Landeskriminalamt

Berlins LKA-Chef gerät in Bedrängnis

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A. Dinger und U. Kraetzer
Christian Steiof, Leiter des LKA (Archivbild)

Christian Steiof, Leiter des LKA (Archivbild)

Foto: dpa

Christian Steiof soll von den Überlastungsanzeigen der Polizeiabteilungen schon vor dem Anschlag in Berlin gewusst haben.

Berlin. Der Leiter des Berliner Landeskriminalamtes (LKA), Christian Steiof, gerät zunehmend in Bedrängnis. Denn das Anti-Terror-Kommissariat des Berliner LKA war in den vergangenen Jahren stärker überlastet als bisher bekannt. Darüber war auch der LKA-Chef persönlich informiert. Entsprechende Angaben hat die Leiterin des Staatsschutzes des LKA, Jutta Porzucek, im Amri-Untersuchungsausschuss gemacht, in dem sie am Freitag als Zeugin aussagte. Besonders tragisch: Ein Gespräch zur Personalnot fand am 19. Dezember 2016 nur wenige Stunden vor dem Anschlag auf dem Breitscheidplatz statt.

Demnach bat die Staatsschutz-Chefin bereits im Herbst 2016 um einen persönlichen Termin bei LKA-Chef Christian Steiof. Gemeinsam mit führenden Beamten aus ihrer Abteilung habe sie auf die Personalsituation aufmerksam machen wollen. „Im Lauf des Jahres 2016 wurden die Belastungen zunehmend so groß, dass ich den LKA-Leiter immer wieder darauf hingewiesen habe“, sagte Staatsschutz-Chefin Porzucek. „Wir waren an einem Punkt, an dem kein Spielraum mehr ist und eine grenzwertige Arbeitsbelastung erreicht war.“ Der Umfang der Dramatik sei allerdings nicht erkannt worden. Berechnungen zufolge hätte die Abteilung Staatsschutz der Berliner Polizei 40 bis 50 zusätzliche Mitarbeiter gebraucht, um alle Aufgaben erfüllen zu können, hieß es. Spätestens seit den Terroranschlägen in Paris, Brüssel und Nizza ab Januar 2015 habe sich die Situation beim LKA-Staatsschutz und speziell den Kommissariaten gegen Islamismus so verschärft.

Wie die Polizei am Freitag mitteilte, hat zwischen dem 1. Januar 2015 und dem 31. Januar 2017 mindestens ein weiteres Kommissariat aus dem Bereich Islamismus-Bekämpfung (LKA 54) zweimal eine „Überlastungsanzeige“ an die übergeordnete Dienststelle gestellt. Zuvor hatten Recherchen der Berliner Morgenpost und des Rundfunk Berlin-Brandenburg (RBB) ergeben, dass das für den späteren Breitscheidplatz-Attentäter Anis Amri zuständige Kommissariat 541 des LKA am 12. Oktober 2015 eine Überlastung an die Dienststelle gemeldet hatte. Derzeit wisse die Berliner Polizei nicht, in welchen Dienstbereichen und wie häufig in den vergangenen Jahren Überlastungsanzeigen gestellt wurden, hieß es am Freitag weiter. Bekannt sei jedoch, dass auch andere Dienststellen in der Polizei Berlin außerhalb des Polizeilichen Staatsschutzes vergleichbare Überlastungsanzeigen formuliert hätten. Die internen Prüfungen zu dem Thema dauerten an, sagte die Polizei.

Krisengespräch bei der Polizeiführung anberaumt

Innensenator Andres Geisel (SPD) hatte jegliche offene Konfrontation mit Polizeipräsident Klaus Kandt und LKA-Chef Christian Steiof trotz der Versäumnisse im Fall des Breitscheidplatz-Attentäters bisher vermieden. Ein Wechsel an der Polizeispitze stehe nicht an, so hieß es stets aus der Innenverwaltung. Dabei bleibt es offenbar. Jedenfalls bis auf Weiteres. Denn Geisel und Innen-Staatssekretär Torsten Akmann scheinen zumindest nicht mehr gewillt zu sein, Kandt und Steiof freie Hand zu lassen. Angesprochen auf den Umgang der Polizei mit den Überlastungsanzeigen verwies ein Sprecher der Innenverwaltung denn auch darauf, dass es sich zunächst um eine interne Angelegenheit der Polizei handele. Die Innenverwaltung verfolge den Vorgang aber sehr genau. Angesichts der aktuellen Situation will die Polizei das Thema in der Führungsbesprechung der Behördenleitung am 30. Januar 2018 „mit höchster Priorität“ erörtern.

Auch seitens der Innenverwaltung sei man mit der Polizeiführung in „intensiven Gesprächen“ darüber, wie Strukturen verändert werden könnten. Der Sprecher verwies zudem darauf, dass die Polizei unter Rot-Rot-Grün zusätzliche Mitarbeiter erhalte. Für das LKA sind im Doppelhaushalt 2018/19 171 neue Stellen vorgesehen, 26 für die Islamismus-Kommissariate.

Ein Problem für die Berliner Polizei ist allerdings auch, dass viele Beamte zu anderen Behörden gehen. So hat allein der Verfassungsschutz mehrere Polizeibeamte beim Berliner Staatsschutz abgeworben. Hinzu kommt, dass Beamte auch Versetzungsanträge stellen. Pro Jahr stellten seit 2010 zwischen 60 und rund 90 Berliner Polizisten Versetzungsanträge. Das geht aus einer Antwort der Senatsinnenverwaltung auf eine Anfrage des SPD-Abgeordneten Tom Schreiber hervor. Versetzt werden konnten aber jährlich nur zwischen 30 und rund 40 Beamte.

Debatte über Gewahrsam von Gefährdern

Pläne: Gefährder, die vor der Abschiebung stehen, sollen perspektivisch in einem Teil der Jugendarrestanstalt am Kirchhainer Damm in Lichtenrade untergebracht werden. Laut Innenverwaltung bietet das Objekt einen hohen Sicherheitsstandard.

Umzug: Eine gemeinsame Nutzung des Gebäudes als Jugendarrest und Gefährder-Abschiebegewahrsam ist nicht vorgesehen. Eine entsprechende Nutzung für Gefährder ist ab Ende 2018 vorgesehen. Die Jugendarrestanstalt soll nach Informationen der Berliner Morgenpost in ein Gebäude in Mitte ziehen.

Umstrukturierung: Der Gefährder-Gewahrsam soll mit seiner Eröffnung von der Justiz- in die Zuständigkeit der Innenverwaltung übergehen.

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