Berlin. Immer häufiger wird in Berlin der Rettungsdienst verständigt. Oft geht es aber gar nicht um echte Notfälle.
Mittlerweile gehört der „Ausnahmezustand Rettungsdienst“ in Berlin zum Alltag. Allein im vergangenen Monat wurde er ein Dutzend Mal ausgelöst. Diesen Alarm gibt es immer dann, wenn die Auslastung der Helfer gegen 90 Prozent tendiert. Die Feuerwehr nimmt dann Löschfahrzeuge aus dem Dienst, um die Rettungswagen besetzen zu können.
Neben Personalnot, einem neuen Schichtmodell und vielen Krankschreibungen sind Hauptgründe für die mehr als 1500 Alarmierungen des Rettungsdienstes am Tag aber oft Einsätze, die überhaupt keine sind. Immer häufiger wählen Berliner den Notruf 112, wenn es auch ein Gang zum Hausarzt getan hätte. Dabei siebt die unterbesetzte Leitstelle der Feuerwehr schon aus. Wie eine kleine Anfrage des FDP-Innenexperten Marcel Luthe jetzt ergab, landeten allein im Jahr 2017 insgesamt 918.000 Notrufe in der Leitstelle der Feuerwehr – das sind 2515 am Tag. „Nicht nur unsinnige Anrufe, sondern vor allem die unsinnige Personalpolitik belasten die Leitstelle massiv: Neben dem hohen Krankenstand bleiben Stellen jahrelang unbesetzt, weil auch Rot-Rot-Grün sich nicht für die Feuerwehr interessiert“, sagte Luthe der Berliner Morgenpost. Das begründet er mit 26 Stellen, die allein in der Leitstelle der Feuerwehr derzeit nicht besetzt sind. Die Berliner Morgenpost dokumentiert absurde Einsätze und Notrufe der Feuerwehr:
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Meldung: Herzstillstand Der Leitstelle der Feuerwehr wurde ein junger Mann in Hakenfelde mit Herzstillstand gemeldet. Kurz danach erreichte die Leitstelle die Meldung, dass das Herz des jungen Mannes wieder schlage. Er sei eine Runde im Kreis gegangen, alles sei wieder ok.
Meldung: Hilflose Person In Hohenschönhausen wurde eine hilflose Person gemeldet. Ein Rettungswagen rückte sogar vom Platz der Luftbrücke aus an, weil kein anderer frei war. Vor Ort trafen die Sanitäter eine männliche Person ohne Beschwerden.
Meldung: Fieber Die Mutter eines zweijährigen Kindes alarmierte den Notruf, weil sie glaubte, dass ihr Kind Fieber habe. Vor Ort stellten die Sanitäter jedoch fest, dass die Mutter nicht mal ein Fieberthermometer besitzt.
Meldung: Verbrühung Ein Mann aus Buckow alarmierte den Notruf, weil er sich im Mundbereich verbrüht habe. Vor Ort stellten die Sanitäter fest, dass der Mann keine Atembeschwerden hat und die Verbrühungen schon mehrere Stunden alt und nur geringfügig waren. Er hatte ein zu heißes Getränk getrunken.
Meldung: Kreislaufbeschwerden Der Rettungsdienst der Feuerwehr musste nach Lichtenrade ausrücken, weil ein älterer Mann über Kreislaufprobleme klagte. Vor Ort erfuhren die Sanitäter allerdings, dass es der Bohrlärm des Nachbarn war, den der Rentner nicht mehr aushielt und der ihm Kreislaufprobleme bereitete. Deshalb sei er von der Polizei auch an die Feuerwehr verwiesen worden.
Meldung: Kopfschmerzen Ein junger Mann aus Schmargendorf alarmierte den Rettungsdienst wegen Kopfschmerzen. Vor Ort sagte er den Sanitätern, dass er nicht auf die Ärzte des Bereitschaftsdienstes habe warten wollen (Notruf: 116 117). Der 112-Notruf würde einfach schneller gehen. Nach der Untersuchung stellten die Sanitäter fest, dass es sich nicht um einen Notfall handelte. Alle Vitalfunktionen des jungen Mannes waren normal.
Meldung: Schlafprobleme Ein junger Mann aus Kreuzberg wählte den Notruf, weil er nicht schlafen konnte. Er sei total gestresst und vollkommen wach, sagte er. Sanitäter stellten fest, dass mit dem jungen Mann alles in Ordnung war.
Meldung: Gift Eine junge Frau alarmierte den Notruf, weil sie vergiftet worden sei. Später stellte sich allerdings heraus, dass die junge Frau einfach keinen Alkohol verträgt und es ihr deswegen nicht gut ging. Eine Notfallrettung war nicht nötig.
Meldung: Bauchschmerzen Ein Senior aus Mitte mit Bauchschmerzen wählte den Notruf. Vor Ort stellten die Sanitäter fest, dass die Bauchschmerzen vom übermäßigen Genuss von Saft mit Kohlensäure kamen.
Meldung: Schmerzen Ein Mann aus Steglitz klagte über Schmerzen. Er pöbelte die Leitstelle an. Später stellte sich heraus, dass die Schmerzen von einem Sonnenbrand kamen.
Kosten für Rettungseinsätze in acht Jahren fast verdoppelt
Rettungskräfte beklagen massive Gewalt bei Einsätzen