Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer fordert den Erhalt des Flughafens Tegel. Welche Chancen hat der Vorschlag? Fragen und Antworten.

Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) hat sich in einem Interview in der Berliner Morgenpost für die Offenhaltung des Flughafens Tegel ausgesprochen. Ein realistischer Vorstoß oder politisches Kalkül?

Was sagt der Bundesverkehrsminister?

„Ich bin immer ein Fan von Tegel gewesen. Ich hatte mal die Bezeichnung T2T, also Terminal 2 Tegel, vorgeschlagen. Berlin sollte noch mal überlegen, Tegel offen zu halten – und als zweites Terminal des BER zu nutzen. Der Luftverkehr nimmt zu, und das Ergebnis des Volksentscheids sollte den politisch Verantwortlichen erst recht zu denken geben. Ich kenne die rechtlichen Zwänge. Aber nach meiner persönlichen Meinung sollte man die Diskussion über die Zukunft des Flughafens Tegel noch einmal neu beginnen.“

Was wäre nötig, um Tegel offen zu halten?

Tegel darf nur offen gehalten werden, wenn alle drei Gesellschafter Berlin, Brandenburg und der Bund bereit wären, die gemeinsame Landesplanung zu ändern. Zu diesem Schluss kommt der vom Regierenden Bürgermeister Michael Müller (SPD) beauftragte Gutachter Stefan Paetow. In diesem Fall müssten sie aber nachweisen, dass die Kapazität des BER auch mit Erweiterungen nicht ausreicht. Kündigt der Berliner Senat einseitig die Landesplanung, wäre die Kündigung frühestens 2022 wirksam, was laut Gutachter zu spät sei. Denn der BER soll im Oktober 2020 eröffnen und Tegel muss laut Planfeststellung spätestens ein halbes Jahr später schließen. Jahrelange Verzögerungen durch Klagen von Umweltverbänden, Gemeinden und Privatpersonen wären die Folge. Die Opposition hingegen spricht von einem politischen Gefälligkeitsgutachten und glaubt, Tegel könne offen gehalten werden, wenn der politische Wille dazu da wäre.

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    Wäre es überhaupt möglich, Tegel als Dependance zum BER zu betreiben?

    Ein zweites BER-Terminal am bisherigen Flughafen Tegel zu betreiben, wie es der Bundesverkehrsminister vorschlägt, würde bedeuten, dass in Tegel der Flughafenbetrieb beibehalten wird. Dagegen steht die bisherige Beschlusslage, nach der sechs Monate nach Inbetriebnahme des BER die luftrechtliche Genehmigung und die luftrechtliche Planfeststellung erlischt.

    Andreas Scheuer (CSU), Bundesverkehrsminister dpa Christophe Gateau Scheuer begründet sein Plädoyer für Tegel mit dem zunehmenden Luftverkehr. Ist der BER nach der Eröffnung zu klein?

    Nach Aussagen von Flughafenchef Engelbert Lütke Daldrup wird die Kapazität des BER ausreichen. Mit einem Masterplan 2040 will die Flughafenleitung den BER in fünf Etappen massiv erweitern. Laut Prognosen der Flughafengesellschaft kann das Fluggastterminal am BER zur für Oktober 2020 geplanten Eröffnung 22 Millionen Passagiere pro Jahr bewältigen. In einem ergänzenden Terminal werden sechs Millionen Reisende in Verbindung mit dem Pier Nord abgefertigt.

    Am Flughafen Schönefeld Alt, der einige Jahre als Teil des BER mitgenutzt werden soll, können zusätzlich 13 Millionen Passagiere abgefertigt werden. Insgesamt reichten die Kapazitäten für 41 Millionen Reisende aus, damit kann die voraussichtliche Nachfrage von 38 Millionen Reisenden gut bewältigt werden. Auch 2030 und 2040 reicht die Kapazität laut Masterplan aus. 2040 könnten die erwarteten 55 Millionen Passagiere abgefertigt werden.

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      Was steckt hinter Scheuers Vorstoß?

      Für Berlins FDP-Fraktionschef Sebastian Czaja, der den Volksentscheid zur Offenhaltung Tegels mitinitiiert hat, beweist der Bundesverkehrsminister mit seinem Vorschlag Achtung vor dem Bürgervotum. Zudem zeige Scheuer damit Sachverstand, denn auch die faktische Entwicklung verlange nach einer Offenhaltung Tegels. Für andere habe Scheuer wie sein Vorgänger Alexander Dobrindt als CDU-Politiker dabei nur die Interessen Bayerns im Blick: Der stellvertretende SPD-Fraktionschef im Abgeordnetenhaus, Jörg Stroedter, ist überzeugt: „Es geht nur darum, den BER kleinzuhalten.“

      Was sagt die Bundesregierung dazu?

      Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) ließ mehrmals – auch nach dem Volksentscheid – mitteilen, dass Tegel laut bestehender Rechtslage wie verabredet geschlossen werden soll.

      Was passiert nun mit dem Volksentscheid, bei dem sich im vorigen September die Mehrheit der Wahlbeteiligten für die Offenhaltung Tegels ausgesprochen hat?

      Der rot-rot-grüne Senat hat in seiner Sitzung am 27. März beschlossen, dem Parlament folgenden Beschlussvorschlag zu unterbreiten: Das Abgeordnetenhaus nimmt zustimmend zur Kenntnis, dass der mit dem Volksentscheid „Berlin braucht Tegel“ vom 24. September gefasste Beschluss gemäß (…) vom Senat nicht umgesetzt werden kann. Am 26. April findet die nächste Plenarsitzung statt, frühestens dann könnte das Parlament entscheiden – mit der rot-rot-grünen Mehrheit und gegen die Opposition von CDU, FDP und AfD.

      Und danach?

      Die Tegel-Fans geben nicht auf: Die Berliner FDP lässt gerade prüfen, ob sie vor dem Verfassungsgericht Klage einreicht. Im Nachbarland sammelt der Verein „Brandenburg braucht Tegel“ seit März Unterschriften für den Flughafen Tegel. Ziel der von der FDP und den Freien Wählern unterstützten Volksinitiative ist – wie in Berlin – ein Volksentscheid.

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