Berlin. „Es gibt keine Lobby für Mieter“, sagt Peter Gnielczyk und schüttelt nachdrücklich den Kopf. Gnielczyk und sein Kompagnon Jasmin Dulic sind Sprecher der Bürgerinitiative (BI) Fasanenplatz, die sich in den letzten Jahren vor allem für die Erhaltung und bürgernahe Umgestaltung des Meierotto-Parks rund um die Freie Volksbühne starkgemacht hat. Jetzt hat die BI ein neues Problem ausgemacht, mit dem ihr Kiez allerdings nicht allein in der Berliner Innenstadt ist: steigende Mieten, Entmietung und Abriss alter Wohnhäuser für Luxussanierungen oder -neubauten.
Gnielczyk und Dulic haben eine Straßenkarte vor sich, in der sie akribisch eingezeichnet haben, an welcher Ecke in ihrem Kiez Wohnungen entmietet wurden, ein Abriss eines Hauses geplant ist, wo neu gebaut wird und Wohnungen an Urlauber vermietet werden. „Wer hier einmal auszieht, kann es sich nicht mehr leisten, wieder in eine renovierte oder neu gebaute Wohnung einzuziehen“, sagt Dulic.
„Problem ist in der Mitte der Gesellschaft angekommen“
Die angestammte Bewohnerschaft des Kiezes werde nach und nach verdrängt. „Das betrifft inzwischen nicht mehr nur Nachbarn mit geringem Einkommen, das Problem ist in der Mitte der Gesellschaft angekommen“, sagt Gnielczyk. Normalverdiener, vielleicht auch noch mit Kindern, brauchten hier gar nicht mehr zu suchen. „Trotz der zweithöchsten Kaufkraft im Berliner Vergleich ist die Wohnkostenquote im Viertel eine der höchsten der Stadt“, rechnet Dulic vor. In den relevanten Postleitzahlbereichen 10707 und 10719 liege die Quote bei überdurchschnittlichen 37,2 beziehungsweise 38,3 Prozent. Als Weg zur Eindämmung dieser Entwicklung haben die Aktivisten das Instrument „Milieuschutzgebiet“ für sich entdeckt.
Der Bezirk Charlottenburg-Wilmersdorf hat im August vergangenen Jahres für die Gebiete „Mierendorffinsel“ und „Gierkeplatz“ in Charlottenburg zwei Milieuschutzverordnungen beschlossen, um künftig einen spekulativen Umgang mit Mietwohnungen zu verhindern. Noch liegen die Verfahren aber bei der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung. „Die Veröffentlichung der beiden sozialen Erhaltungsverordnungen im Gesetz- und Verordnungsblatt Berlin – womit die Rechtskraft eintritt – ist im ersten Halbjahr 2018 geplant“, versichert die Sprecherin der Stadtentwicklungsverwaltung, Katrin Dietl. Der Bezirk schließe derzeit das Verfahren der Stellenbesetzung mit folgender Einarbeitung des neuen Personals ab. „Sind diese Schritte abgeschlossen, erfolgt die Veröffentlichung“, so Dietl.

Bürgerinitative sammelt seit Montag Unterschriften
Der Marsch durch die Institutionen schreckt die Bürgerinitiative nicht. Seit Montag sammeln sie Unterschriften. Den Begriff Kiez hat man weit gedehnt. Vier Zonen umfasst der Planungsraum: Schaperstraße, Ludwigkirchplatz, Prager Platz und Nikolsburger Platz. Grob umrissen, decken die vier Zonen das Gebiet zwischen Lietzenburger Straße im Norden, Sächsischer Straße im Westen, Bamberger Straße im Osten sowie Berliner Straße im Süden ab.
„1000 Unterschriften von Bewohnern des Bezirks Charlottenburg-Wilmersdorf sind erforderlich, damit sich die Bezirksverordnetenversammlung mit dem Thema beschäftigt“, erklärt Dulic. Stimmen die Bezirksverordneten so einem Verfahren zu, gelte ab diesem Zeitpunkt, dass der Vermieter vor Abriss oder Modernisierung eine Genehmigung einholen müsste. Das Bezirksamt könne eine solche Genehmigung versagen, wenn eine mieterverdrängende Wirkung zu befürchten sei. Auch die Umwandlung von Mietwohnungen in Eigentumswohnungen bedürfe dann bezirklicher Zustimmung.
Charlottenburg-Wilmersdorfs Baustadtrat Oliver Schruoffeneger (Grüne) befürwortet die Initiative: „Wir wollten bis zu den Sommerferien sowieso ein Grobscreening machen und klären, wo in Bezirk weitere Milieuschutzgebiete ausgewiesen werden können.“ Geklärt werde dann auch, ob die von der BI geforderten Gebietszuschnitte so funktionierten. „Wenn es in einer Straße beispielsweise viele städtische Wohnungen gibt, ist es schwierig, da Verdrängungsdruck nachzuweisen“, so der Stadtrat.
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