Berlin. Die Anwältin weiß vermutlich selbst nicht so genau, wie oft sie in ihrer Funktion als Strafverteidigerin schon in Berliner Gerichtssälen Platz genommen hat. Am Montag steht wieder ein Termin an, diesmal ist ihr Platz allerdings auf der Anklagebank. Die Anwältin soll einen Mandanten in der JVA Moabit mit Medikamenten versorgt haben, die dieser gewinnbringend in der Haftanstalt veräußerte.
Ihr Mandant wurde ebenfalls angeklagt, die Staatsanwaltschaft geht von einem gemeinsamen Tatplan aus. Bei einer Verurteilung drohen der Frau eine Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren und der Verlust ihrer Zulassung als Anwältin.
Immer wieder schmuggeln Anwälte verbotene Gegenstände ins Gefängnis
Falls die Vorwürfe zutreffen, wäre die Frau nicht die erste Anwältin, die Mandanten in der Haft mit verbotenen Gegenständen versorgt. In den vergangenen Jahren gab es mehrere solcher Fälle, es ging vor allem um Drogen und aufputschende Medikamente. Sie sind neben Handys in allen Haftanstalten heiß begehrt.
Wer Mithäftlingen Drogen verkaufen oder ein illegal eingeschmuggeltes Handy für heimliche Gespräche nach draußen zur Verfügung stellen kann, steht weit oben in der Hierarchie. Und geschmuggelt wird im großen Stil. „Es gibt im Knast nichts, was es nicht gibt“, sagte ein erfahrener JVA-Bediensteter der Berliner Morgenpost.
SPD-Innenexperte: Nur die Spitze des Eisbergs
Geschmuggelt wird von unterschiedlichen Gruppen, wie diverse Antworten der Berliner Justizverwaltung auf kleine Anfragen von Abgeordneten in den vergangenen Jahren zeigen. Über Anwälte, die ihre in Haft sitzenden Mandanten versorgen, wurden bislang eher Einzelfälle bekannt, Gleiches gilt für die Justizbediensteten, die auf diese Weise ihr Gehalt aufbessern.
Auch Mitarbeiter externer Firmen, die die Haftanstalten beliefern oder dort Arbeiten ausführen, werden häufig eingespannt. Die Dunkelziffer solcher Aktivitäten wird von Fachleuten als extrem hoch eingeschätzt. Der SPD-Innenexperte Tom Schreiber hält die bislang bekannt gewordenen Fälle für die sprichwörtliche Spitze des Eisbergs.
Auch Omas schmuggelten schon Drogen für ihre Enkel in die JVA
Die größte Risikogruppe bei der Versorgung von Häftlingen sind seit jeher Besucher, insbesondere Frauen. Die haben ihre eigenen Möglichkeiten, geringe Mengen an Drogen aber auch schon mal ein kleineres Handy in natürlichen Körperöffnungen einzuschmuggeln.
Ein früherer Leiter der Jugendstrafanstalt Charlottenburg wusste gar von schmuggelnden Großmüttern zu berichten. „Omis haben ein großes Herz, die sagen sich, wenn der arme Enkel nun mal drogenabhängig ist, dann muss man ihm doch helfen“, erzählt der leitende Beamte und räumt gleich ein, wie gering die Kontrollmöglichkeiten sind: „Man kann ja schlecht an jedem JVA-Zugang ein Röntgengerät aufstellen.“ Penible Kontrollen sind in der Tat nur stichprobenartig oder bei begründetem Verdacht möglich.
Inzwischen werden Menschen gar nicht mehr in jedem Fall für die Schmuggel-Aktivitäten gebraucht. Allein aus diesem Jahr wurden Fälle bekannt, in denen Drogen in Tennisbälle eingenäht und über die Mauern geworfen wurden. In zwei Fälle wurden gar Drohnen genutzt, die die Ware über dem Anstaltsgelände abwarfen.
Medikamente ins Gefängnis geschmuggelt: Anwältin vor Gericht