Wohnen in Berlin

Schulterschluss zwischen Senat und Bezirken beim Wohnungsbau

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Andreas Abel
Mieten: Berlin ist für Normalverdiener kaum noch bezahlbar

Mieten: Berlin ist für Normalverdiener kaum noch bezahlbar

In keiner Großstadt Deutschlands sind die Mieten für Normalverdiener so unerschwinglich wie in Berlin. Zwischen 2012 und 2016 sind die Mieten in Berlin um 20% gestiegen - Platz 8 im deutschlandweiten Städteranking.

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Die Zielvereinbarungen sind besiegelt: Pro Jahr sollen 20.000 Wohnungen entstehen. Baurechte sollen künftig schneller vergeben werden.

Berlin. Senat und Bezirke haben Bündnisse geschlossen, mit denen der Neubau von Wohnungen beschleunigt werden soll. Die für jeden Bezirk individuell formulierten Zielvereinbarungen wurden am Donnerstag von Stadtentwicklungssenatorin Katrin Lompscher (Linke) sowie den Bürgermeistern und Baustadträten aller zwölf Bezirke im Roten Rathaus unterzeichnet. Sie bilden den Rahmen, künftig bei der Wohnungsbauplanung enger zusammenzuarbeiten und Verantwortlichkeiten besser abzugrenzen. Jährlich gesetzte Meilensteine sollen helfen, die Ziele zu erreichen.

Den interaktiven Mietenatlas der Berliner Morgenpost finden Sie HIER

Mit den bis 2021 geltenden Vereinbarungen sollen insbesondere die Neubaupotenziale in den Bezirken ausgeschöpft werden. Die Prozesse, mit denen Planungs- und Baurecht geschaffen wird, werden beschleunigt und vereinheitlicht. In jedem Bezirk werden Mieterberatung, Bauberatung für Investoren, Wohnungsbaukoordination und Bürgerbeteiligung nach einheitlichen Standards installiert.

Schwerpunktthema für jeden Bezirk gemeinsam festgelegt

Zudem wurde mit jedem Bezirk ein Schwerpunktthema definiert, das gemeinsam mit der Stadtentwicklungsverwaltung vertieft werden soll. In Steglitz-Zehlendorf ist das zum Beispiel die Verflechtung mit dem Brandenburger Umland bei der Entwicklung von Wohnungsbaustandorten, in Charlottenburg-Wilmersdorf sind es die Neubaupotenziale auf Supermarkt-Grundstücken und in Reinickendorf der Wohnungsbau auf Flächen, die dem Bund gehören.

Senatorin Lompscher nannte die Bündnisse einen „Meilenstein in der Wohnungs- und Baupolitik dieser Legislaturperiode“. Den Bündnissen seien intensive Gespräche vorausgegangen, lobte Neuköllns Bezirksbürgermeisterin Franziska Giffey (SPD). Monika Herrmann (Friedrichshain-Kreuzberg/Grüne) sprach sogar von einer neuen Kultur des Umgangs zwischen Senat und Bezirken. „Es ist gut, dass wir jetzt einen Ansprechpartner für die Koordination auf Senatsseite haben“, sagte Cerstin Richter-Kotowski, Bezirksbürgermeisterin von Steglitz-Zehlendorf (CDU).

Gemeinsam mit jedem Bezirk hat die Stadtentwicklungsverwaltung wichtige Wohnungsbauprojekte ausgewählt, die in den kommenden Jahren forciert werden sollen. In Charlottenburg-Wilmersdorf etwa sind das rund 1000 Wohnungen an der Quedlinburger Straße nördlich der Spree, in Spandau die „Inselstadt Gartenfeld“ mit 3700 Wohnungen und in Steglitz-Zehlendorf das Projekt „Parks Range“ mit 2500 Wohnungen in Lichterfelde Süd. Für diese drei Projekte sollen bis 2021 Bebauungspläne vorliegen.

Angesichts des Bedarfs will der Senat, dass bis 2021 in Berlin pro Jahr 20.000 Wohnungen gebaut werden. Dafür seien erfahrungsgemäß 25.000 Baugenehmigungen jährlich erforderlich, so Lompscher. Die Zielzahl von 100.000 Wohnungen für den Bündniszeitraum wurde nun mit den Bezirken vereinbart. Planungs- und Baurecht sollen die Bezirke künftig binnen 18 bis 20 Monaten schaffen, Bebauungspläne den Bezirksverordneten innerhalb von 24 Monate nach Aufstellungsbeschluss vorlegen.

Zusätzliches Personal wurde nicht verabredet

Im Landeshaushalt 2018/2019 stehen den Bezirken pro Jahr 7,5 Millionen Euro zur Beschleunigung des Wohnungsneubaus und für Bürgerbeteiligung zur Verfügung. Mehr Personal ist aber mit den Bündnissen nicht verbunden. Dies mahnte Richter-Kotowski an, ebenso eine bessere Besoldung und Mittel, um Räume für neue Mitarbeiter zu schaffen. Giffey betonte indes, die Umsetzung der Wohnungsbauprojekte sei nicht von zusätzlichem Personal abhängig. Helmut Kleebank, Bezirksbürgermeister von Spandau (SPD) kritisierte, in den Bündnissen seien keine Fristen vorgesehen, in denen etwa die Senatsverkehrsverwaltung Stellungnahmen zu Bebauungsplänen verfassen müsse. Der Verband Berlin-Brandenburgischer Wohnungsunternehmen (BBU) begrüßte die Bündnisse. Neben einer Beschleunigung der Verfahren seien aber auch mehr Bauland und ausreichende Baukapazitäten nötig.

Graf: Senat soll Fristen definieren

Die Industrie- und Handelskammer Berlin (IHK) erklärte, die Verpflichtung der Bezirke, sich auf bestimmte Qualitätsstandards zu verständigen sowie eine Bauberatung sicherzustellen sei gut, müsste aber eigentlich eine Selbstverständlichkeit sein.

Florian Graf, CDU-Fraktionschef im Abgeordnetenhaus, forderte den Senat auf, für sich selbst klare Fristen zu definieren, die den Neubau beschleunigen und die Neubauzahlen erhöhen. „Der Senat muss sich selbst an den Maßstäben messen lassen, die er den Bezirken auferlegt“, sagte Graf. Die Genehmigungsverfahren auf Landesebene müssten deutlich verkürzt werden. So sollten Änderungen im Flächennutzungsplan in maximal 18 Monaten vollzogen sein, Entscheidungen von Verkehrslenkung und Wasserbehörde müssten innerhalb von höchstens zwei Monaten vorliegen, forderte der Fraktionsvorsitzende. Neue Wohnbaugebiete müssten verkehrlich erschlossen werden.

Auch Christian Gräff, baupolitischer Sprecher der CDU-Fraktion sagte der Berliner Morgenpost, das Hauptproblem bei den langen Verfahren zum Bau- und Planungsrecht seien die Stellungnahmen von Senatsverwaltungen. Von daher seien die Bündnisse „maximal eine politische Willensbekundung“.

Auch Sebastian Czaja, FDP-Fraktionsvorsitzender im Abgeordnetenhaus, übte Kritik. „Es ist schon traurig, dass der Senat nach mehr als einem Jahr auf die Idee kommt, endlich enger mit den Bezirken zu kooperieren.“ Allerdings sei auch weiterhin keine Neubauoffensive öffentlicher und privater Hand erkennbar. Er forderte von Rot-Rot-Grün mehr Dachgeschossausbau und ein digitales Baulückenkataster, um einen Überblick über freie und bebaubare Flächen in der Stadt zu gewinnen.

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