Berlin. Mehr als 143.000 Hotelbetten werden in der Hauptstadt angeboten – und ihre Zahl wird schon in Kürze die 160.000-Marke erreichen. Aktuell sind 30 Hotels in Bau und in Planung. Rechnet man auch noch die sechs Hotels hinzu, die am Flughafen BER in Schönefeld errichtet werden, sind es sogar 36 Häuser, in denen zusammen mindestens weitere 15.800 Betten entstehen. Das geht aus aktuellen Zahlen zur Hotelentwicklung der Hotel- und Gaststättenverband (Dehoga) Berlin hervor, die der Berliner Morgenpost vorliegen.
Der Boom am Berliner Hotelmarkt hatte sich in den vergangenen Jahren verlässlich auf immer neue Rekordzahlen bei den Übernachtungen stützen können. So hat die Zahl der Hotelbetten seit der Wiedervereinigung im Jahr 1990 zwar um beachtliche 380 Prozent zugelegt. Zugleich stieg aber auch die Zahl der Übernachtungen von 7,2 Millionen (1990) auf 31,2 Millionen (2017) und hat sich damit vervierfacht, wie Berlins landeseigene Tourismusagentur „Visit Berlin“ errechnet hat.
Der rasante Wachstumskurs weckt nun aber auch Befürchtungen – zumal es schon heute in Berlin deutlich mehr Hotelbetten gibt als in New York City. Zum Vergleich: Den rund 58 Millionen Besuchern der US-Metropole stehen rund 110.000 Hotelbetten zur Verfügung. In Berlin verteilen sich die rund 31 Millionen Übernachtungen dagegen schon heute auf 143.000 Betten. Die durchschnittliche Auslastung liegt bei 60,1 Prozent (2017).
Folgen von Air-Berlin-Pleite noch längst nicht überwunden
Die Sorge vor sinkenden Auslastungszahlen wird noch durch die Pleite von Air Berlin im vergangenen Jahr befeuert, deren Folgen für die Tourismusbranche in der Hauptstadt noch längst nicht überwunden sind. Seit Sommer 2017 verzeichnet Berlin erstmals seit vielen Jahren sinkende Übernachtungszahlen, im November und Dezember etwa lag das Minus bei 4,1 beziehungsweise 4,6 Prozent. Im Jahresdurchschnitt ist nach Angaben der landeseigenen Berlinwerber von „Visit Berlin“ immerhin noch ein zartes Plus von 0,3 Prozent ausgewiesen; 31,1 Millionen Hotelübernachtungen registrierte „Visit Berlin“ 2017.
Hotelexperten warnen, dass diese Steigerungsrate auf Dauer zu gering sei, wenn keine Überkapazitäten entstehen sollen. „Um den Zuwachs von 13.000 Betten bis 2020 zu stemmen, benötigt Berlin eine jährliche Steigerung von rund vier Prozent bei den Nächtigungen“, ist etwa Andreas Ewald, Geschäftsführender Gesellschafter der Engel & Völkers Hotel Consulting GmbH, überzeugt. Das Unternehmen hat kürzlich den „Hotelmarktreport Deutschland 2018“ veröffentlicht, in dem allerdings auch darauf verwiesen wird, dass es vor allem die Air-Berlin-Insolvenz ist. die sich negativ auf die Tourismusbilanz auswirke.

Fehlende Langstreckenflüge sind ein Problem
„Wir rechnen damit, dass der Markt sich wieder stabilisiert“, sagt Dehoga-Präsident Willy Weiland. „Unser Problem sind zudem die fehlenden Langstreckenflüge nach Asien und Amerika“, sagt Weiland weiter. Neben der Krise der Berliner Luftfahrt habe ebenfalls die sechsmonatige Hängepartie in Folge der zähen Regierungsbildung eine Rolle gespielt, durch die es weniger Reisetätigkeit gegeben habe.
Nach den von der Dehoga erfassten Bauprojekten entstehen mit Abstand die meisten Hotels im Bezirk Mitte. Schwerpunkte im Bezirk befinden sich rund um den Hauptbahnhof und den Alexanderplatz. Zwölf Häuser sind hier geplant, beziehungsweise bereits in Bau. Auf Platz zwei folgt mit sieben Häusern Friedrichshain-Kreuzberg, wobei bis auf eine Ausnahme alle im Ortsteil Friedrichshain geplant sind. Der Schwerpunkt im Bezirk liegt nahe der Mercedes-Benz Arena.
In Berlin haben Touristen und Geschäftsreisende die Wahl zwischen 786 Hotels und Hostels. Zu den Hotels, die noch im Laufe dieses Jahres an den Start gehen werden, gehört ein ganz besonderes Projekt. Der Hotelprojektentwickler MQ Real Estate errichtet das nach eigenen Angaben weltweit erste modular errichtete Hotel auf einem Shoppingcenter.
Ende April werden die ersten Zimmer-Module angeliefert
Aufmerksame Kunden des Einkaufszentrums Ring-Center 2 und Nutzer des S-Bahnhofs Frankfurter Allee in Friedrichshain können bereits seit Anfang Februar verfolgen, dass sich auf dem zuvor nur wenig genutzten Dach des Parkhauses etwas tut. Ein riesiger Kran steht mitten auf dem Dach, in regelmäßigen Abständen schweben nun große Stahlträger auf das Parkdeck. „Bis Anfang April errichten wir aus den Stahlträgern die Unterkonstruktion, spätestens Ende April werden dann die ersten Zimmer-Module angeliefert“, berichtet Nikolai Jäger, Gründer von MQ Real Estate.
In sechs bis acht Wochen sollen so 151 komplette Hotelzimmer, die bis auf das bewegliche Mobiliar bereits komplett eingerichtet sind, aufs Dach gehievt und aneinandergereiht werden. „Parallel fangen wir dann bereits mit dem Bau der Lobby und der Flure an, die in Elementbauweise entstehen“, sagt Jäger weiter. Damit die Hotelgäste später nicht durch das Parkhaus gehen müssen, um in ihre Zimmer zu gelangen, werden zudem zwei Aufzüge neben dem Haupteingang zum Einkaufscenter installiert.
„Das Konzept des ‚aufgesetzten‘ Hotels hat uns daher sofort begeistert“, so Joanna Fisher, Chefin des Center Management bei der ECE, die auch das Ring Center betreibt. „Das ist ein tolles Beispiel für eine Nachverdichtung in einer gefragten Großstadtlage. Die Hotelgäste werden uns darüber hinaus zusätzliche Frequenz im Center bringen“, sagt sie.
Hotel soll bereits in wenigen Monaten fertig sein
Dank der in Bayern gefertigten Module soll das Hotel bereits in wenigen Monaten fertig sein. „Die Eröffnung wollen wir im Herbst feiern“, so Jäger. Das „Skypark Hotelkonzept“ soll schon bald in Serie gehen. Nach Auskunft Jägers sind deutschlandweit weitere zehn Projekte in der Pipeline. „Weltweit sind wir die Ersten, die sich konsequent auf die modulare Aufstockung von Bestandsgebäuden, insbesondere von Parkhäusern spezialisiert haben. Damit bewegen wir uns in vielerlei Hinsicht auf bisher unbetretenem Terrain“, sagt Jäger weiter.
Ein Wachstumsmarkt: Laut Bundesverband Parken e. V. sind viele Parkhäuser in Großstädten im Schnitt zu maximal 50 bis 60 Prozent ausgelastet. Da sich Parkhäuser von unten nach oben füllen, sind die obersten Decks häufig ungenutzt. „Genau diese, oft jahrelang ungenutzten Flächen zu revitalisieren, ist Kernidee unseres 2014 gegründeten Start-ups“, sagt er. Und verrät, dass die Investitionskosten für das Projekt bei rund zehn Millionen Euro liegen. Hotelbetreiber für das Berliner Pilotprojekt wird die Novum Hospitality mit ihrer neuen Marke „niu“.
Air-Berlin-Delle schreckt Investoren nicht
Dass sich die Investition angesichts der wachsenden Konkurrenz auf dem Berliner Hotelmarkt nicht rentieren wird, „befürchten wir nicht“, sagt Jäger. Die Zahlen sprächen für sich. Die Gäste- und Übernachtungszahlen stiegen seit Jahren kontinuierlich. Die durch die Air-Berlin-Pleite ausgelöste Delle schrecke ihn nicht: „Wir gehen von einer weiteren positiven Entwicklung auf dem Tourismusmarkt aus“, sagt der Unternehmensgründer. Natürlich finde auch ein Verdrängungswettbewerb an gewissen Standorten statt. „Insgesamt sind wir aber optimistisch, dass der Markt auch weitere Hotelneubauten sehr gut aufnehmen wird“, sagt er.
„Berlin ist für viele Menschen auf der Welt ein Sehnsuchtsort, das wissen auch die Hotelentwickler“, sagt Burkhard Kieker, Geschäftsführer der Tourismusorganisation „VisitBerlin“. „Dennoch sehe ich nicht, dass wir in eine Hotelkrise hineinlaufen“, sagt Kieker weiter. Das zeige nicht zuletzt auch die weiterhin hohe Investitionsbereitschaft in Hotelneubauten. „Berlin ist in der glücklichen Situation, dass uns weltweit viel Vertrauen entgegengebracht wird“, so der Tourismusexperte. Dennoch müsse die Stadt nun schnell etwas dafür tun, damit der so wichtige Wirtschaftsfaktor Tourismus sich weiterhin gut entwickle. „Insbesondere bei der Frage der fehlenden Kongresskapazitäten nach der Schließung des ICC stelle ich fest, dass die Politik noch viel zu entspannt agiert“, kritisiert Kieker. Auch in der Flughafenfrage müsse sich schnell etwas ändern: „Mittelfristig können wir interkontinental nur wachsen, wenn wir Langstreckenflüge haben und der BER in Betrieb geht“, ist er überzeugt.
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