Berlins Grüne und Sachsens CDU können sich Leipzig als Alternative zum BER vorstellen. Doch andere Ausweichflughäfen wären naheliegend.

Die Urlaubsreise beginnt nicht in Tegel oder Schönefeld, sondern am Hauptbahnhof. Im ICE startet bereits die Abfertigung: Check-in, Gepäckabgabe. Nach einer Stunde Fahrt hält der Zug am Flughafen Leipzig/Halle, kurz darauf sitzen die Passagiere in der Maschine und heben ab.

So oder so ähnlich stellen sich die Berliner Grünen den Flugreiseverkehr der Zukunft vor. Unter dem Arbeitstitel „Flughafenkonzept Region Ost“ diskutiert die Partei schon länger, was Berlin anstellen könnte, sollten die Kapazitäten des noch auf Eröffnung wartenden Hauptstadtflughafen BER nicht ausreichen. Denn dafür spricht zurzeit einiges. „Eine Lösung könnte sein, mit den Flughäfen in der Umgebung zu kooperieren“, sagt der Abgeordnete Andreas Otto. Neben Leipzig kämen dabei auch Dresden, Hamburg oder Rostock infrage, womöglich sogar Hannover.

Das Konzept „Flughafen für Mitteldeutschland und Berlin“

Wichtig sei, dass es schnelle Zugverbindungen zwischen Berlin und den Partnerflughäfen gebe. Besonders attraktiv erscheint den Grünen eine Kooperation mit Leipzig, das rund 150 Kilometer von der Stadtgrenze entfernt gerne mal als Vorort Berlins bezeichnet wird. Und theoretisch sogar eine ICE-Direktverbindung zum Flughafen vorzuzeigen hätte, sobald sie die Deutsche Bahn wieder in ihren Fahrplan aufnehmen würde.

Vor dem Hintergrund des BER-Debakels gab es immer wieder Debatten, Leipzig als Ausweichflughafen zu nutzen. Prominentester Befürworter war Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU). Sachsen war begeistert, dort kursiert die Strategie, Leipzig zu einem „Flughafen für Mitteldeutschland und Berlin“ zu entwickeln, schon seit 15 Jahren. Doch Berlin blockte. „Wer von und nach Berlin fliegen will, fliegt von und nach Berlin“, sagte der damalige BER-Chef Hartmut Mehdorn.

Wer nach Berlin fliegen will, der fliegt auch nach Berlin

Auch Senatskanzlei und Flughafengesellschaft sehen nach heutigem Stand keinen Bedarf. Der BER soll Single-Airport bleiben und je nach Passagieraufkommen ausgebaut werden. „Nach Inbetriebnahme des BER mit dem temporären Weiterbetrieb des Flughafens Berlin-Schönefeld sowie dem Neubau des Terminals T1-E sind ausreichend Kapazitäten für das geplante Wachstum vorhanden“, sagt BER-Geschäftsführer Engelbert Lütke Daldrup.

Bei den Grünen sind sie jedoch überzeugt, dass „wir irgendwann über eine Kooperation mit Leipzig reden werden“, wie Fraktionschefin Antje Kapek sagt. Gerade, wenn Berlin-Brandenburg sich in den nächsten Jahrzehnten zur Metropolregion entwickele und Leipzig geografisch immer mehr annähere, könne dies sinnvoll sein. „Noch ist das aber Zukunftsmusik“, so Kapek, höchstens in 30 Jahren könne es soweit sein. Zunächst müsse der Fokus auf dem BER liegen.

Wie genau eine Kooperation mit Berlin und anderen Flughäfen funktionieren könnte, ist noch vollkommen unklar. Buchen die Kunden mit dem Flug automatisch eine Zug- oder Busfahrt dazu? Setzt man auf Gabelflüge mit Hinflug in die eine und Rückflug in die andere Stadt? Und wie viel Einfluss kann die Politik überhaupt nehmen? Als sicher gilt, dass am Ende der Markt den Luftverkehr regulieren muss.

Den Airlines vorzuschreiben, an welchen Airports sie Flüge anbieten, ist rechtlich auch gar nicht möglich. Der Luftfahrtexperte Cord Schellenberg glaubt, dass etwa ein „Flughafen Berlin–Leipzig“ für Berliner nur bedingt attraktiv wäre. „Die Leute sind nicht dirigierbar, der Aufwand muss sich lohnen, das Ticket ein echtes Schnäppchen sein“, sagt der Hamburger. Für Geschäftsreisende sei das Konzept gar nicht tauglich, allemal für Urlauber, die ihren Trip lange im Voraus planen. Generell ziehe es Reisende aber in die Metropolen, so Schellenberg.

Finow könnte BER von kleinen Maschinen entlasten

Der Flughafenexperte Dieter Faulenbach da Costa hält überhaupt nichts davon, mit Leipzig oder Hamburg zu kooperieren. „Damit löst man die Probleme nicht, da macht ja keiner mit“, sagt der ehemalige BER-Planer. Sinnvoller sei, die Kleinflughäfen in der Brandenburger Umgebung auszubauen, wenn man Tegel schon nicht offen halten könne. Die nötigen Genehmigungs- und Ausbaumaßnahmen etwa für den Flugplatz Neuhardenberg im Osten Brandenburgs seien in vier bis fünf Jahren realisierbar, so Faulenbach da Costa.

Einer anderer solcher Flughafen könnte der Flugplatz Finow bei Eberswalde sein, eine Stunde mit Regionalzug oder Auto vom Berliner Zentrum entfernt. Im Zuge der BER-Planung war auch Finow als Entlastungsflughafen im Gespräch, woraus aber nichts wurde, da es nur einen Großflughafen für die Region geben sollte. In Finow sind aktuell nur Maschinen mit einem Gewicht bis zu 14 Tonnen erlaubt. „Für den BER könnte es schon eine Entlastung sein, wenn diese Maschinen bei uns landen können“, sagt Geschäftsführer Martin Knoll. Bislang hat er aus Berlin aber nichts gehört.