Kultur

Kultursenator erklärt Abgang des Volksbühnen-Intendanten

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Stefan Kirschner

Foto: DAVIDS/Sven Darmer

Klaus Lederer rechtfertigt im Kulturausschuss den Abgang des Kurzzeit-Volksbühnen-Intendanten Chris Dercon.

Am „Tag eins“ – Kultursenator Klaus Lederer (Linke) rechnet das Wochenende raus – nach dem am vergangenen Freitag verkündeten Ende des glücklosen Volksbühnen-Intendanten Chris Dercon geht es um die Deutungshoheit. Schließlich will niemand, wir bemühen passend zum Thema einen theatertypischen Vergleich, als Königsmörder dastehen. Und es ist gut, das lernt man ja auch bei Shakespeare, wenn man als Beteiligter in der Öffentlichkeit nicht den Hauch einer Genugtuung über den Abgang zeigt. Sondern Betroffenheit.

Verschwiegenheit über mögliche Abfindung

Lederer sprach von „schweren Tagen für alle Beteiligten“. Es sei in der vergangenen Woche „eine tragische Situation eingetreten“. Und im übrigen sei Chris Dercon nicht gekündigt oder rausgeworfen worden. Man habe den Vertrag in beiderseitigem Einvernehmen gelöst, sagt der Kultursenator bei der Diskussion über die Zukunft der Volksbühne am Montagnachmittag im Kulturausschuss des Abgeordnetenhauses. Auf die Frage nach einer möglichen Abfindung beziehungsweise der Höhe einer verabredeten Zahlung verweist Lederer darauf, dass die Vertragsaufhebung noch nicht unterschrieben sei, er also dazu schweigen werde. Auch, um diesen Prozess nicht zu gefährden.

Man darf wohl davon ausgehen, dass die Summe nicht unerheblich sein wird, schließlich hatte Dercon einen Fünfjahresvertrag. Es wäre spannend zu wissen, in welchem Größenverhältnis Abfindung und aufgehäuftes Defizit stehen. Das war ja der offizielle Grund für die Trennung. Dass die Volksbühne gewissermaßen kurz vor der Pleite steht, will Lederer am Montag nicht bestätigen. Die finanzielle Situation sei in der Berichterstattung dramatisiert worden.

Lederer versucht, die Widersprüche aufzulösen

Aber das Finanzielle ist nun mal die Stellschraube, mit der man einen Intendanten loswerden kann. Man kann als Kulturpolitiker nicht sagen, dass einem das Programm nicht gefällt. Eine Einmischung in ästhetische Fragen verbietet sich, das machen nur autoritäre Länder. Aber wenn ein Haus in eine finanzielle Krise gerät, dann darf, dann muss die Politik handeln.

Wobei es schon am Freitag verwunderte, dass Klaus Dörr, der eigentlich im Sommer als Geschäftsführer an der Volksbühne anfangen sollte und jetzt wegen der Lage sofort kommissarisch die Geschäfte des Intendanten übernimmt – zusätzlich zu seinem Job als Geschäftsführer des Staatstheaters Stuttgart –, dass also Klaus Dörr sagte, er sei optimistisch, dass Jahr 2018 an der Volksbühne mit einer schwarzen Null abzuschließen. Vielleicht darf er ja, anders als Dercon, die Rücklagen der Volksbühne, angeblich um die zwei Millionen Euro, benutzen. Verwunderlich auch, dass im Bericht der Senatsverwaltung über die finanzielle Entwicklung der landeseigenen Theater, vorgelegt am 2. März 2018, also vor rund sechs Wochen, ausgerechnet die Volksbühne als „unproblematisch“ eingestuft wurde. Ein „Handlungsbedarf“ sei aus den Controllingergebnissen „nicht ableitbar“.

Die Volksbühne habe ein „strukturelles Problem“

Weil Klaus Lederer ein gleichermaßen kluger wie machtbewusster Mensch ist, hat er am Montag versucht, diese Widersprüche aufzulösen. Demnach hatte Dercon um einen Gesprächstermin in der Kulturverwaltung gebeten, am 9. April war es dann soweit. Dercon habe gesagt, dass er aus finanziellen Gründen eine für den Herbst geplante Produktion aufs kommende Jahr verschieben müsse. Außerdem sagte er, dass Künstler abgesagt hätten. Was ja angesichts der Stimmung in der Stadt wenig verwunderlich ist. Dercon hatte von seiner Ernennung an mit massiven Widerstand zu kämpfen. Die Volksbühne wurde zwischenzeitlich besetzt, die Tür des Intendantenbüros mit Kot beschmiert, es gab regelmäßig Protestaktionen vor dem Theater und „Tschüss, Chris“-Plakate. Sibylle Meister von der FDP bezeichnete das als „Mobbing“, Lederer entgegnete, er habe sich „immer vor Dercon gestellt“. Die Volksbühne aber habe ein „strukturelles Problem“ (zu wenig Vorstellungen, zu geringe Einnahmen, zu teure Koproduktionen), deshalb habe man in der vergangenen Woche handeln müssen.

Wie geht es weiter?

Die ganze Angelegenheit wird dadurch noch etwas vertrackter, dass Lederer ein bekennender Frank-Castorf-Fan ist, bei der Verabschiedung des langjährigen Volksbühnen-Intendanten im Sommer 2017 machte er daraus auch keinen Hehl. Die Personalie Dercon hatte ihm schließlich sein Amtsvorgänger, der damalige Kultursenator Michael Müller und sein Staatssekretär Tim Renner (beide SPD), hinterlassen.

Und wie geht es jetzt weiter mit der Volksbühne? Das Theater soll wieder mehr bespielt werden, möglicherweise auch durch andere Berliner Theater, was den Markenkern des Hauses nicht gerade stärken würde. Mit der Suche nach einem neuen Intendanten will sich Lederer Zeit lassen, es müsse vorab über ein neues Konzept diskutiert werden. Schreiben werde er keines, denn „ich werde nicht der neue Intendant sein“, sagt der Kultursenator.