Das Kreuzberger Geschäft ist gerettet. Rot-Rot-Grün will die Vereinbarung nun zum Vorbild für eine bundesweite Regelung machen.

Die Bäckerei „Filou“ an der Reichenberger Straße kann bleiben. Und viel mehr noch: Im Kreuzberger Wahlkreisbüro des grünen Bundestagsabgeordneten Hans-Christian Ströbele wurde zwischen dem Hauseigentümer Charles Skinner sowie den Betreibern Daniel Spülbeck und Nadja Wagner eine Vereinbarung geschlossen, die „Schule machen soll“, wie Ströbele sagt.

Denn vor allem kleine Gewerbetreibende sind nicht nur in Berlin immer wieder bedroht. Ihre Verträge gelten in der Regel befristet, und nach Ablauf müssen beide Seiten zustimmen, das Mietverhältnis zu verlängern. Nicht selten haben aber die Vermieter daran kein Interesse. Denn an einem anderen Pächter mit einem lukrativeren Geschäftsmodell könnten sie schließlich mehr verdienen. Auch wenn solche Fälle vor allem in Kreuzberg immer wieder für Proteste sorgen, ist das Phänomen lange nicht mehr auf den Stadtteil begrenzt.

Berliner Senat plant eine Initiative im Bundesrat

Über eine Bundesratsinitiative will der rot-rot-grüne Berliner Senat deshalb einen besseren Schutz für kiezwichtige Gewerbebetriebe schaffen – Orte für den alltäglichen Bedarf wie Bäckereien oder Kneipen oder von öffentlichem Interesse wie Kitas. Aktuell befindet sich der Gesetzentwurf zwischen den Koalitionspartnern in der Abstimmung. „Die dürfte aber bald abgeschlossen sein“, sagt Katrin Schmidberger, mietenpolitische Sprecherin der Grünen im Abgeordnetenhaus. Die Vereinbarung im Fall des Cafés „Filou“ sei da richtungsweisend. „Das gibt uns viel Rückenwind.“

Nach wochenlangem Streit existiert hier jetzt ein unterschriebenes Schriftstück, eine Art Vorvertrag, wie Ströbele es nennt. Demnach wird das Mietverhältnis zunächst um drei Jahre verlängert – bei gleichbleibender Miete. Nach Ablauf verlängert sich der Vertrag automatisch jeweils immer um fünf Jahre. Dabei behält sich der Eigentümer vor, die Miete zu erhöhen, allerdings „moderat und angemessen“. Nur die Mieter sollen den Vertrag kündigen können.

Die Idee für diese Vereinbarung stammt aber nicht von den Grünen, sondern vom Eigentümer Charles Skinner. Denn nur so könne Gentrifizierung tatsächlich gestoppt werden, sagt der Londoner, der sich selbst als „Socialist“ bezeichnet. Er habe niemals vorgehabt, die Betreiber des „Filou“ ihrer wirtschaftlichen Grundlage zu berauben. Dass die Fronten über Wochen so verhärtet waren, schreibt nicht nur er einer Mischung aus Missverständnissen, nicht ausgeräumten Gerüchten und letztlich einer Sprachbarriere zu.

So war unter anderem davon die Rede, dass Skinner mit den Räumen das Vierfache an Miete kassieren will. Es gehe ihm aber nicht um die Miete, hält der Brite dagegen. An der verdiene er als kleiner Investor eh kaum. Und auch Ströbele attestiert ihm: „Er will schlichtweg Geld anlegen und nicht seinen Gewinn maximieren.“ Außerdem seien die Demonstrationen vor dem Haus zumindest in Teilen rassistisch, homophob und gewalttätig gewesen, so Skinner weiter. An den Hauswänden stand „Auslander-Bonzen raus“ (Schreibfehler im Original), die Scheiben des benachbarten Restaurants „Vertikal“ wurden eingeworfen, Betreiberin Claire d’Orsay beschimpft und sogar angegriffen.

An der Reichenberger Straße ist wieder Ruhe eingekehrt

Dass Skinner den Vertrag mit dem „Filou“ nicht verlängern wollte, hatte schlichtweg persönliche Gründe. Erst als er nach einem ersten Treffen in Ströbeles Büro, auf dem Beleidigungen ausgetauscht wurden, zum Abschied der Tochter der „Filou“-Betreiber die Hand schüttelte, wurde ihm klar: „Ich mache einen furchtbaren Fehler.“ Noch am selben Abend vereinbarte er mit Ströbele ein neues Treffen.

An der Reichenberger Straße, wo in den vergangenen Wochen Tausende Unterstützer für das „Filou“ lautstark demonstriert hatten, ist derweil wieder Ruhe eingekehrt. „Denn das ist das, wofür Kreuzberg steht“, sagt eine Anwohnerin, die seit fast 20 Jahren Stammgast im „Filou“ ist. „Altes und Neues zusammen – ein Miteinander von Menschen aus aller Herren Länder.“

Das sagt die "Vertikal"-Betreiberin nach dem Angriff

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