Berliner Initiative bekommt Obermayer-Preis und vergibt selbst eine Auszeichnung

Es war eines der prägendsten Erlebnisse ihrer Schulzeit. Jugendliche des evangelischen Gymnasiums zum Grauen Kloster in Schmargendorf hatten 2004 den Holocaust-Überlebenden Rolf Joseph kennengelernt. Als Zeitzeuge hatte er in der neunten Klasse von seinem Überlebenskampf erzählt. Die Jugendlichen waren beeindruckt, wollten mehr erfahren als das, was Herr Joseph auf ein paar Zetteln skizziert hatte.

Ein harter Kern von sechs Jugendlichen hatte die Idee, sein Leben aufzuschreiben. Sie nannten sich selbst Joseph-Gruppe und trafen sich über Monate immer wieder mit dem Holocaust-Überlebenden. Aus den Begegnungen entstand das Buch „Ich muss weitermachen“. Die Neuntklässler von damals sind inzwischen Ende 20 und im Berufsleben angekommen. Geblieben aber ist ihr Engagement für den inzwischen verstorbenen Rolf Joseph und wider das Vergessen. An diesem Montag wird die Joseph-Gruppe im Berliner Abgeordnetenhaus mit dem German Jewish History Award der Obermayer-Stiftung ausgezeichnet.

Seit 2000 wird der Preis vergeben, ausgerufen wurde er damals von Arthur Obermayer, einem US-amerikanischen jüdischen Chemiker und Unternehmer aus Boston mit deutschen Wurzeln. Mit dem Preis werden Deutsche geehrt, die in ihren Heimatorten die Erinnerung an das Wirken von Juden wachhalten. Und genau das versucht auch die Joseph-Gruppe. Nach dem Tod von Rolf Joseph vor fünf Jahren beschlossen die Mitglieder, die inzwischen alle im Studium und längst nicht mehr alle in Berlin waren, sich wieder zusammenzufinden und einen Preis ins Leben zu rufen. Die Erinnerung an diesen mutigen Mann, der erst in Berlin untergetaucht war, dann doch aufgegriffen und nach Auschwitz deportiert wurde, dem auf dem Weg die Flucht gelang und der schließlich in Berlin überlebt hatte, sollte wachgehalten werden. Und mit ihr auch die Erinnerung an so viele andere Juden und ihre Geschichte, und zugleich wollte die Gruppe Interesse für das jüdische Leben heute wecken. Es ist auch das, was die Mitglieder bis heute zusammenhält: „Die tiefe Verbundenheit mit Herrn Joseph, die tiefe Verbundenheit mit der Gruppe und die Überzeugung, dass es wichtig ist, mit so einem Preis das Bewusstsein für die Geschichte wachzuhalten“, erklärt es Fabian Herbst, einer der heute fünf Mitglieder der Gruppe, die am Montag geehrt werden.

Zu den Ausgezeichneten der Obermayer-Stiftung gehört auch Margot Friedländer. Die 96-Jährige ist Holocaust-Überlebende, war erst in Berlin untergetaucht. Sie wurde deportiert, konnte aber bis Kriegsende überleben. Sie besucht bis heute Schulen, um über das Erlebte zu sprechen. Margot Friedländer ist eine der letzten Zeitzeugen. Diese Form der Begegnung ist für Schüler heute kaum noch möglich. Auch deshalb sieht sich die Joseph-Gruppe in besonderer Verantwortung.

In diesem Jahr wird der Rolf- Joseph-Preis bereits zum fünften Mal ausgeschrieben. Der Wettbewerb richtet sich an Schüler der achten bis elften Klasse, die sich mit jüdischem Leben in Deutschland heute und in der Vergangenheit auseinandersetzen oder Begegnungen zwischen Juden und Nicht­juden suchen. „Finanziert wird er bis heute aus dem Erlös der zwei verkauften Auflagen des Buches“, erklärt der 28-jährige Herbst, der das Engagement für den Preis neben seinem Jura-Referenda­riat stemmt. Als Partner konnte die Gruppe das Jüdische Museum gewinnen, in dem auch im Herbst wieder die Preisverleihung stattfindet. Einsendeschluss für Beiträge in diesem Jahr der 26. Juni.