Die Zahl der Berufspendler in der Hauptstadtregion nimmt weiter zu. Die Länder haben Korridore benannt, in denen das Bahnangebot für sie verbessert werden soll
Die Zeit drängt, der Handlungsbedarf ist groß. Rund 300.000 Menschen fahren laut Berlins Verkehrssenatorin Regine Günther (parteilos, für Grüne) bereits jeden Tag zur Arbeit aus dem brandenburgischen Umland nach Berlin. Und in umgekehrter Richtung machen sich etwa 180.000 Berufspendler auf den Weg. Viele mit dem Auto, doch immer mehr auch mit der Bahn.
Nach Angaben des Verkehrsverbundes Berlin-Brandenburg hat sich die Zahl der Nutzer des Regionalbahnverkehrs in beiden Ländern in den vergangenen Jahren mehr als verdoppelt. Die S-Bahn hat seit 1999 etwa 70 Prozent an Fahrgästen dazugewonnen. Im Vorjahr haben die zum Bahnkonzern gehörenden rot-gelben Züge täglich 1,4 Millionen Fahrgäste befördert, Tendenz stark steigend. Doch Regio und S-Bahn stoßen immer öfter an die Grenzen.
Vor allem im morgendlichen und nachmittäglichen Berufsverkehr sind in den Zügen selbst Stehplätze Mangelware. Das soll sich nun ändern. Die Länder Berlin und Brandenburg sowie die für das Schienennetz verantwortliche Deutsche Bahn AG wollen jetzt gemeinsam planen, wo neue Gleisverbindungen und Bahnhöfe gebaut werden müssten. In einem ersten Schritt wurden acht sogenannte Korridore benannt, die die Hauptstadt mit dem südlichen und dem nordwestlichen Umland verknüpfen und bei denen der Handlungsbedarf als am größten angesehen wird.
1 Berlin-Spandau–Nauen Die Havelland-Gemeinden Nauen und Falkensee gehören zu denen im Berliner Umland, deren Einwohnerzuwachs in den vergangenen Jahren überdurchschnittlich hoch war. Ein Großteil der Bewohner arbeitet in Berlin und nutzt dafür den Regionalexpress. Bereits seit vielen Jahren fordern Kommunalpolitiker und Bahnkundenverbände Verbesserungen im Nahverkehr. Doch bislang haben sich die Länder dort eher gegenseitig blockiert. Während Berlin mal mehr, mal weniger intensiv die Pläne für eine Verlängerung der S-Bahn mindestens bis Falkensee (Havelland) vorantreibt, will Brandenburg dagegen mehr schnelle Regionalzüge bis in die Berliner Innenstadt fahren lassen. Ein besonderer Engpass ist der Bahnhof Spandau, über den ein Großteil des Fernverkehrs nach Hamburg rollt, künftig soll es wegen der hohen Nachfrage sogar einen Halbstunden-Takt geben. Mehr Regio-Züge sind da schwer durchzulotsen, das spricht eher für eine Verlängerung der S-Bahn, die auf separaten Gleisen fährt. „Für die Region werden wir beide Systeme brauchen“, sagte Brandenburgs Verkehrsministerin Kathrin Schneider (SPD).
2 Potsdamer Stammbahn Als Stammbahn wird Preußens erste Eisenbahnstrecke bezeichnet, sie verband ab 1838 Berlin mit der Residenzstadt Potsdam. Infolge des Mauerbaus von 1961 liegt die Trasse jedoch bis heute brach. Ein Wiederaufbau ist seit Jahren in der Diskussion, damit könnte vor allem die aktuell hoch frequentierte Strecke Berlin–Potsdam über Wannsee entlastet werden. Die Aufnahme der Stammbahn in den „Entwicklungsplan i2030“ (i steht für Infrastruktur) hat schon mal eine konkrete Folge: Der von den Grünen oder der Zehlendorfer CDU angeregte Bau eines Radschnellweges auf der stillgelegten Bahntrasse ist laut Verkehrssenatorin Günther vom Tisch.
3 Prignitz Express/Velten Auch die Bahnverbindung zwischen der Prignitz und Berlin gilt als überlastet. Brandenburg wünscht sich seit Längerem eine Verlängerung des RE6 über Hennigsdorf bis nach Gesundbrunnen. Dieses Ansinnen kollidiert bislang mit dem Wunsch des Landkreises Oberhavel und der Stadt Velten, die sich den Wiederaufbau der nach dem Mauerbau stillgelegten S-Bahnstrecke wünschen. Berlin wiederum möchte die Leistungsfähigkeit der S-Bahn im Norden durch ein zweites Gleis nach Tegel erhöhen.
4 Heidekrautbahn Über die Heidekrautbahn fuhren in den 20er-Jahren die Berliner in Scharen in die Schorfheide und an den Werbellinsee. Die Verbindung wurde gleichfalls durch den Mauerbau 1961 unterbrochen. Inzwischen gehören Gemeinden wie Wandlitz und Basdorf (Barnim) oder Wensickendorf (Oberhavel) zu den wichtigsten Zuzugsgebieten im Speckgürtel. Eine Reaktivierung der Ursprungsstrecke bis nach Wilhelmsruh und deren Weiterführung bis nach Gesundbrunnen könnte die Bahnanbindung erheblich verbessern.
5 RE1 Der Regionalexpress 1, der die Berliner Innenstadt auf schnellem Wege mit Potsdam und Brandenburg (H.) im Westen sowie mit Fürstenwalde und Frankfurt (O.) im Osten verbindet, steht an der Kapazitätsgrenze. Mehr Züge können wegen der Engpässe auf der Stadtbahn nicht fahren, längere Züge lassen die Bahnsteige im Brandenburgischen derzeit nicht zu.
6 Berlin–Rangsdorf Ein weiterer Engpass im Umland. Während viele Rangsdorfer sich den Wiederaufbau der einstigen S-Bahn-Verbindung wünschen, favorisiert Brandenburg bislang mehr Kapazitäten für den Regionalzugverkehr.
7 Berlin–Cottbus Einer Verbesserung des Regionalzugangebotes in Richtung Cottbus und Spreewald stehen derzeit die mangelnden Kapazitäten am Bahnhof Königs Wusterhausen entgegen, der gleichzeitig Endstation der S-Bahn ist. Ein Ausbau ist dringend nötig.
8 Engpassbeseitigung S-Bahn Die Leistungsfähigkeit der Berliner S-Bahn wird gerade auf den Außenästen durch zahlreiche eingleisige Abschnitte noch immer eingeschränkt. Einer davon ist der Abschnitt Wannsee–Griebnitzsee, der die Taktfrequenz der S7 begrenzt. Doch auch für andere Verbindungen ins Umland wie die Strecke Berlin-Buch nach Bernau fordern Experten den Wiederaufbau des nach Kriegsende demontierten zweiten Gleises.