Stadtschloss

Was für ein Kreuz auf der Kuppel spricht - und was dagegen

| Lesedauer: 12 Minuten
Die Baustelle des Humboldt Forums

Die Baustelle des Humboldt Forums

Foto: AP

Pro und Contra: Im Streit um das Stadtschloss melden sich Schlossherr Wilhelm von Boddien und Kultursenator Klaus Lederer zu Wort.

Seit seiner Konzeption wird das Humboldt Forum im wieder aufgebauten Berliner Stadtschloss hitzig diskutiert. Die neueste Auseinandersetzung dreht sich um das vergoldete Kreuz auf der historisch rekonstruierten Kuppel. Ausgelöst wurde sie von der Berliner Stiftung Zukunft, die erklärt hatte, das geplante Symbol gefährde den Dialog der Kulturen und Religionen. Der Bau sei als „Haus für alle“ vorgesehen. Ein Kreuz als christliches Symbol auf der Kuppel signalisiere nicht die grundsätzliche Gleichwertigkeit der Kulturen. Vertreter von Grünen und Linkspartei wandten sich ebenfalls gegen das durch eine Privatspende finanzierte Kreuz. Zustimmung findet es dagegen etwa von den Gründungsintendanten des Forums sowie aus dem Zentralrat der Muslime.

Pro: Sturm im Wasserglas

von Schlossherr Wilhelm von Boddien

Ausgerechnet das Kreuz Christi, das für Aufopferung, Demut und Vergebung der Sünden steht, ist ins Gerede gekommen. Hedonistische Linke und Grüne, die mit der christlichen Kultur nicht viel am Hut haben, nutzen die Gunst der Stunde dazu, das Kreuz in der Debatte über die Berliner Schlosskuppel zu verteufeln, unter dem Zeichen vorgeblicher Toleranz gegenüber anderen Kulturen. Sie denunzieren damit das Christentum und schwingen sich zu selbsternannten Beschützern der von uns angeblich bedrohten Kulturen auf, alles aus eigener Sicht und Machtvollkommenheit, ohne sich rückzuversichern, ob diese das überhaupt wollen. So erstaunt in diesem Zusammenhang die Ansicht des Vorsitzenden des Zentralrats der Muslime in Deutschland, Aiman Mazyek, der im Kreuz über dem Schloss überhaupt kein Problem sieht. Möglicherweise dient der Protest gegen das Kreuz nur als Vorwand dafür, die Axt an die Wurzeln unserer Kultur zu legen. Befeuert werden sie darin von der Stiftung „Zukunft Berlin“, die erstaunlicherweise von einem Christdemokraten geführt wird. Wovor haben all diese Leute Angst?

Unsere Wurzeln liegen in Athen, Rom und Jerusalems Golgatha (Theodor Heuss). Aus ihnen erklärt sich die Aufklärung, die die geistigen Grundlagen unserer Demokratie schuf. Darauf wiederum basieren das Grundgesetz und damit unser Rechtsstaat. In der Präambel des Grundgesetzes heißt es: „Im Bewusstsein seiner Verantwortung vor Gott und den Menschen … hat das Deutsche Volk … dieses Grundgesetz … beschlossen.“ Mit ihren Thesen stellen die Kreuzgegner damit auch die Basis unseres Rechtsstaats infrage.

Die DDR sprengte aus ideologischen Gründen das Schloss mit dem Kreuz auf der Kuppel, obwohl es weniger zerstört war als das Schloss Charlottenburg. Die SED wollte die Geschichte Preußens eliminieren. Sie stand für einen atheistischen Staat, der die Freiheit des Glaubens behinderte, wo immer er konnte. Ihren Nachfahren fehlt damit die Legitimation für diesen Protest, zu durchsichtig ist ihre Argumentation.

Richard Schröder stellte dazu kürzlich in einem Essay heraus: „Der preußische König hat die Kuppel mit Kapelle und Kreuz errichten lassen, weil die bisherige Schlosskapelle durch Umbauten weggefallen war. Da aber die Kuppel von außen als Kuppel über einem Eingang erscheint und nicht als Kirchenraum, ist dieses Kreuz sicher nicht als Kirchturmkreuz gemeint gewesen. Der preußische König hat mit dem Kreuz auf dem Königsschloss mindestens auch sein Gottesgnadentum gemeint. Der Romantiker auf dem Thron hat die von der Frankfurter Nationalversammlung angebotene deutsche Kaiserkrone abgelehnt, weil sie vom Parlament und nicht gut mittelalterlich von den (Kur-)Fürsten kam. Das Gottesgnadentum, auf das er sich als preußischer König berief, war gegen die Volkssouveränität gerichtet und damit gegen die Demokratie. So war es und so war er und daran können wir auch durch Bilderstürmerei nichts ändern ... Bei der Wiedererrichtung des Schlosses dürfen wir uns nicht als Zensoren der Geschichte aufführen. Sonst landen wir bei Orwells Wahrheitsministerium, das die Geschichte nach aktuellen ideologischen Bedürfnissen fortwährend neu schreibt. So etwas hat es unter Stalin ja tatsächlich gegeben. Es ist in Ordnung, dass wir Symbole korrekt verbotener Organisationen im öffentlichen Raum nicht dulden. Es ist nicht in Ordnung, wenn das Kreuz so ähnlich behandelt wird. Es ist kein vergiftetes Symbol, auch wenn es oft – wie alles in der Welt – missbraucht worden ist.“

Dem folgend wird von den Gegnern des Kreuzes auf der Schlosskuppel Ursache und Wirkung verwechselt. Das christliche Kreuz steht für Vergebung und ermahnt zur Nächstenliebe. Christus hat für uns Menschen sein Leben am Kreuz gegeben. Wir Menschen hingegen haben seine Lehre in Hybris, Selbstüberschätzung und zur Ausübung unserer Macht über andere immer wieder mit schrecklichen Folgen missbraucht. In Bezug auf die angeblich schutzbedürftigen außereuropäischen Kulturen und Religionen im Humboldt Forum muss man jedoch auch feststellen: Im Namen der Religion, aber auch des Atheismus haben Menschen in allen Kulturen der Welt schon immer schwerste Verbrechen gegen die Menschheit begangen. Man denke nur an Hitler, Stalin, Pol Pot,­ al-Qaida oder den „Islamischen Staat“, um nur die bekanntesten zu nennen. Auch um diese Ausein­andersetzung einzudämmen, wird das Humboldt Forum gebaut.

Das Kreuz findet sich bei uns überall im täglichen Leben. Eine der wichtigsten Hilfsorganisationen weltweit steht unter dem Kreuz Christi: das Rote Kreuz. Unter dem Symbol des Islam arbeitet der Rote Halbmond. Mit welchem Beliebigkeitssymbol würden die Kreuzgegner denn nun konsequenterweise auch diese religiösen Symbole ersetzen wollen?

Nicht glaubhaft ist auch die Stellungnahme der Stiftung „Zukunft Berlin“. Ohne Legitimation, außer der selbst gemachten, geht sie mit ihrem Protest gegen das Kreuz einfach zu weit: Wer die Zukunft wirklich erreichen will, muss verwurzelt sein, denn nur aus seinen Wurzeln heraus weiß der Baum, wohin er wachsen kann. Einer der wichtigsten Grundsätze der Kindererziehung liegt in dem Satz: „Gib ihnen Wurzeln, dann wachsen ihnen Flügel“. Mit ihrem anspruchsvollen Namen hat die Stiftung auf dem falschen Bein „Hurra“ gerufen. Manchmal ist besser, inne zu halten und nachdenklich zu schweigen.

Contra: Kafkas Humboldt Forum

von Kultursenator Klaus Lederer

Schloss, ich höre immer „Schloss“ – und damit gehen das Missverständnis und das offensichtliche Missverstehen-wollen auch schon los. Das, was dort in der Mitte Berlins gebaut wird, ist das Humboldt Forum. Schön wäre es, wenn wir uns als erstes angewöhnten, das Humboldt Forum auch Humboldt Forum zu nennen, dann lichtet sich der Dschungel an Argumenten in der Kreuz-Debatte schon ein wenig. Der Berlin-Bewohnende wird in seiner Art eh rasch einen eigenen Namen dafür finden – HuF wäre zum Beispiel schön.

„Komm, wir jeh’n ins HuF“, so könnte es klingen. HuF ohne Kreuz auf dem Dach, weil es dort nichts zu suchen hat. Weil es eben kein Schloss ist – nicht Außen, wie einige Kreuz-Ritter behaupten. Und nicht Innen – wie beinahe alle bereit sind zuzugeben. Nähert man sich dem Gebäude in Fertigstellung von der Ostseite, gibt es nicht einmal eine auch nur im Entferntesten historisch anmutende Fassade.

Und selbst eine originalgetreue Schloss-Attrappe müsste ohne Kreuz auskommen, da dieses (plus Kapelle und goldener Kuppellaterne) erst 1844 geplant und sogar erst 1854 aufgepflanzt wurde (plus Kapelle und Kuppellaterne ohne Gold). Dazwischen – ach ja – lag 1848, die niederkartätschte Revolution. Das Kreuz dann als Machtdemonstration des Gottesgnadentums, als Symbol ihrer Niederlage. Bitte, in welche Tradition wollen wir uns begeben?

Und innen gibt es im HuF nichts, was an Preußens Glanz erinnert, außer dem, was musealer Weise hineingehört. Keine Gemächer von Anno Knips … Stattdessen ist der Sinn des Humboldt Forums, Lern-und Erfahrungsort für die kulturellen Traditionen der Menschheit zu sein. Klaus-Dieter Lehmann, Urheber des Konzepts des Humboldt Forums, drückt es 2007 in einem Interview so aus: „Die Gleichwertigkeit der Kulturen wird in der Mitte Berlins zum Programm. Die Museumsinsel als humanistische Bildungslandschaft verknüpft mit dem Namen Wilhelm von Humboldt verbindet sich zum Weltort für Kunst und Kultur durch das von Denken und Wirken von Alexander von Humboldt initiierte Vermitteln der außereuropäischen Kulturen.“ Perfekt getroffen und absolut richtig. Auf ein solches Gebäude nun ein Kreuz zu setzen wäre völlig anachronistisch.

Das Humboldt Forum beherbergt keinerlei sakrale Räumlichkeiten. Es ist ein mit öffentlichen Mitteln zu öffentlichen Zwecken erbauter staatlicher wie stattlicher Bau. Auf welchem Profanbau, der heutzutage neu errichtet wurde, steht ein Kreuz? Der Hinweis auf die private Kreuz-Spende würde nur meinen Widerspruch provozieren, ob jetzt private Großspender über die Erkennbarkeit und die Silhouette unserer Stadt bestimmen dürfen und sollten.

Das ist der Rahmen des Faktischen, an dem sich nun der Streit entzündet, der zunehmend ideologisch aufgeladen wird. Neuköllns Ex-Bürgermeister Buschkowsky sagt: „Menschenbild und Kreuz sind untrennbar“. Wer sich so äußert angesichts heutiger gesellschaftlicher Dialoge über Offenheit, Akzeptanz, Einwanderung und Vielfalt, der offenbart ein Menschenbild, das mächtig eindimensional ist. Und geschichtslos.

Auch die von mir sehr geschätzte Kollegin Monika Grütters spricht sich für das Kreuz aus – und vom „Wir“ und „unseren Wurzeln“. Wen schließt dieses „Wir“ ein? Aber mehr noch: Wen schließt es aus? Das Kreuz ist nun mal ein Kreuz, ist ein Kreuz … ist ein eindeutiges religiöses Zeichen. Der Interpretationsspielraum ist gering, die Inhalte sind klar definiert und nicht verhandelbar. Unsere Wurzeln hingegen sind mehrdeutig, vielfältig, verschlungener, als ein Kreuz es je zeigen könnte.

Mein „Wir“ und mein „Menschenbild“ umfasst alle Menschen, alle Herkünfte, alle Kulturen, alle Glaubens- und Nicht-Glaubensrichtungen, alle Lebensweisen … Eigentlich müsste ich mir nicht einmal die Mühe machen, alle Schubladen des Menschseins aufzuziehen, die ganze Palette an Farben- und Seins-Pracht zu bemühen, die uns ausmacht. Alle Menschen meint alle Menschen und nicht das eine Drittel der Weltbevölkerung, dem das Kreuz etwas sagt, nicht die 1,6 Milliarden unterm Halbmond. Das ist der Pfad von Humanismus und Aufklärung – die Gleichwertigkeit aller Menschen und Kulturen. So sahen es auch die Namenspaten des Humboldt Forums.

Ersparen wir uns doch diese Diskussion. Geben wir, ganz biblisch nach Matthäus 22, 21, „dem Kaiser, was des Kaisers ist, und Gott, was Gottes ist!“ Ergo: Religiöse Symbole explizit auf religiösen Gebäuden. Nebenbei ist es da ein erfreuliches interreligiöses Moment, wenn sich der Vorsitzende des Zentralrates der Muslime, Ayman Mazyek, für das Kreuz ausspricht: Er störe sich nicht daran und den „geschichtlichen Zusammenhang mit christlicher Symbolik“ bräuchte man „nicht verschleiern“. Aber es geht nicht um das Sich-gestört-Fühlen oder eben doch. Und niemand, der das Kreuz ablehnt, spielt sich als „Zensor der Geschichte“ auf, wie ein anderer Vorwurf lautet.

Es geht um etwas anderes. Nennen wir es Reife. Emanzipieren wir uns von einer auferlegten Verengung der Sicht auf unsere Herkunft, unsere Wurzeln, unsere Kultur. Seien wir verständig genug, nicht auf vermeintlich Eigenem und Eigenheiten zu beharren. „Jehn wir ins HuF“, um über die Facetten unseres kulturellen Reichtums zu staunen, der Vielfalt unter Gottes Sonne – aber nicht unter Gottes Kreuz.

Seien wir selbstbewusst, souverän und mutig. Verzichten wir auf das Kreuz.

Mehr zum Thema:

( BM )