Messe Berlin

„Ein Abriss des ICC wird zu Beifallsstürmen führen“

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Wolf-Dieter Wolf, Aufsichtsratschef der Messe Berlin

Wolf-Dieter Wolf, Aufsichtsratschef der Messe Berlin

Foto: Anikka Bauer

Der neue Aufsichtsratschef der Messe Berlin, Wolf-Dieter Wolf, über das ICC, die neue Halle 27 und die Zukunft der ILA.

Berlin.  Die Messegesellschaft Berlin trägt viel zur Stärkung des Wirtschaftsstandorts Berlin bei. Doch der Platz rund um den Funkturm ist begrenzt, die Probleme beim Internationalen Congress Centrum ICC ungelöst. Ein Gespräch mit Wolf-Dieter Wolf, dem einflussreichen Aufsichtsratschef der Messe Berlin.

Herr Wolf, Sie sind seit April Aufsichtsratsvorsitzender der Messe Berlin. Wie läuft’s?

Wolf-Dieter Wolf: Sehr gut. Die Messe Berlin arbeitet in den vergangenen Jahren sehr erfolgreich. Der Umsatz wurde in dieser Zeit mehr als verdoppelt. Die Messegesellschaft Berlin gehört in Deutschland zu den drei Gesellschaften, die profitabel arbeiten. Die Messe Berlin gehört in Deutschland zu den sehr wenigen Gesellschaften, die profitabel arbeiten. Und darüber freue ich mich auch sehr: In einer neuen Studie der Investitionsbank Berlin ist deutlich geworden, dass die Messe 2016 für 74 Millionen Euro an direkten Steuereinnahmen für die Stadt gesorgt hat. Die Gäste und die Aussteller haben 2016 rund 1,7 Milliarden Euro in Berlin ausgegeben.

Erreichen Sie das auch 2017?

Wir kennen die Zahlen noch nicht. Aber wir haben in den nächsten Jahren auch noch viel vor mit der Messe. Deshalb haben wir auch die Verträge für die beiden Geschäftsführer bis 2021 / 2022 verlängert. Und die Messe Berlin wird sich in den nächsten Jahren öffentlich mehr bemerkbar machen.

Die großen Leitmessen Grüne Woche, Internationale Tourismusbörse, Internationale Funkausstellung oder Innotrans sind in Berlin gesetzt. Sie sind als Mann bekannt, der sich nicht mit dem Status quo zufrieden gibt. Was muss noch besser werden – zum Beispiel bei der Digitalisierung? Was haben Sie vor?

Zunächst einmal muss es darum gehen, die Leitmessen in Berlin zu halten. Das ist ja keine Selbstverständlichkeit. Für die ITB oder die IFA gibt es ja durchaus Konkurrenz weltweit. Das Thema Digitalisierung ist auch für die Messe ein Thema, aber ich bin mir sicher, dass es weiterhin Messen geben wird. Für Entscheider ist das die Gelegenheit, alle wichtigen Personen oder Unternehmen an einem Ort zu treffen.

Planen Sie neue Messen?

Es finden auch Gespräche über neue Messen statt, wenn die Geschäftsführer ein Thema entdecken – und das ein Thema für Berlin ist. Man muss aber auch bedenken: Unser Platz ist in Berlin sehr begrenzt. Man kann nicht einfach nur Messen akquirieren.

Bei der letzten IFA mussten Sie auch schon ausweichen – und „die Station“ in Kreuzberg nutzen ...

Ja, das geht gar nicht mehr anders. Wir brauchen Ausweichplätze. Das Problem bleibt uns auch während der Bauzeit der Halle 27 erhalten. Die reibungslose Durchführung der großen Messen während der Bauzeit ist gewährleistet, stellt die Messe aber vor große logistische Herausforderungen. Der Spielraum auf dem Messegelände ist relativ gering.

Wenn Sie nicht weiter wachsen können, was dann?

Die Messe arbeitet stetig an der Optimierung der Auslastung und wird dies auch weiterhin tun, aber man muss ja nicht nur in der Fläche wachsen – man kann dies ja auch inhaltlich tun. Und es gibt noch das ICC, zu dem es leider noch immer keine politische Entscheidung gibt. Wir benötigen jedenfalls zusätzliche Fläche, um zu expandieren.

Was sollte mit dem ICC geschehen? Was wünschen Sie sich?

Ich wünsche mir eine weniger dogmatische Debatte über das ICC. Es werden alle Ideen zum ICC kritisiert – vom Einkaufszentrum über ein neues Kongresszentrum bis zur Bibliothek. Das darf aber nicht dazu führen, dass das ICC in den nächsten zehn Jahren vor sich hin gammelt. Irgendwann wird man eine Entscheidung treffen müssen – und zwar eine wirtschaftlich vernünftige. Ich denke, dass man mit einem privaten Investor, den der Senat aussucht, eine Lösung finden muss. Dann kann auch die Messe dort wieder stattfinden, so wie wir es uns wünschen.

Als Kongresszentrum könnten Sie das ICC doch immer noch gebrauchen?

Ja. Aber das ICC müsste vor einer erneuten Nutzung erst einmal saniert, entkernt und erneuert werden. Wenn man aber keine Lösung findet, auch keinen privaten Investor, kann man das ICC auch abreißen. Derzeit sind nur 20 Prozent der Fläche im ICC für Messen oder Kongresse nutzbar, der Rest sind Nebenräume. Unwirtschaftlicher geht es kaum. Wenn jemand den Mut hat und sagt: „Das ändern wir, indem wir das ICC abreißen und dort etwas Neues hinstellen“, dann wird das in einigen Jahren sicher zu Beifallsstürmen führen.

Bei Ihnen auch?

Bei mir auch. Ich bin für den Abriss des ICC. Wir müssen uns endlich mit wirtschaftlichen Lösungen beschäftigen.

Soll denn dann dort ein neuer Messe-standort entstehen?

Auf jeden Fall. Das sollte eine Erweiterungsform für die Messe werden – in welcher Form auch immer.

Sind Sie über einen Abriss im Gespräch mit Wirtschaftssenatorin Pop?

Nein.

Für die Messe wurde ein Masterplan beschlossen. Nun wollen Sie auch die Struktur in der Messegesellschaft ändern, also das Land Berlin soll 100-prozentiger Eigentümer der Messe werden. Warum?

Das ist die Voraussetzung, damit das Land Berlin die Grundstücke der Messe endlich übertragen kann – und dann können wir die Grundstücke beleihen. Aber das wird erst im nächsten Jahr etwas werden.

Die Berliner Industrie- und Handelskammer (IHK) wird dann aber aus der Messe verdrängt, andere Verbände mit ihren Mini-Beteiligungen auch. Ist das klug?

Ich halte das für den richtigen Weg. Heute gibt es für diese Mini-Beteiligungen meiner Meinung nach keine Begründung mehr.

Rechnen Sie mit Widerstand?

Es ist ja völlig normal, dass die Gesellschafter sich anschauen, wie viel für sie die Anteile bezahlt haben – und was sie heute dafür bekommen könnten. Das wird sicherlich noch eine Rolle spielen, also das Land Berlin auch etwas kosten.

Seit vielen Jahren wird über die Kongresse gestritten. Sie, also die Messegesellschaft, wollten einmal Tempelhof nutzen, das geht nicht mehr. Was nun? Brauchen wir mehr Kongressflächen in Berlin?

Sollten in Tempelhof Veranstaltungsflächen vermarktet werden, rate ich dringend, dass die Messe Berlin dies übernimmt. Leider ist die Lage in Tempelhof derzeit sehr unübersichtlich. Aber es ist so: Messen und Kongresse wachsen immer mehr zusammen, zum Beispiel bei Medizin-Veranstaltungen. Dafür braucht man Flächen. Wir erleben ja, wie sehr der City Cube ausgebucht ist ...

Der wird ja gut angenommen ...

Der City Cube ist eine Erfolgsgeschichte. Und vor diesem Hintergrund bauen wir auch die Halle 27, die uns 70 Millionen Euro kosten wird. Das Land Berlin gibt nur sieben Millionen Euro dazu.

Zum Abschluss noch ein anderes Thema: Was wird aus der Internationalen Luftfahrtausstellung, der ILA? Hat die eine Zukunft?

Die ILA ist aus der Sicht von Berlin nicht mehr gewollt. Aber die Brandenburger wollen die ILA unbedingt, wobei sich die Brandenburger Beiträge dazu in Grenzen halten. Neben den finanziellen Gründen spielen Sicherheitsfragen eine große Rolle. Es gibt die großen Luftfahrtmessen in Frankreich und Großbritannien, niemand braucht diese Schauen mehr in Deutschland. Der Messeaufsichtsrat hat schon vor zwei Jahren beschlossen, die ILA nur noch durchzuführen, wenn sie wirtschaftlich ist. Sie ist es aber bis heute nicht. Der Gesellschafter hat das dann dennoch anders entschieden, was sein gutes Recht ist. Ich rechne aber damit, dass die ILA nach 2018 kein Thema mehr ist.

Und was wird dann mit dem Gelände in Selchow?

Die Flughafengesellschaft braucht das Gelände dringend für den BER. Es finden sehr intensive Verhandlungen zwischen der Messe und der Flughafengesellschaft statt, die hoffentlich im nächsten Jahr zum Abschluss kommen werden.