rad wieder. Die Berliner Polizei konzentriere sich aber vor allem auf Prävention und ermittele wenig. „Wir können dieses Vorgehen so nicht hinnehmen“, so ADFC-Mann Linck. Laut Innenverwaltung prüft die Polizei jedoch, eine stadtweit agierende Ermittlungsgruppe einzurichten. Die meisten der Räder verschwanden auf der Straße oder aus dem Hof, nur in jedem sechsten Fall handelt es sich um Diebstähle aus Kellern.
Ebenfalls stark betroffen ist Zehlendorf Mitte (298 Diebstähle), wo am Bahnhof bis 2020 das erste echte Fahrradparkhaus der Stadt entstehen soll. Ähnliche Projekte sind für Südkreuz und Ostkreuz vorgesehen, am Gesundbrunnen soll es eine umzäunte doppelstöckige Abstellanlage geben. „Solche sicheren Abstellplätze brauchen wir, um dem Diebstahl Herr zu werden“, sagte ADFC-Sprecher Linck. Im neuen Mobilitätsgesetz seien diese vorgeschrieben. Ebenso fehlten vielerorts stabile Bügel, an denen die Radfahrer ihre Fahrzeuge anschließen können. Trotz dieser Forderungen ist der Trend eindeutig: Es werden in Berlin zwar immer noch viele Räder gestohlen, aber es sind etwas weniger als zuletzt.
Die Berliner Polizei empfiehlt: Vorbeugen. Es gelte, „Tatgelegenheiten zu reduzieren“, beschreibt Innenstaatssekretär Torsten Akmann die Strategie der Berliner Ordnungshüter gegen den massenhaften Fahrraddiebstahl. Die Menschen seien „hinsichtlich der Möglichkeiten der Eigentumssicherung“ zu sensibilisieren. Die Polizei bietet einen kostenlosen Service an, wo Radfahrer ihre Gefährte kennzeichnen und registrieren lassen können. Die Beamten raten, sich Rahmennummer und andere Daten im Fahrradpass zu notieren.
Einen ähnlichen Service offeriert der Fahrradclub ADFC, wo nach Angaben eines Sprechers wöchentlich etwa zehn Radfahrer ihre meist neuen und höherpreisigen Fahrräder mit einem Code versehen lassen. Immer wieder tauchen herrenlose Fahrräder unerwartet auf oder werden von der Polizei dann doch bei den Dieben sichergestellt. Im Internet können Geschädigte auf den Seiten der Polizei prüfen, ob ihr Rad vielleicht doch wiedergefunden wurde und auf Abholung wartet.
An größeren Abstellplätzen vor Bahnhöfen und Einkaufszentren, wo besonders viele Räder als gestohlen gemeldet werden, hat die Polizei warnende Piktogramme auf den Boden gemalt. Sie sollen darauf hinweisen, das Rad ordentlich zu sichern. Der ADFC empfiehlt im Idealfall zwei Schlösser zu nutzen, möglichst unterschiedlicher Bauart. Das Rad solle möglichst an einen fest stehenden Gegenstand angeschlossen werden, im Idealfall an einen Fahrradbügel, den es jedoch in der Stadt nicht in ausreichender Zahl gebe. Man sollte es professionellen Diebesbanden so schwer wie möglich machen.
Der Grünen-Abgeordnete Stefan Taschner hat pünktlich zum Start der Fahrradsaison die neuesten Entwicklungen beim Fahrradklau der Hauptstadt bei der Behörde erfragt. Die Menschen seien etwas vorsichtiger bei der Sicherung der Räder geworden, glaubt er. Damit erklärt sich der Politiker den Rückgang der registrierten Diebstähle um etwa 2700 von 2016 auf 2017.
Polizei ist organisierten Diebesbanden auf der Spur
Hoffnungen legt die Polizei auch auf GPS-Technik, die gestohlene Fahrräder orten kann. Aus Sicht der Polizei eine gute Möglichkeit, Diebstähle schnell und effizient aufzuklären. Im Handel ist eine ganze Reihe von Systemen erhältlich. Die meisten GPS-Sender werden etwa in Rücklichtern eingebaut. Die Preise liegen zwischen circa 50 und mehreren Hundert Euro. Der Standort der Räder lässt sich dann über das Smartphone ermitteln. Die Polizei setzt nach Angaben des Innenstaatssekretärs GPS-Technik aktuell ein. Sie platziert Sender in „Lockfahrrädern“ und hofft, dass Diebe zugreifen und die Ermittler auf die Spur der Hintermänner bringen. Denn neben eher spontanen Kleindieben, die ihre Beute auf dem nächsten Flohmarkt verkaufen, sind immer wieder auch organisierte Banden involviert, die gestohlene Räder lastwagenweise ins Ausland schaffen.
Derzeit arbeitet die Berliner Polizei gemeinsam mit der Beuth-Hochschule im Projekt „FindMyBike“ an standardisierter Soft- und Hardware, um der Polizei im Falle des Diebstahls Zugriff auf die Positionsdaten zu ermöglichen. GPS-Sender könnten dazu führen, Räder schnell wiederzufinden, Diebe zu überführen und die Täter so zu verunsichern, hofft die Polizei. Gleichzeitig prüfe sie, eine stadtweite Ermittlungsgruppe gegen Fahrraddiebstahl einzurichten, wie es die Fahrradlobby schon lange fordert. Der ADFC hat nichts gegen GPS-Geräte, mahnt aber vor allem sichere Abstellplätze an. Man könne nicht erwarten, dass sich jeder Radfahrer für Hunderte Euro einen GPS-Sender kaufe, um vor Diebstählen geschützt zu sein. Auch Fahrradversicherungen seien ziemlich teuer, was zeige, wie groß die Gesellschaften das Diebstahlrisiko einschätzten.
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