Es begann mit einer Werbung von Mercdes-Benz. Überlebensgroß hatte der Autobauer auf der Brandmauer eines Wohnhauses am Moritzplatz in Kreuzberg für eines seiner Fahrzeuge geworben. Und nicht nur dort, „die Plakate hingen überall in der Stadt“, sagt Fadi El-Ghazi. Für den 39-Jährigen war es der letzte Ansporn, ein weiteres in der mittlerweile recht langen Reihe von Berliner Volksbegehren zu starten: das für ein werbefreies Berlin.
Passend zu dieser Vorgeschichte hat die Initiative „Berlin Werbefrei“ zum Auftakt der Unterschriftensammlung am Dienstag an den Moritzplatz geladen. Die Mercedes-Benz-Werbung ist zwar nicht mehr zu sehen, stattdessen prangt direkt am Kreisverkehr ein Großplakat mit einer Kaufaufforderung für ein furchtbar fettig aussehendes Sandwich. Ziel der Initiative ist eine „drastische Reduzierung der Werbung im öffentlichen Raum und ein Werbeverbot an Kitas und Schulen“.
Das von Rechtsanwalt El-Ghazi entsprechend verfasste „Antikommodifizierungsgesetz“ beinhaltet dabei ein Verbot digitaler Werbeanlagen sowie eine Einschränkung von Produkt- und Dienstleistungswerbung im öffentlichen Raum. Unternehmen sollen an ihren eigenen Gebäuden, etwa mit dem Firmenlogo, nur noch in höchsten zehn Metern Höhe Reklame machen dürfen. „Wir wollen nicht, dass die Stadtsilhouette von den Logos multinationaler Unternehmen dominiert wird“, sagt El-Ghazi. Im Gegenzug werde die lokale Wirtschaft gestärkt.
Veranstaltungswerbung und gemeinnützige Aushänge sollen weiterhin erlaubt sein, auch die rund 2500 Litfaßsäulen sollen nicht verschwinden – wenn die Werbung darauf stimmt. Auch dürfe die Stadt Haltestellen und Sanitäranlagen weiter über Werbung finanzieren. Bei ihrem Vorhaben geht es El-Ghazi und seinen rund 30 Mitstreitern gar nicht so sehr darum, ihre Mitbürger – ausgenommen Kinder und Jugendliche – vor dem Einfluss von Werbung zu schützen. Es geht ihnen auch um Ästhetik und den öffentlichen Raum. Die Flächen, die heute von Werbung genutzt werden, seien für viele andere Dinge besser geeignet, etwa Begrünung oder Kunst, findet El-Ghazi.
In der Politik stößt die Idee auf wenig Gegenliebe. Die amtliche Kostenschätzung der Stadtentwicklungsverwaltung ergab, dass das Werbeverbot zu Mindereinnahmen von 208 Millionen Euro jährlich führen würde. Davon fehlten Senat und Bezirken 31 Millionen Euro, die anderen 177 Millionen Euro der Werbewirtschaft. Der Initiative ist das egal. Sechs Monate hat sie nun Zeit, um die 20.000 Unterschriften für die erste Stufe des Volksbegehrens zu starten. Danach müssten es noch einmal rund 180.000 sein, damit die Berliner im Rahmen eines Volksentscheids über ein werbefreies Berlin abstimmen könnten.