Berlin. Der kürzlich aus der Justizvollzugsanstalt (JVA) Tegel in den Libanon abgeschobene Gefährder Mohamed A. hat regelmäßig über ein Handy Kontakt zur Außenwelt gehalten, konnte so aus seiner Zelle heraus Terrorpropaganda verbreiten. Handys in Gefängniszellen sind kein Einzelfall, sondern ein Massenphänomen, wie eine Anfrage der Berliner Morgenpost bei der Justizverwaltung belegt.
Allein im vergangenen Jahr wurden in allen Berliner Gefängnissen insgesamt 1303 Mobiltelefone gefunden (siehe Grafik). Im Jahr zuvor waren es mit 1364 sogar noch ein wenig mehr. Die meisten Telefone wurden in der JVA Tegel (287) entdeckt, in der auch Mohamed A. saß.
„Dass wir so viele Telefone finden, zeigt, dass unsere Kontrollen funktionieren“, sagte Justizsenator Dirk Behrendt (Grüne) der Berliner Morgenpost. Zugleich kündigte er an, die Kontrollen zu verstärken. „Wenn wir wieder mehr Personal haben, können wir auch mehr kontrollieren“, so Behrendt weiter. Noch in diesem Jahr sollen 120 Bedienstete in den Justizvollzugsanstalten hinzukommen, die ersten 25 Ende Januar.
Störsender sind teuer und helfen kaum gegen Handys
Im Haushaltsplan ist auch die Anschaffung von weiteren Handyblockern vereinbart worden. Diese Störsender, die das Telefonieren unmöglich machen, gibt es bislang nur in einem Haus der JVA Plötzensee. Sie sollen nun in der JVA Moabit eingesetzt werden. Kosten für ein Haus: 2,3 Millionen Euro.
Handyblocker hatte vor allem die SPD gefordert, während man in der Justizverwaltung eher skeptisch ist. Ein Grund ist, dass die Technik sehr teuer ist und nur mäßigen Erfolg verspricht. So werden längst nicht alle Geräte gefunden. Die Entwicklung ist so rasant, dass teure Technik bereits in wenigen Jahren völlig veraltet ist.
Die meisten Geräte werden nach Justizangaben über Gefängnismauern geworfen, von Besuchern übergeben oder von Insassen in Körperöffnung hineingeschmuggelt. Um das zu verhindert, gibt es Schwerpunktkontrollen, auch mit mobilen Geräten, die Handys orten können. Der kritischste Punkt sind aber Gefängnisbesuche, bei denen oft die Übergaben stattfinden. Über Anwälte, die ihre Mandanten versorgen, wurden bislang eher Einzelfälle bekannt. Gleiches gilt für Justizbedienstete.
Der SPD-Abgeordnete Tom Schreiber fordert generell schärfere Kontrollen bei allen Personen, die Zugang zu Gefängnissen haben. „Gibt es Anhaltspunkte, kontrollieren wir auch die Besucher“, sagte Behrendt. Seine Verwaltung denkt zudem darüber nach, künftig mit dem Zoll zu kooperieren und einen Testlauf mit Hunden durchzuführen, die auch Telefone erschnüffeln können. Eine generelle Kontrolle aller Besucher, Bediensteten und Anwälte lehnt man bei Behrendt allerdings ab.
Dem Häftling drohen Disziplinarmaßnahmen
Werden Häftlinge mit einem Mobilfunkgerät ertappt, gilt das als verbotener Gegenstand und dem Gefangenen drohen Disziplinarmaßnahmen. Dabei ist entscheidend, ob der Insasse ein Erst- oder ein Wiederholungstäter ist. Das Gerät, das man bei dem Gefährder Mohamed A. fand, wurde von den Ermittlern ausgelesen. Dabei fand man heraus, dass der Islamist etwa mit dem Zwölfjährigen in Kontakt stand, der 2016 einen Anschlag auf einen Weihnachtsmarkt in Ludwigshafen geplant haben soll.
Schätzungen zufolge müssten in Berlin mehrere Millionen Euro investiert werden, um alle Haftanstalten mit Handyblockern auszustatten. Während man in der Justizverwaltung die vielen Telefonfunde als Erfolg wertet, da die Kontrollen zu funktionieren scheinen, interpretiert das FDP-Innenexperte Marcel Luthe anders: „Wenn wir sehen, wie viele Handys es in den Gefängnissen gibt, funktionieren die Kontrollen offensichtlich überhaupt nicht“, so Luthe zur Berliner Morgenpost.
Das Problem sei auch nicht nur über Mobilfunkblocker zu lösen, denn auf gleichem Weg wie Handys würden auch massiv Drogen in die Gefängnisse geschmuggelt. „Hier braucht es endlich mehr Personal, um sorgfältigst und umfassend zu kontrollieren, was in eine JVA kommt“, so Luthe weiter.
Handyblocker für alle Gefängnisse in Berlin gefordert
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