Berlin. Die Sanierung der Staatsoper Unter den Linden, die seit Dezember als abgeschlossen gilt, ist eine der Berliner Baumaßnahmen, die sich nicht schönrechnen lassen. Die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Wohnen setzt zumindest auf das beschönigende Komma: Die Baukosten steigen, wie Bausenatorin Katrin Lompscher am Mittwoch dem Stadtentwicklungsausschuss mitteilte, gegenüber der zuletzt genannten Prognose von 400 Millionen Euro um weitere 39,4 Millionen Euro. Auch das ist nur eine Prognose. Jetzt wird von knapp 440 Millionen geredet, was nicht ganz so schlimm klingt. Das Desaster bleibt, wenn man sich an die Ausgangslage erinnert. Bei Sanierungsbeginn 2010 waren 239,3 Millionen Euro veranschlagt worden.
Die Bausenatorin wollte sich am Mittwoch auf Nachfrage nicht weiter zur Staatsoper äußern. In der Mitteilung ihrer Behörde wird als eine Ursache für die steigenden Baukosten der schlechte Zustand der historischen Bausubstanz genannt. Die Königliche Hofoper war 1742 eröffnet und seither mehrfach zerstört, wiederaufgebaut und saniert worden. Währung der Sanierungsarbeiten war man auf einige Überraschungen gestoßen. Im Mai 2011 wurde ein Tresorraum unter der Staatsoper gefunden, was einen Vorwand lieferte, die Wiedereröffnung um ein Jahr zu verschieben. Ein Jahr später tauchten im Untergrund morsche Holzpfähle auf, die Umplanungen des Fundaments erforderten, was wiederum zu einer einjährigen Verzögerung führte. Insgesamt verlängerte sich die Sanierungsdauer von drei auf sieben Jahre.
Insolvenz des Generalplanungsbüros führte zu Lücken im Planungsprozess
In der knappen Mitteilung heißt es am Mittwoch, dass „insbesondere die 2014 eingetretene Insolvenz des bis dato tätigen Generalplanungsbüros für die technischen Anlagen zu so gravierenden Lücken im weiteren Planungsprozess führte, dass deren Folgen erst in der Ausführungsphase des komplexen technischen Innenausbaus in den Jahren 2016 und 2017 zu Tage traten“. Tatsächlich war die Sanierung hochkomplex, kopflos und kostspielig.
Die Wiederöffnung der Staatsoper war von der Baumisere geprägt und musste peinlicherweise auf Raten geschehen. Das Haus wurde dem Ensemble auf den letzten Drücker übergeben. Nach der Wiedereröffnung am 3. Oktober vergangenen Jahres wurde das Opernhaus wieder geschlossen, um die Sanierungsarbeiten abzuschließen. Den regulären Spielbetrieb konnte die Staatsoper erst ab 7. Dezember aufnehmen. Künstler klagten über technische Unzulänglichkeiten, die die ersten Premieren massiv beeinträchtigten.
Alternative wäre die nächste einjährige Verzögerung gewesen
Die Senatsverwaltung betont, um die Wiederaufnahme des Spielbetriebes im Herbst 2017 einzuhalten, waren unter anderem „Beschleunigungen von Bauleistungen und eine Parallelität des Bau- und Inbetriebnahmeablaufes notwendig“. Hinter dem Begriff Beschleunigung verbirgt sich eine weitere Kostensteigerung. Die Alternative wäre die nächste einjährige Verzögerung gewesen. Inzwischen war aber der politische Druck zu groß geworden.
Bereits im Mai 2015 war der Untersuchungsausschuss Staatsoper im Abgeordnetenhaus zusammengetreten. Der Ausschuss versuchte herauszufinden, wie es zu den Planungspannen, Bauverzögerungen und Kostensteigerungen kommen konnte. Man stieß auf Planungsfehler, Sachzwänge durch den Denkmalschutz und Gedächtnislücken. Immer wieder waren Stimmen laut geworden, die an den Schätzungen zweifelten und vor einem Desaster warnten. Es ist wohl unwahrscheinlich, dass es bei der jetzigen Prognose bleibt. „Wir müssen in Zukunft die Bausummen realistisch einschätzen“, sagte die Kulturpolitikerin Sabine Bangert (Grüne) am Mittwoch. „Insbesondere bei den Kulturinstitutionen fehlt uns bis heute eine qualifizierte Sanierungsbedarfsermittlung und eine politische Prioritätensetzung“, sagt Florian Kluckert, kulturpolitischer Sprecher der FDP-Fraktion. „Der Berliner Senat fährt nur auf Sicht und ist mit allem, was größer ist, überfordert“, so Kluckert.

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