Mehringdamm

Neues Leben im Kreuzberger Mausoleum

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Isabell Jürgens
Die Mausoleen in Kreuzberg sollen künftig als Ausstellungs- und Veranstaltungsräume genutzt werden

Die Mausoleen in Kreuzberg sollen künftig als Ausstellungs- und Veranstaltungsräume genutzt werden

Foto: Anikka Bauer

Auf einem Friedhof in Kreuzberg entsteht eine Gedenkstätte für den Erbauer des Brandenburger Tores.

Die Berliner vor 200 Jahren hatten ganz offensichtlich ein anderes Verhältnis zum Tod – und vor allem zum Gedenken an die Toten – als die heutigen Bewohner der Stadt. Das lässt sich sehr anschaulich an der Friedhofsanlage am Mehringdamm in Kreuzberg ablesen. Doch die meisten der einst so prächtigen Mausoleen entlang der Friedhofsmauer, mit denen wohlhabende Berliner Familien einst ihren verstorbenen Angehörigen ein ewiges Denkmal setzen wollten, sind so verfallen, dass der Zusammenbruch unmittelbar bevorsteht. Doch was tun mit all diesen Monumenten, die bereits seit Jahrzehnten keinerlei Verwendung mehr finden? Frank Prietz und Annette Winkelmann haben eine Lösung gefunden: die Nachnutzung.

Auf den Spuren von Carl Gotthard Langhans

Das Dachgewölbe des im Inneren nur 14 Quadratmeter großen Mausoleums war eingestürzt, im Inneren waren bereits Bäume mannshoch gewachsen, Fenster und Türen gab es nicht mehr, als die beiden Mitglieder der Carl-Gotthard-Langhans-Gesellschaft das Mausoleum aus der Biedermeierzeit entdeckten. Eigentlich waren die beiden auf der Suche nach Spuren, die noch an den Erbauer des Brandenburger Tores erinnerten. Zwar wussten sie, dass der schlesisch-preußische Architekt nicht in Berlin, sondern 1808 in Breslau bestattet wurde. Doch der 1869 verstorbene Sohn des Baumeisters, Carl Ferdinand Langhans, hat auf dem Friedhof Jerusalem III in Kreuzberg ein Berliner Ehrengrab. „Dieses befindet sich genau gegenüber des Mausoleums Massute, deshalb kam uns die Idee, aus der Ruine eine Langhans-Gedenkstätte für Vater und Sohn zu machen“, sagt Frank Prietz. Denn auch der Sohn hatte berühmte Bauwerke in Berlin entworfen, darunter den Neubau des im August 1843 abgebrannten Opernhauses Unter den Linden, das bereits nach etwas mehr als einem Jahr Bauzeit eröffnet werden konnte. „In Berlin gibt es jedoch weder Hinweisschilder noch Gedenktafeln oder einen dauerhaften Erinnerungsort für die beiden“, so der 55-jährige Bauingenieur und Professor an der Beuth Hochschule für Technik.

„Wir haben deshalb dem Evangelischen Friedhofsverband Berlin Stadtmitte, der auch den Friedhof am Mehringdamm verwaltet, vorgeschlagen, eine solche Erinnerungsstätte in dem baufälligen Mausoleum der Geschwister Massute einzurichten und sind glücklicherweise auf offene Ohren gestoßen“, ergänzt Annette Winkelmann. Die 55-jährige studierte Historikerin arbeitet als Verwaltungsleiterin an der Humboldt-Universität.

Seit gut einem halben Jahr wird das kleine Gebäude mit seiner klassizistischen Tempelarchitektur nun saniert. Mittlerweile ist die eingestürzte Kuppel wieder aufgemauert, die Wände im Inneren sind frisch verputzt und auch der Fußboden ist wieder begehbar. Dies sei aber nicht der Fall gewesen. Das Sanierungs- und Umbaukonzept für das kleine Tempelchen stammen vom Architekten Pedro Moreira. Dieser hat, gemeinsam mit dem Landesdenkmalamt, auch dafür gesorgt, dass die Einschusslöcher an der Fassade sichtbar bleiben. „Sie dokumentieren, dass im Zweiten Weltkrieg sogar auf dem Friedhof gekämpft wurde“, so Winkelmann.

Erinnerungsstätte soll am 8. September eröffnet werden

Rund 30.000 Euro kosten Sanierung, Teilrekonstruktion und Umnutzung – die im Wesentlichen vom Bund, dem Landesdenkmalamt, dem Friedhofsverband sowie der Langhans-Gesellschaft aufgebracht werden. Noch in diesem Monat müssen nun alle Restarbeiten abgeschlossen und die Ausstellung im Inneren aufgebaut sein. Denn bereits am 8. September soll die Gedenkstätte feierlich eröffnet und an den Tagen des offenen Denkmals am 9. und 10. September erstmals der Öffentlichkeit vorgestellt werden. „Wir hoffen, dass andere unserem Beispiel folgen und weitere Mausoleen und Kapellen auf Berlins historischen Friedhöfen sanieren und durch eine neue Nutzung dauerhaft sichern“, sagt Bauingenieur Prietz.

Ganz unberechtigt ist diese Hoffnung nicht. Denn tatsächlich zeichnet sich ein neuer Trend ab. Vereinzelt haben alte Leichenhallen, Kapellen oder andere Friedhofseinrichtungen bereits ihre Liebhaber gefunden. Die ehemalige Trauerkapelle auf dem Friedhof am Mehringdamm etwa ist seit 2013 ein Ausstellungspavillon, in dem über das Leben der Familie Mendelssohn informiert wird. In der alten Leichenhalle auf dem Friedhof an der Bergmannstraße ist das lauschige „Café Strauß“ ohne jeglichen Gruselfaktor untergebracht.

Und auf dem Dorotheenstädtischen Friedhof in Mitte ist im ehemaligen Totengräberhaus ebenfalls ein Café eingezogen. Die benachbarte Kapelle ist zum Kunstraum geworden, in dem der amerikanische Lichtkünstler James Turrell eine Installation eingerichtet hat, aus der es in den Abendstunden vielfarbig leuchtet. Auf St. Jacobi am Neuköllner Hermannplatz eröffnet in diesen Tagen, schräg gegenüber vom Karstadt-Kaufhaus, im Kolonnaden-Gebäude ein Café. Und seit Jahren wird auf dem Friedrichshainer Georgen-Parochial-Friedhof an der Boxhagener Straße eine Kapelle für Theaterprojekte genutzt. „Diese wird gerade saniert. Im Herbst zieht dort ein Kinder- und Jugendprojekt ein“, sagt Jürgen Quandt. Der Pfarrer im Ruhestand leitet den Evangelischen Friedhofsverband Berlin Stadtmitte.