Prominente SPD-Politiker kritisieren die Linke-Senatorin Katrin Lompscher. Es geht um den Wohnungsneubau in Berlin.
Das war ein schöner Termin für den Regierenden Bürgermeister. Am vergangenen Mittwoch durfte Michael Müller (SPD) symbolisch den Schlüssel für einen neuen Wohnkomplex entgegennehmen. 129 kleine, aber preiswerte Studentenwohnungen auf einen Streich, errichtet in nur neun Monaten vom landeseigenen Immobiliendienstleister Berlinovo.
Die Apartmentanlage wurde als gutes Zeichen gewertet, dass die Landesregierung mit der wachsenden Stadt zurechtkommt. Grundsätzlich ist Müller aber derzeit mit der Umsetzung der Neubauziele seines Senats offenbar nicht zufrieden – und die Abgeordnetenhausfraktion der SPD ist es auch nicht. Als Verantwortliche und damit Schuldige wurde Katrin Lompscher (Linke), Senatorin für Stadtentwicklung und Wohnen, ausgemacht. In bemerkenswerter Deutlichkeit haben führende Sozialdemokraten in den zurückliegenden Tagen Kritik an der Senatorin geübt.
Den Reigen eröffnete der Regierende Bürgermeister selbst. Am vergangenen Montag sagte er beim wirtschaftspolitischen Frühstück der Industrie- und Handelskammer (IHK), er nehme eine „Akzentverschiebung“ wahr. Sehr viel politische Kraft fließe in die Mietenregulierung, „weniger in Bauaktivitäten“. Die SPD bleibe aber dran und ziehe das Thema in den Senat, so Müller.
Dort muss Lompscher nun jede Woche Zahlen und aktuelle Entwicklungen vorlegen. Das empfinden manche Koalitionsabgeordnete weniger als Setzen einer Priorität denn als Strafaktion. Lompscher müsse sich nun vor versammelter Senatsriege rechtfertigen, wenn Dinge nicht so laufen wie sie sollten. Die Latte liegt hoch: 30.000 neue Wohnungen sollen die städtischen Gesellschaften bis zum Ende der Legislaturperiode 2021 bauen.
„Bei jeder Gelegenheit“ die Wichtigkeit anmahnen
Am Mittwoch ging es dann weiter. Im Stadtentwicklungsausschuss des Abgeordnetenhauses erklärte die einflussreiche SPD-Abgeordnete Iris Spranger, Neubau und soziale Mietenpolitik seien gleichermaßen wichtig und müssten parallel betrieben werden. Diese Parallelität, die auch in der rot-schwarzen Koalition der vergangenen Legislaturperiode verfolgt worden sei, mahne die SPD „bei jeder Gelegenheit“ an, sagte Spranger der Berliner Morgenpost nach der Sitzung. Planung und Genehmigung von Neubauten müssten künftig deutlich schneller gehen. Preiswerte Neubauwohnungen hätten auch positive Auswirkungen auf den Mietspiegel.
Und schließlich legte SPD-Fraktionschef Raed Saleh am Mittwochabend beim Sommerfest der SPD-Fraktion nach. Auch er sei nicht zufrieden mit dem Wohnungsneubau in Berlin und finde es gut, dass der Regierende Bürgermeister das Thema angesprochen habe. Andere Abgeordnete der Sozialdemokraten bekundeten überaus ernst, man sei „in großer Sorge“.
Die Verantwortlichen bei Linken und auch Grünen wollen das Bashing der Bausenatorin durch SPD-Politiker indes „nicht so hoch hängen“. Das sei „alles kein Drama“ heißt es, von Koalitionskrise redet niemand, auch von einer Sondersitzung des Koalitionsausschusses sei man weit entfernt. Allerdings befand Bürgermeister und Kultursenator Klaus Lederer (Linke) am Sonnabend am Rande des Linken-Parteitags, die öffentlich geäußerte Kritik an Lompscher sei unnötig und falsch. Die Landesregierung müsse zeigen, dass sie liefern kann. Lederer warnte aber seine Genossen, es mit ähnlicher Münze heimzuzahlen. Öffentlich inszenierte Konflikte seien „Mist“, die Linke solle ihre Aufgaben bearbeiten und nicht über die anderen reden.
Nur eine Retourkutsche für Attacke gegen Müller?
Von den Grünen sind durchaus ebenfalls kritische Töne zu hören, wenngleich bislang nicht öffentlich. Lompscher betone Sozialmieter zu stark und habe nicht genügend im Blick, sozial gemischte Quartiere zu erhalten, heißt es. In der Grünen-Fraktion ist man sich aber einig: Die SPD-Kritik sei ungerecht und Lompscher erst seit einem halben Jahr im Amt.
Dort gelte es, viele dicke Bretter zu bohren. Überhaupt unterstellen viele in der Koalition der SPD eine Retourkutsche. Linke hatten in den vergangenen Wochen öffentlich Kritik an SPD-Senatsmitgliedern geübt. Am Regierenden Bürgermeister selbst, weil es nach wie vor keinen Personalstaatssekretär gibt, später an Finanzsenator Matthias Kollatz-Ahnen und Innensenator Andreas Geisel in Sachen Beamtenbesoldung. Nun, so heißt es, zeige die SPD den Linken, dass sie deren Senatsverwaltungen ja auch mal einer genauen Beobachtung unterziehen könnten.
Lompscher selbst sagte beim Linken-Parteitag, die Neubauziele für 2017 und 2018 seien nicht gefährdet. Dann aber kämen die komplizierteren Fälle. Die Debatte wird wohl weitergehen.
Was läuft schief in Berlins Ämtern, Herr Saleh?