Berlin. Am Mittwoch hat die neue Saison der Berliner Kältehilfe begonnen. Evangelische und katholische Kirchengemeinden, Caritas, Diakonie und Deutsches Rotes Kreuz (DRK) verfolgen nun schon im 28. Jahr das Ziel, Obdachlose vor dem Kältetod zu bewahren. Unterstützung erhalten sie hierbei von den Bezirken, dem Land und vor allem zahlreichen Ehrenamtlichen, die aus christlich-humanitärer Überzeugung heraus helfen wollen. Bis 31. März dauert die Saison.
Derzeit stellt die Berliner Kältehilfe 689 Plätze bereit. Diese sollen bis Ende des Jahres auf 1000 Plätze aufgestockt werden, auch ein Kältezelt am Alexanderplatz ist in Planung. Kapazitäten stehen ebenso in ehemaligen Flüchtlingsheimen zur Verfügung, etwa in Alt-Moabit und an der Levetzowstraße in Mitte sowie im Hangar 4 des ehemaligen Flughafens Tempelhof. In dem Hangar seien zunächst 100 Kältehilfeplätze vorgesehen, sagte die Senatssozialverwaltung.
„Soll man die Menschen draußen erfrieren lassen?“
Trotz der optimistischen Pläne liegt der Senat mit diesen Zahlen im Rückstand. Ursprünglich sollten 850 Plätze zum Saisonstart bereitgestellt werden. Experten diskutieren, wie viele Plätze benötigt werden. In der Vergangenheit waren die Unterkünfte häufig voll.
Die Notunterkunft der Stadtmission an der Lehrter Straße zum Beispiel bietet 121 Menschen Obdach, häufig wurden hier sogar Kellerräume zur Verfügung gestellt, wenn sich immer mehr Menschen vor der überfüllten Unterkunft sammelten. „Was soll man denn machen, die Menschen draußen erfrieren lassen?“, fragte Ulrich Neugebauer, Leiter der Berliner Kältehilfe.
Diakonisches Werk: Auch 100 Plätze werden nicht reichen
Barbara Eschen, Direktorin des Diakonischen Werkes Berlin-Brandenburg, sagte indes: „1000 Plätze sind genug.“ Nicht an allen Tagen würden gleich viele Plätze gebraucht. Im vergangenen Jahr seien an der Spitze 965 Plätze zur Verfügung gestellt worden, dieses Jahr würden es mehr. Andererseits sei Berlin gerade für Menschen aus osteuropäischen EU-Ländern wie Bulgarien und Rumänien, die sich hier bessere Lebensperspektiven erhoffen, zum Anlaufpunkt geworden.
Die Berliner Kältehilfe stelle aber ein Nothilfesystem dar und keine Regelversorgung, betonen die Organisatoren. Dennoch wollen sie es nicht dabei belassen, ein Dach über dem Kopf, Nahrung, Kleidung, Hygiene und ärztliche Versorgung anzubieten, sondern sie sind auf nachhaltige Hilfe bedacht. Doch für die notwendige intensivere persönliche Beratung der Obdachlosen fehle Geld und Personal, erklärte Ulrich Neugebauer. Hier sei die Politik gefordert.
Bürger können hilflose Personen melden
Auch in diesem Jahr werden die Kältebusse der Stadtmission und der DRK-Wärmebus Hinweisen der Berliner folgen. So können über das Berliner Kältetelefon täglich von 19 bis 23 Uhr von jedem Bürger hilflose Personen gemeldet oder Informationen zu Hilfsangeboten eingeholt werden. Neu ist in diesem Jahr die „Kältehilfe-App“. Sie zeigt helfenden Berlinern eine Liste mit allen derzeit verfügbaren Einrichtungen. Über verschiedene Filter kann die Suche etwa auf Wochentage, Bezirke oder Unterkünfte für Frauen konkretisiert werden.
Die Senatssozialverwaltung will 2018 eine gesamtstädtische Strategie für den Umgang mit Obdachlosigkeit entwickeln. „Das steht bei uns ganz oben auf der Agenda“, sagte Verwaltungssprecherin Regina Kneiding am Mittwoch. In die Erarbeitung der Strategie sollen auch die Wohlfahrtsverbände mit ihrer Erfahrung einbezogen werden, ergänzte Kneiding.
Senat diskutiert über Obdachlosigkeit
In der vergangenen Woche hatte bereits der Rat der Bürgermeister (RdB) eine solche Strategie und ein entsprechendes Gremium angemahnt. Die Bezirksbürgermeister forderten den Senat in einem einstimmig gefassten Beschluss auf, „umgehend eine regelmäßige Strategiekonferenz zum gesamtstädtischen Umgang mit der Obdachlosigkeit im Land Berlin einzuberufen“.
Zu diesem Forum sollten die Senatsverwaltungen für Soziales, Inneres und Finanzen, die Senatskanzlei, alle Bezirke und die Liga der Wohlfahrtverbände eingeladen werden. Auch die Direktorin des Caritas-Verbandes Berlin Brandenburg, Ulrike Kostka, hatte ein gesamtstädtisches Strategieforum zur Obdachlosigkeit gefordert. Über Obdachlosigkeit wurde nach Informationen der Berliner Morgenpost am Mittwoch auch im rot-rot-grünen Koalitionsausschuss gesprochen. Dort hieß es dem Vernehmen nach, Sozialstadträtin Elke Breitenbach (Linke) werde das Thema zeitnah mit den Sozialstadträten der Bezirke erörtern.
So erreichen Sie das Kältetelefon
Kältetelefon und Kältebusse sind erreichbar unter 030/810 560 425. Hinweise werden täglich zwischen 19 und 23 Uhr entgegengenommen. Im Apple AppStore oder dem Google Play Store gibt es die „Kältehilfe App“.Mehr zum Thema: