Potsdam. Frank-Walter Steinmeier besucht auf seiner Reise durch Deutschland zwei Tage lang Brandenburg
So kurz sind die Wege für Frank-Walter Steinmeier selten. Als der Bundespräsident am Donnerstag seinen Antrittsbesuch in Brandenburg machte, hatte er knapp 30 Kilometer von seinem Dienstsitz, dem Schloss Bellevue, bis in die Brandenburger Landeshauptstadt zurückzulegen. Es ist die kürzeste Anreise für den Bundespräsidenten in eines der 15 Bundesländer außerhalb Berlins. Ein Antrittsausflug quasi.
Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) begrüßte Steinmeier am Aussichtsturm Belvedere auf dem Klausberg in der Nähe des Schlosses Sanssouci in Potsdam. „Ich freue mich auf die zwei Tage“, sagte Woidke. „Es ist ein schönes Zeichen, dass Brandenburg das erste der neuen Bundesländer ist, das der Bundespräsident besucht.“ Mit seiner Art und seinem Engagement werde er ein Präsident für die Menschen sein, sagte Woidke über seinen Parteifreund.
Für Steinmeier war der Auftakt am Donnerstag eine Rückkehr in doppelter Hinsicht. Bis zu seiner Wahl zum Bundespräsidenten saß er acht Jahre lang als Brandenburger Abgeordneter im Deutschen Bundestag. Und auch den Aussichtsturm Belvedere kennt er aus früheren Tagen. Der damalige Ministerpräsident Manfred Stolpe (SPD) habe ihm das ehemals baufällige Baudenkmal als Gästehaus für die Bundesregierung angeboten, sagte er auf dem Balkon, mit Blick auf die Orangerie, die alten Gartenanlagen rund um das Schloss und die Universität Potsdam mit der markanten Kuppel am Neuen Palais.
Im Mittelpunkt seines zweitägigen Besuches steht der Kontakt mit den Brandenburgern. „Das Gespräch mit der Jugend steht im Vordergrund“, sagte Steinmeier, der neben Potsdam am Freitag auch noch die Lausitz besuchen wird.
Dazu stattete er am Donnerstag auch der Stiftung Gedenkstätte Lindenstraße eine Visite ab. Die Gedenkstätte erinnert an die politische Verfolgung in beiden deutschen Diktaturen und erinnert an „Menschen, die in unterschiedlichen Epochen unter dem jeweiligen politischen Regime gelitten haben“, sagte Steinmeier. Mit den dort engagierten Aktivisten wolle er darüber reden, wie man den Jüngeren ohne eigene Erinnerung an die beiden Diktaturen demokratische Grundwerte vermitteln könne.
Im einstigen Gerichts- und Gefängniskomplex in der Lindenstraße 54 mitten in der Innenstadt sind Menschen während der NS-Diktatur, der sowjetischen Besatzungszeit und der SED-Herrschaft aus politischen Gründen inhaftiert und verurteilt wurden. Eine Dauer- und viele Sonderausstellungen erinnern an deren Schicksal.
Am Donnerstagnachmittag hielt Steinmeier die Festrede für die Absolventen der Universität Potsdam am Neuen Palais. „Endlich am Ende der Mühen – und zugleich am Anfang von etwas ganz Neuem“, sagte Steinmeier und wünschte den Absolventen mit den Worten Wilhelm von Humboldts, der genau am 22. Juni vor 250 Jahren in Potsdam geboren wurde, „Fortune“. Gleichzeitig rief er die Studenten dazu auf, sich durch Enttäuschungen nicht von ihrem Weg abbringen zu lassen.
Er selbst habe sich nach dem Studium beim hessischen Umweltministerium beworben und sei krachend abgelehnt worden. „Wenn das damals geklappt hätte, stünde ich heute wohl nicht hier, sondern wäre Referatsleiter für Abfallwirtschaft.“ Auch seine Niederlage als Spitzenkandidat der SPD im Bundestagswahlkampf von 2009 habe nicht das Ende seiner politischen Laufbahn bedeutet. Wichtig sei es, sich Neues zuzutrauen, „etwas Schwieriges wagen, vielleicht sogar ein Risiko eingehen“, sagte Steinmeier.
Auch vor den Studenten warb der Bundespräsident für das Eintreten für demokratische Werte. „Der Alltag in der Demokratie mag vielen hier in Deutschland selbstverständlich erscheinen, bequem ist er bei genauem Hinsehen nirgendwo.“ Demokratie lebe von denen, die mehr täten, als sie müssten, die Veränderung nicht erhofften, sondern anstießen. „Wir werden deutlich mehr Menschen brauchen, die für das Miteinander der Verschiedenen einen Modus finden“, sagte Steinmeier. „Wir werden deutlich mehr Menschen brauchen, die in großen Zusammenhängen denken, forschen und sich vernetzen, damit wir globale Aufgaben wie den Klimawandel, den Umgang mit knappen Ressourcen und die weltweite Migration so bewältigen, dass es nicht zur Eskalation kommt.“
Im Spreewald gibt es die obligatorische Kahnfahrt
In der Brandenburger Staatskanzlei verlieh Steinmeier am Abend den „Steh-auf-Preis für Toleranz und Zivilcourage“ der Flick-Stiftung gegen Fremdenfeindlichkeit, Rassismus und Intoleranz, der alle zwei Jahre verliehen wird. Am Freitag setzt Steinmeier zusammen mit seiner Ehefrau Elke Büdenbender seinen Brandenburgbesuch fort. Zunächst besucht er Schüler in einem Forster Gymnasium, später die Lausitz-Klinik Forst und Auszubildende in Cottbus.
Am Nachmittag absolviert er die im Spreewald obligatorische Kahnfahrt und verkostet Spreewaldgurken auf der Gurkenmeile, bevor er zu einem Bürgerempfang für langjährige Ehrenamtliche in die Orangerie Lübbenaus einlädt.