„Im Fall Amri ist alles falsch gemacht worden, was man falsch machen kann“, so beschreibt der vom Berliner Senat beauftragte Sonderermittler Bruno Jost die einzigartige Serie von Pannen und Fehlern, die sich die Behörden im Zusammenhang mit dem Weihnachtsmarkt-Attentäter Anis Amri leisteten.
Die jüngste in dieser endlosen Pannenserie wurde erst am Dienstag offenbar. Recherchen des „ZDF“ ergaben, dass ein syrischer Flüchtling die Behörden in Nordrhein-Westfalen bereits frühzeitig über die Gefahr informierte, die von Amri ausging. Bereits 2015 soll der Syrer eine Sozialarbeiterin über die engen Kontakte Amris zu islamistischen und dschihadistischen Gruppen informiert haben, ohne, dass die Sicherheitsbehörden reagierten.
Wenige Tage zuvor hatte die Berliner Morgenpost berichtet, dass es durchaus Möglichkeiten gegeben hätte, den als Gefährder eingestuften Amri in sein Heimatland Tunesien abzuschieben. Die Ausländerbehörde NRW hatte zuvor mehrfach erklärt, eine Abschiebung sei nicht möglich, da man die Forderung der Tunesier, etwa einen Handflächenabdruck Amris vorzulegen, nicht habe erfüllen können. Die Untersuchungen Josts ergaben, dass sowohl dem Bundeskriminalamt als auch den Behörden in Nordrhein-Westfalen Handflächenabdrücke vorlagen. In Düsseldorf wird dies allerdings bestritten.

Observation Amris nur von Montag bis Freitag
Schon älter ist der Vorwurf, die Berliner Justiz hätte die Möglichkeit gehabt, Amri bereits im Sommer 2016 wegen Drogendelikten in U-Haft zu nehmen. Damit hätte er nach Auffassung des Senats gar nicht die Möglichkeit gehabt, das Attentat zu begehen. Die Staatsanwaltschaft hegt allerdings Zweifel, ob die Erkenntnisse über Amris Drogengeschäfte für einen Haftbefehl gereicht hätten.
Inzwischen wurde bekannt, dass es eine zweite Möglichkeit gab, Amri festzunehmen und abzuschieben. Bereits Ende Juni 2016 war der damals bereits als Gefährder eingestufte Tunesier mit gefälschten Papieren über Friedrichshafen eingereist. Zwei Tage nach seiner Festnahme wurde Amri von den zuständigen Behörden in Baden-Württemberg wieder freigelassen und reiste mit neuer ebenfalls falscher Identität nach Nordrhein-Westfalen weiter.
Fast schon grotesk wirkt die Darstellung Josts, Amri sei trotz seiner Gefährlichkeit in Berlin nur von Montag bis Freitag observiert worden. Auch die Zusammenarbeit der Behörden war laut Jost katastrophal. Als Amri nach Berlin zog, sollen die NRW-Fahnder ihren Kollegen dringend geraten haben, gegen Amri weiter verdeckt zu ermitteln. Doch in Berlin wurde dem Tunesier alsbald mitgeteilt, er sei bereits im Fokus der Sicherheitsbehörden. Der Vorwurf wurde bereits Anfang dieses Jahres erhoben. Im Raum steht der Verdacht, Beamte des Landeskriminalamtes hätten Akten manipuliert, um Fehler zu vertuschen.
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