Aus für „Wall“

Zweifel am neuen Berliner Toilettenkonzept

| Lesedauer: 5 Minuten
Andreas Abel
Wall muss die öffentlichen City Toiletten abbauen, wenn der Vertrag mit dem Land Berlin endet

Wall muss die öffentlichen City Toiletten abbauen, wenn der Vertrag mit dem Land Berlin endet

Foto: Jörg Carstensen / dpa

Die Oppositionsparteien sehen keine rechtliche Verpflichtung, den Vertrag mit der Firma Wall aufzukündigen.

Das neue Konzept des Senats für öffentliche Toiletten sorgt bei den Oppositionsparteien für Kritik und wirft auch etliche Fragen auf. Die CDU stößt sich vor allem an dem Argument der zuständigen Verkehrs- und Umweltsenatorin Regine Günther (parteilos, für Grüne), eine Verlängerung des bisherigen Toiletten-Vertrages zwischen dem Land Berlin und der Firma Wall sei „aus kartell-, beihilfe und vergaberechtlichen Gründen nicht möglich“.

Der bestehende Vertrag läuft zum 31. Dezember 2018 aus. Er erlaubt Wall, Werbeflächen auf Straßen und Plätzen zu vermarkten. Im Gegenzug bewirtschaftet das Unternehmen die meisten der rund 250 öffentlichen Toiletten. Künftig will der Senat diese beiden Geschäftsfelder deutlich trennen. Er sucht nun einen privaten oder landeseigenen Betreiber, der diese Toiletten aufstellt und bewirtschaftet und dafür Geld vom Land Berlin bekommt. Das Controlling soll das Land übernehmen. Die Werberechte sollen separat vergeben werden. Vor allem aus den Einnahmen dieser Vergabe will der Senat den Toilettenbetreiber bezahlen – und ist überzeugt, etliche Millionen Euro pro Jahr Plus zu machen.

„Wäre es bei der Kopplung geblieben, hätte sich faktisch nur die Firma Wall bewerben können, denn kein anderes Werbeunternehmen betreibt nebenbei Toiletten. Und kein Betreiber von Toiletten ist auf dem Werbemarkt aktiv. Eine solche Monopolstellung verhindert Wettbewerb“, erläuterte Günthers Sprecher, Matthias Tang, am Mittwoch. Das Bundeskartellamt habe bereits 2009 ausgeführt, dass in Großstädten mit mehr als 400.000 Einwohnern die Ausschreibung von Werberechten insbesondere bei Exklusivverträgen so zu gestalten sei, dass die Vergabe großer Werbeflächen nicht an die „Stadtmöblierung“ oder den Betrieb von Toiletten gekoppelt wird.

„Nur in Berlin geht nicht, was überall in der Republik geht“

Christian Gräff, wirtschaftspolitischer Sprecher der CDU-Abgeordneten, kann das nicht nachvollziehen. Es wäre bei einer Neuausschreibung des Vertrages sehr wohl möglich gewesen, ein Format zu wählen, das die Kopplung von Werbung mit dem Toilettenbetrieb zulasse und nicht nur Wall eine Teilnahme an der Ausschreibung ermögliche. Dazu hätten etwa für Berlin vier bis sechs Teillose vergeben werden können, sagte Gräff der Berliner Morgenpost. Mehrere Beispiele in Deutschland zeigten zudem, dass solche Konstrukte möglich seien. „Nur in Berlin geht nicht, was überall in der Republik geht“, kritisierte Gräff. Die CDU ist der Überzeugung, der Vertrag mit Wall hätte fortgesetzt werden sollen. „Ohne Not startet der Senat ein für die Stadt und die Steuerzahler mehr als gewagtes und wahnsinnig teures Experiment“, so der Abgeordnete.

Auch die AfD sieht keine Notwendigkeit, an der bisherigen Zusammenarbeit mit Wall etwas zu ändern. Die rechtliche Argumentation der Senatorin sei „völlig neu“ und überraschend, erklärte Fraktionssprecher Thorsten Elsholtz. Diese müsse genau geprüft werden. Ob das Land Berlin befähigt sei, eine bessere Versorgung mit öffentlichen Toiletten zu gewährleisten als bisher, bezweifelt die AfD indes.

Die FDP hält das Konzept der Koalition für übereilt. „Der Senat will einen neuen Betreiber bis nächstes Jahr finden und die Vergabe übers Knie brechen“, sagte der Abgeordnete Henner Schmidt. Es brauche für eine Vergabe aber ein durchdachtes Konzept, was zurzeit nicht vorhanden sei. Diese Situation gebe dem Wettbewerb keine Chance. Schmidt forderte ein zweijähriges Moratorium.

Verwaltungssprecher Tang führt ein weiteres Argument gegen den bisherigen Vertrag ins Feld. Er sei nicht transparent, Berlin kenne weder die Einnahmen aus der Werbung noch die tatsächlichen Kosten für den Toilettenbetrieb. Wall legt die Zahlen unter Berufung auf die Rechtslage bei börsennotierten Unternehmen nicht vor. Das Land Berlin könne nicht beurteilen, ob der Vertrag tatsächlich wirtschaftlich ist, so Tang. Das hatte auch der Rechnungshof moniert. CDU-Politiker Gräff kann dieses Argument nachvollziehen. Dafür die Zusammenarbeit aufzukündigen bedeute aber, „das Kind mit dem Bade auszuschütten“.

Neue Toiletten sollen auch mit Fördergeld gebaut werden

Für einen „wirtschaftspolitischen Skandal“ hält Gräff, dass der Senat für die Toiletten Geld aus dem Förderprogramm des Bundes zur Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur (GRW-Mittel) aufwenden will und sich dabei auf die Förderung der touristischen Infrastruktur beruft. Die GRW-Mittel seien vor allem für die Förderung von Unternehmen gedacht, mahnte Gräff. Wirtschaftsstaatssekretär Henner Bunde (CDU) versicherte indes, das Geld werde nicht an anderer Stelle fehlen. Der Etat sei zwar begrenzt, Berlin erhalte aber nicht ausgeschöpfte Mittel anderer Bundesländer.

Kritik entzündet sich auch an der geplanten Interimslösung. Der Senat will mobile Toiletten ohne Wasseranschluss aufstellen, um die Zeit zwischen Schließung der Wall-Toiletten und Aufstellung der neuen Toiletten zu überbrücken. Kritiker befürchten einen wesentlich schlechteren Service und Geruchsbelästigung.

Mehr zum Thema:

Berlin will mit Toiletten nun selbst Geld verdienen