Viele Berliner beschweren sich online beim Ordnungsamt. Die Behörde ist dem Ansturm aber kaum gewachsen.

Ein ausgedienter Kühlschrank an der Meinekestraße in Charlottenburg, volle Müllsäcke auf dem Grünstreifen an der Potsdamer Chaussee in Spandau, tütenweise Baufälle an der Straße Alt-Britz in Neukölln – nur drei von einigen Hundert Beschwerden, die Berliner in den jüngsten Tagen bei den Berliner Ordnungsämtern eingereicht haben. Schmutzecken sind einer der größten Aufreger in der Stadt, und wilde Abfallentsorgung macht auch die Hälfte aller Beschwerden aus, die über die Internetseite ordnungsamt.berlin.de und die mobile Smartphone-Anwendung „Bürgeramt Online“ bei den Behörden eingehen.

Beinahe 67.000 Meldungen erhielten die zwölf Berliner Ordnungsämter im vergangenen Jahr auf virtuellem Weg. Das ergibt sich aus der Antwort des Senats auf eine parlamentarische Anfrage des Abgeordneten Stefan Ziller (Grüne).

Nach Angaben der Bezirke liefen damit bereits im Jahresdurchschnitt mehr als die Hälfte aller bei den Ordnungsämtern registrierten Anzeigen und Beschwerden über Internet und Handys ein. Briefe, Faxe und persönliche Beschwerden machen nur noch rund 40 Prozent der Vorgänge bei den Ordnungsbehörden aus.

Über die im Sommer vergangenen Jahres freigeschaltete App können Bürger nicht nur Verstöße und Ärgernisse im öffentlichen Raum an die Ordnungsbehörden melden, sondern auch sofort Fotos hochladen. Das Land Berlin suche „Sheriffs“, meldete seinerzeit „Spiegel Online“. Die Aufgabe bestehe darin, „mit einem Smartphone auf Streife zu ziehen“. Weil eine Anzeige mit dem Griff zum Handy leichter ist, steigt die Zahl der Meldungen weiter. Bis Ende März 2017 wurde die App berlinweit bereits 13.800 Mal genutzt, öfter als die Internetseite. Das Personal in den Ordnungsämtern wurde jedoch nicht aufgestockt.

Innerhalb von drei Tagen sollen die Ämter reagieren

„Wir haben hier einige Stammkunden, die uns von jedem Morgenspaziergang Bilder schicken, wie es in ihrem Kiez so aussieht“, sagte Christiane Heiß (Grüne), Ordnungsstadträtin in Tempelhof-Schöneberg, der Berliner Morgenpost. Im Ordnungsamt des Bezirks wurden zwei Mitarbeiter in einem Frontoffice abgestellt, die nur damit beschäftigt sind, alle Beschwerden zu sichten und an die zuständigen Stellen in der eigenen Verwaltung oder den Landesbehörden und -betrieben weiterzuleiten. Mehr als 100 solcher Meldungen am Tag würden im Frontoffice bearbeitet, sagte Stadträtin Heiß. „Ich bewundere die Mitarbeiterinnen für ihre Ruhe und Geduld.“ Der Ton der Beschwerden sei oft rüde und beleidigend.

Dabei lautet das Serviceversprechen der Ordnungsämter an die Bürger, dass die Online-Beschwerden innerhalb von drei Tagen bearbeitet werden. Doch bearbeiten bedeutet nicht erledigen. „Das Serviceversprechen zu Ordnungsamt-Online beinhaltet eine Eingangsbestätigung der Meldung und Weiterleitung des Anliegens an die zuständige Stelle, zum Beispiel die BSR, innerhalb von drei Werktagen“, erläuterte eine Sprecherin des Bezirksamts Neukölln.

Die meisten Onlinebeschwerden gab es in Mitte und Neukölln

Mit mehr als 12.000 Meldungen war Neukölln 2016 nach Mitte der Bezirk, in dem die meisten Online-Beschwerden eingingen. Der Bezirk erklärt das einerseits damit, dass Neukölln offensiv bei den Bürgern für das System geworben habe. Andererseits nutzten dort aber auch Ordnungsamtsmitarbeiter selbst die App, um von ihnen entdeckte Vorgänge zu erfassen.

Das Land zahlte für die Müllentsorgung 2015 3,94 Millionen Euro und 2016 bis Ende November 3,79 Millionen Euro, die von der Stadtreinigung BSR in Rechnung gestellt wurden. Am schlimmsten ist die Situation in den Innenstadtbezirken. In Mitte, das mit 15.300 Online-Beschwerden 2016 unter den zwölf Bezirken die mit Abstand meisten Meldungen bearbeitet hat, meldeten Anwohner im vergangenen Jahr allein 12.775 Mal Abfall auf Straßen und Plätzen.

9400 Mal ging es um Sperrmüll, rund 2500 Mal um Elektroschrott, mehr als 400 Mal waren es Bauabfälle, dazu kamen 52 Autowracks. Moabit, Wedding und Gesundbrunnen waren die am meisten belasteten Stadtteile. Neben illegalen Müllablagerungen sind es vor allem Falschparker und Ruhestörungen, über die sich Anrainer beim Ordnungsamt beschweren. Auch dem Ärger über wild abgestellte Container und Bauschmutz auf Gehwegen wird über den Online-Service Luft gemacht.

Bearbeitung einer Anzeige kann mehrere Wochen dauern

Wie lange es durchschnittlich dauert, bis ein Bürgeranliegen ans Ordnungsamt wirklich erledigt ist, vermochte die Neuköllner Sprecherin nicht zu sagen. Auch andere Bezirke machen keine Angaben darüber, wie lange es dauert, bis eine Online-Meldung tatsächlich abgearbeitet ist.

Die Anliegen seien zu unterschiedlich, um darüber Auskunft zu geben, hieß es vom Ordnungsamt Mitte. „Meldungen zu illegal abgelagertem Müll werden in der Regel innerhalb von ein bis zwei Wochen erledigt. Andere Anliegen können sich über einen längeren Zeitraum hinziehen, insbesondere wenn andere Fachämter betroffen sind“, hieß es von der Pressestelle.

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