Kriminalität

Berlin plant finalen Rettungsschuss

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Ulrich Kraetzer
Mit einer gruenen Übungspistole in der Hand trainiert ein Polizist der Berliner Polizei während des Tags der offenen Tür an der Landespolizeischule im Jahr 2016 eine Festnahme (Archivfoto)

Mit einer gruenen Übungspistole in der Hand trainiert ein Polizist der Berliner Polizei während des Tags der offenen Tür an der Landespolizeischule im Jahr 2016 eine Festnahme (Archivfoto)

Foto: dpa Picture-Alliance / Jochen Eckel / picture alliance / Jochen Eckel

Polizisten sollen zur Abwehr Terroristen und Kriminelle erschießen dürfen. Linke und Grüne sind skeptisch.

Berlin.  Die Berliner Senatsverwaltung für Inneres will den sogenannten finalen Rettungsschuss einführen. Die Neuregelung würde es Polizisten ermöglichen, Terroristen, Geiselnehmer oder andere Personen zu erschießen, wenn von ihnen eine unmittelbar drohende tödliche Gefahr ausgeht. Wie die Berliner Morgenpost aus Kreisen der Innenverwaltung erfuhr, will die Behörde dafür eine Gesetzesänderung auf den Weg bringen. Die Beamten sollen dadurch in Ausnahmesituationen, in denen Menschen in Lebensgefahr sind, mehr Rechtssicherheit erhalten. Die Debatte über den finalen Rettungsschuss hat nach den Terroranschlägen in Spanien noch einmal an Aktualität gewonnen.

Dem Vernehmen nach will die Innenverwaltung den finalen Rettungsschuss im Rahmen einer umfassenden Überarbeitung des auch als „Polizeigesetz“ bezeichneten Berliner „Allgemeinen Sicherheits- und Ordnungsgesetzes“ (ASOG) einführen. Ein Behördensprecher bestätigte die Absicht für die Überarbeitung des ASOG. So sei es auch im Koalitionsvertrag festgelegt. Die Informationen zur Einführung des finalen Rettungsschusses wollte der Sprecher nicht kommentieren. Er dementierte sie aber auch nicht.

Bisher müssen sich Polizisten, wenn sie einen gezielten tödlichen Schuss zur Abwendung einer Gefahr für Leib und Leben abgeben, auf die sogenannte Notstands-Regelung berufen. Ein solcher gezielter Schuss ist demnach rechtswidrig. Die betroffenen Beamten können sich aber auf einen „Notstand“ berufen und werden somit nicht bestraft. Die Mitarbeitervertretungen der Polizei haben diese Notstands-Regelung stets kritisiert, weil sie für den einzelnen Beamten wenig Rechtssicherheit biete und die Gefahr einer Verurteilung berge. So begrüßte die Gewerkschaft der Polizei (GdP) das Vorhaben. „Es geht nicht darum, töten zu können, sondern in Extremlagen rechtlich abgesichert zu sein. Die Verhältnismäßigkeit steht beim Einsatz dieses Mittels immer im Vordergrund“, sagte die Berliner GdP-Vorsitzende Kerstin Philipp.

Bislang nur in wenigen Ausnahmefällen angewandt

Die meisten Bundesländer haben den finalen Rettungsschuss längst in ihren Polizeigesetzen verankert. Außer Berlin verzichten bisher nur Mecklenburg-Vorpommern und Schleswig-Holstein darauf. In der Praxis ist der finale Rettungsschuss bislang nur in wenigen Ausnahmefällen angewandt worden.

Die Änderung des Gesetzes wird von der Berliner Innenverwaltung bisher nur behördenintern vorbereitet und ist in der rot-rot-grünen Koalition noch nicht abgestimmt. Sie müsste vom Abgeordnetenhaus beschlossen werden. In der eigenen Partei dürfte es Innensenator An­dreas Geisel (SPD) gelingen, eine Mehrheit für das Vorhaben zu organisieren. Die beiden Koalitionspartner äußern sich dagegen skeptisch. Aus der Linkspartei hieß es zwar, man sei für Gespräche prinzipiell offen, es gebe jedoch keinen Handlungsbedarf. „Die Verwaltung hat wichtigere Aufgaben. Wir halten eine Neuregelung nicht für notwendig“, sagte der innenpolitische Sprecher der Linke-Fraktion, Hakan Tas. Der „Rettungsschuss“ könne auch als „Todesschuss“ bezeichnet werden.

Grüne wollen keine Änderung des Polizeigesetzes

Noch kritischer äußerten sich die Grünen. Der finale Rettungsschuss sei nicht Gegenstand des Koalitionsvertrages. „Eine solche Gesetzesänderung wird es mit uns nicht geben“, sagte die grüne Rechtsexpertin Canan Bayram. Die Hemmschwelle, mit der Schusswaffe gezielt auf Menschen zu schießen, dürfe nicht gesenkt werden.

Der finale Rettungsschuss wurde nach dem Geiseldrama von München am 5. September 1972 eingeführt. Damals hatten Attentäter einer palästinensischen Terrororganisation Mitglieder der israelischen Olympia-Delegation als Geiseln genommen und zwei von ihnen getötet. Bei dem später heftig kritisierten Befreiungsversuch kamen auch die verbliebenen neun Geiseln sowie ein Polizist und fünf der Terroristen ums Leben.