Weit weg vom Bürger

1000 Euro fürs Büro: Wie Berliner Abgeordnete tricksen

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Martin Nejezchleba und Ulrich Kraetzer
Berliner Abgeordnetenhaus.

Berliner Abgeordnetenhaus.

Foto: dpa

Mit Bürgerbüros sollen Abgeordnete „leichter erreichbar sein“. Doch einige sind kaum zu finden. Die Pauschale erhalten sie trotzdem.

Berlin.  Die Regelungen für den Betrieb sogenannter Wahlkreisbüros werden von etlichen Berliner Landesabgeordneten eher fragwürdig ausgelegt. Die Verwaltung des Abgeordnetenhauses zahlt für Anmietung und Unterhalt jedes der externen Büros monatlich pauschal 1000 Euro. Wie eine Recherche der Berliner Morgenpost ergab, beträgt die tatsächliche Miete aber oft nur einige Hundert Euro. Wofür die Volksvertreter den Rest der Pauschale verwenden, ist in der Regel nicht eindeutig nachzuvollziehen.

Anders als beabsichtigt und im Gesetz begründet, sorgen die externen Büros in vielen Fällen nicht für mehr Bürgernähe. Etliche Abgeordnete machen Standorte und Öffnungszeiten ihrer Kiez-Dependancen nicht öffentlich. Viele Abgeordnetenbüros sind nicht als solche gekennzeichnet. Einige Volksvertreter haben sich in abgelegenen Gewerbegebieten eingemietet, wo die Büros kaum auffindbar sind. Andere halten die Adressen geheim.

Die Möglichkeit, sogenannte „externe Büros“ außerhalb des Sitzes des Berliner Abgeordnetenhauses im Preußischen Landtag zu unterhalten, besteht seit Januar 2014. Die Änderung des Landesabgeordnetengesetzes war einerseits eine Reaktion auf die beengten Verhältnisse im Preußischen Landtag, wo sich mehrere Abgeordnete teilweise ein Büro teilen müssen. Außerdem wollten die Abgeordneten für mehr Bürgernähe sorgen, indem sie in Büros außerhalb des Parlamentssitzes „vor Ort leichter erreichbar sind“, heißt so die Gesetzesbegründung.

Steuergeld für ein Büro, das nie eröffnet wurde

Die Anfragen und Vor-Ort-Recherchen der Berliner Morgenpost lassen an der korrekten Auslegung des Gesetzes und der Richtlinien des Präsidenten des Abgeordnetenhauses allerdings Zweifel aufkommen. In einem Fall erhielten Abgeordnete gar über Monate Geld für ein Büro, das nie eröffnet wurde. Die Vorwürfe richten sich gegen den Vorsitzenden der Berliner FDP-Fraktion, Sebastian Czaja, und seinen Fraktionskollegen Thomas Seerig. Sie hatten bereits im Juli dieses Jahres ein externes Büro angemietet. Wegen Bauarbeiten konnten sie die Räume allerdings bis heute nicht beziehen. Auf Anfrage der Berliner Morgenpost antwortete Sebastian Czaja zunächst, er und Seerig würden daher auch kein Geld vom Parlament beziehen.

Nachdem das Abgeordnetenhaus dieser Darstellung widersprach, räumte Czaja ein, seit Juli dieses Jahres doch eine monatliche Pauschale für ein Büro erhalten zu haben. Miete habe er wegen anhaltender Bauarbeiten im selben Zeitraum aber nicht entrichtet. Die Zahlungen seien mit Kenntnis des Vermieters „zurückgestellt“ worden. Nach Abschluss eines Auflösungsvertrages werde er die Pauschale zurückzahlen.

Ein Sprecher der Verwaltung von Parlamentspräsident Ralf Wieland sieht trotz der fragwürdigen Praxis beim Betrieb einiger Abgeordnetenbüros, etwa der fehlenden Kennzeichnung, keine Anzeichen für Regelverstöße. Die Verwaltung sei „nicht die Kon­trollinstanz für die frei gewählten Abgeordneten“. Man gehe davon aus, „dass sich alle Abgeordneten an die von ihnen verabschiedeten Gesetze und Richtlinien halten“.

Tatsächliche Mietkosten und wirkliche Nutzung spielen keine Rolle

Auch die FDP-Abgeordneten Czaja und Seerig hätten weder gegen die Richtlinien für die Einrichtung von Abgeordnetenbüros noch gegen das Landesabgeordnetengesetz verstoßen, sagte der Sprecher. Für den Bezug der Pauschale reiche die Vorlage eines gültigen Mietvertrags. Die Höhe der Miete oder die tatsächliche Nutzung der Büros spiele nach geltender Rechtslage keine Rolle. Czajas Fraktionskollege Seerig habe die erhaltenen Zuwendungen mittlerweile dennoch freiwillig zurückgezahlt.

Der Staatsrechtler Christian Pestalozza von der Freien Universität Berlin forderte, die Verwaltung des Präsidenten des Abgeordnetenhauses müsse die Einhaltung der Regeln für den Betrieb der Abgeordnetenbüros routinemäßig kontrollieren. Bei Verstößen dürfe die Verwaltung die Pauschalen nicht auszahlen und müsse sie gegebenenfalls zurückfordern. Die Regelungen für die Einrichtung der externen Büros seien allerdings zu schwammig formuliert. „Sie laden zur potenziellen Verschleuderung von Steuergeldern förmlich ein“, sagte Pestalozza.