Berlin. Anfang 2018 startet das Pilotprojekt „Resozialisierung durch Digitalisierung“ in der JVA Heidering. Vollzugsbeamte mahnen zur Vorsicht.
Die zunehmende Digitalisierung des Lebens endet bisher an den Mauern vieler deutschen Justizvollzugsanstalten. Mit dem Projekt „Resozialisierung durch Digitalisierung“ will Justizsenator Dirk Behrendt (Grüne) nun den ersten Schritt gehen, um „das Leben im Gefängnis dem Leben in Freiheit“ anzugleichen. 35 Tablets und einige Computer sollen dafür ab Anfang 2018 in einer Testphase den Häftlingen in der Justizvollzugsanstalt (JVA) Heidering zur Verfügung gestellt werden. Sie gehören damit bundesweit zu den ersten Gefängnisinsassen, die einen Zugang zum Internet erhalten.
„So können sie schon aus der Haft heraus auf Wohnungssuche gehen, sich auf dem Arbeitsmarkt umsehen, Bildungsangebote nutzen und Nachrichtenportale besuchen“, begründet Behrendt die Vorteile des Pilotprojektes, von dem zunächst nur etwa 70 Insassen einer Gefangenenstation profitieren werden. Auch ein Studium an einer Fernuniversität sei dadurch möglich. Läuft es gut, könnte es bald in allen Berliner Gefängnissen Internet für die Häftlinge geben – wenngleich nur mit eingeschränkten Nutzungsmöglichkeiten, verbunden mit diversen Sicherheitsbarrieren. „Es geht nicht darum, dass alle sofort alles dürfen“, sagte Behrendt der Berliner Morgenpost. Vielmehr sollten die Gefangenen schrittweise herangeführt werden, je nachdem, wie die Nachfrage ist und ob die neue digitale Freiheit mit Wohlverhalten genutzt wird. Um Missbrauch vorzubeugen, soll das Angebot etwa nicht für pädophile Kinderschänder und Internet-Betrüger gelten.
Senat stellt für Pilotprojekt 250.000 Euro pro Jahr bereit
Finanziert wird das Pilotprojekt mit 250.000 Euro pro Jahr aus dem Doppelhaushalt für 2018 und 2019. Würde es auf alle Berliner Justizvollzugsanstalten ausgeweitet, müsse bei knapp 3000 Menschen im geschlossenen Vollzug und einem Anschaffungspreis von etwa 200 Euro pro Tablet mit rund 600.000 Euro pro Jahr kalkuliert werden, schätzt der Justizsenator, der die Kosten dann für den Haushalt 2020/2021 anmelden würde. Möglich, dass es dann doch teuerer wird, denn damit die Hardware genutzt werden kann, müsste in den Justizvollzugsanstalten erstmal ein Netz eingerichtet werden. „Wir überlegen noch, die Gefangenen das mitbezahlen zu lassen“, sagt Behrendt. Während der Testphase gebe es aber erst einmal keine Kostenbeteiligung.
René Müller, Bundesvorsitzender beim Bund der Strafvollzugsbediensteten Deutschland (BSBD), mahnt, die Aktivitäten im Internet genauestens zu überwachen. Es gebe „Gefangene, die pfiffig genug sind, die Sicherheitsbarrieren zu umgehen.“ Grundsätzlich sollten die Gefangenen nach ihrer Entlassung aber wissen mit der Digitalisierung umzugehen. Und dass man auch in Justizvollzugsanstalten mit der Zeit gehen müsse, „sehen wir auch so“, erklärt der Bundesvorsitzende.
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