Eine Berliner Firma verkauft ab sofort Menschenroboter, die am Kiosk arbeiten. Mit vollautomatischem Lächeln.

„Schau mal her, Jolanda.“ Jolanda schweigt. Zwei ovale Augen starren nach vorne, ohne Zwinkern. Sechs Armgelenke mit Greifzange ragen in die Luft, regungslos. „Sie lebt, sie reagiert nur nicht“, sagt Matthias Krinke. Jolanda surrt zustimmend. Krinke winkt. Hören kann sie ihn ohnehin nicht. Im Hirn von Jolanda fehlt die Sprachfunktion. Krinkes Gesicht spiegelt sich auf dem Bildschirm. Jolandas Metallschädel ruckelt um ein paar Grad nach rechts. Die Greifzange stemmt ein Trinkglas. Ein Auge geht zu. Im Zwinkern friert es wieder ein. Reaktion beendet, Auftrag ausgeführt.

Normaler Arbeitstag: 24 Stunden, ohne Pause

Jolanda ist das eiserne Mädchen für alles. Mit seiner Berliner Firma pi4 hat Krinke einen Menschenroboter entwickelt, der in Zukunft als Kioskmitarbeiter helfen soll. Ein Exemplar hat Krinke schon an ein Berliner Unternehmen verkauft. Der Name des Unternehmens ist noch geheim. Ab Juni soll es die ersten Kunden hinter der Theke bedienen. Der Roboter ist Servicekraft aus Metall. Sie steht 24 Stunden an der Theke. Ohne Pause, auch an Sonntagen. Von der Currywurst löffelt sie bei Bedarf exakt 220 Gramm Standard auf den Pappteller. Beim Ausschank lächelt sie, halbkreisförmig. Auch wenn sie monatelang durcharbeitet. Was sie zum Schlafen bringt ist der Ausschalter.

Die Berliner Firma pi4 vertrieb schon vorher Menschenroboter als Arbeitsgehilfen. Bislang vor allem an Produktionshallen. Dort schrauben sie Computer zusammen, setzen Metallplättchen auf Metallplättchen. In Zukunft sollen sie zum ersten Mal in Kundenkontakt kommen.

Der Roboter ist ein humanoides Prachtexemplar: 1,75 Meter groß, 120 Kilogramm schwer. Zwei Arme, zwei Hände, ein Kopf mit Augen. Er kann Bestellungen entgegennehmen, Würstchen schnippeln, Bierflaschen öffnen, abspülen, frischen Kaffee aufbrühen. Auf Wunsch gibt er auch ein paar Milliliter mehr Milch dazu. Per Touchscreen. „Der Einzelhandel steht unter Druck, das Onlinegeschäft wird immer schneller“, sagt Krinke. Jolanda soll noch schneller sein, „trotzdem menschlich: Man kann zusehen, wie ein Produkt entsteht.“

„Menschlich“ hat eine besondere Bedeutung

Für Krinke hat das Wort „menschlich“ eine besondere Bedeutung. Der Ingenieur lebt mit Robotern in Berlin unter einem Dach. „Einer reinigt mir den Badezimmerboden“, sagt Krinke. „Ein Zen­tralcomputer sagt mir per Nachricht auf mein Smartphone, wenn jemand in der Wohnung ist, der da nicht reingehört.“ Die Wohnung kann man nur mit Code betreten. Berlin solle eine „Robotic City“ werden, sagt er. Ohne komplizierte zwischenmenschliche Probleme.

Schlechte Laune kenne der Apparat nicht, „selbst in Berlin“. Empathie allerdings auch nicht. Der Roboter kommt deshalb als Gesamtpaket, mit verglastem Kiosk – dem „Workerbotkiosk“. „Zur Sicherheit“, sagt Krinke. Der Kunde bestellt seine Pommes über einen Touchscreen neben der Theke. Jolanda hebt eine Portion auf den Pappteller. Per Fließband läuft der Pappteller vor die Glasscheibe.

Eine Küchenhilfe, die wirklich zupacken kann

Kunde und Roboter kommen nicht in Berührung miteinander. Prinzipiell kann Jolanda so ziemlich alles lernen, solange sie keine zehn getrennten Finger braucht. Menschliche Bewegungen sind kompliziert. Eine Flasche Wasser muss Jolanda mit Zangengriff heben, ohne sie kaputt zu machen. „In Jolandas Hand steckt eine Kraft von 40 Newton“, sagt Krinke. „Und sie zieht das durch.“ Damit der Roboter die Flasche im passenden Winkel und mit dem richtigen Schwung über das Trinkglas senkt, sind mehrere Stunden Programmierarbeit notwendig.

„Ein Roboter kann auf unvorhersehbare Vorkommnisse nicht reagieren“, sagt Krinke. Wenn ein Mensch seinen programmierten Bewegungsablauf stört. Einmal erhielt er eine automatische Nachricht auf sein Handy von einem Einbruch in seiner Wohnung. Um drei Uhr nachts. Krinke war auf dem Weg nach Korea. Ein Bekannter sah nach dem Rechten. Eine nachtaktive Spinne war in den Sensor geklettert. „Ohne Schutzzaun oder Glasscheibe ist es noch schwierig, Roboter mit Menschen zusammenarbeiten zu lassen“, sagt Krinke.

Trotzdem hat er für die berufliche Karriere seiner Roboter noch Großes vor. In Zukunft will er menschliche Roboter in der Pflege arbeiten lassen. Erste Tests laufen bereits. Seine Vision: „Roboter könnten ans Bett fahren, um Ta­bletten und Getränke bereitzustellen.“ Ohne zu klagen, wenn nötig 24 Stunden am Tag.