Das Land muss einer muslimischen Lehrerin eine Entschädigung zahlen. Die Klägerin durfte nicht mit Kopftuch unterrichten.

Dem Berliner Neutralitätsgesetz droht nach einem Urteil des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg das Aus. Das Gericht sprach am Donnerstag der muslimischen Lehramtskandidatin Emine Ö. eine Entschädigung über 8600 Euro (zwei Monatsgehälter) zu, weil die Schulbehörde ihre Anstellung als Grundschullehrerin wegen ihres Kopftuches abgelehnt hatte.

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Die Behörde hatte die Anstellung unter Verweis auf das Neutralitätsgesetz abgelehnt, das Lehrkräften an öffentlichen Schulen ebenso wie Polizisten oder Richtern innerhalb des Dienstes das Tragen sichtbarer religiöser Symbole untersagt. In erster Instanz hatte das Arbeitsgericht daher die Klage von Emine Ö. abgewiesen.

Dem widersprach jetzt das Landesarbeitsgericht in zweiter Instanz und entschied, die Klägerin werde durch ein pauschales Kopftuchverbot diskriminiert. Das Berliner Neutralitätsgesetz sei zwar verfassungskonform, bei seiner Auslegung müsse aber die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts berücksichtigt werden, die ein Kopftuchverbot nur bei einer konkreten Gefährdung des Schulfriedens rechtsfertige, sagte die Vorsitzende Richterin Renate Schaude. Eine solche Gefährdung habe die Schulbehörde im Fall Emine Ö. nicht geltend gemacht, hieß es in der Urteilsbegründung.

„Das ist der Anfang vom Ende des Neutralitätsgesetzes“, sagte bereits kurz nach der Urteilsverkündung Justizsenator Dirk Behrendt (Grüne). Er gehe davon aus, dass das Gesetz in seiner jetzigen Form nicht mehr zu halten sein werde. Grüne und Linkspartei hatten in der Vergangenheit bereits mehrfach auf eine Gesetzesänderung gedrängt. Die SPD dagegen sprach sich bislang für eine Beibehaltung aus.

Bildungssenatorin Sandra Scheeres (SPD) bekräftigte diese Haltung auch nach dem Urteil. „Das Neutralitätsgesetz hat sich für Berlin bewährt, ich sehe derzeit keine Veranlassung, daran etwas zu ändern“, sagte die Senatorin. Ihre Sprecherin Beate Stoffers bekräftigte, der Klägerin sei in der Verhandlung am Donnerstag wie schon in der ersten Instanz ein Arbeitsvertrag angeboten worden, allerdings an einer Berufsschule, wo das Kopftuchverbot nicht gilt. Dies gelte auch für künftige Bewerberinnen. Dabei kann die Bildungsverwaltung Lehrer grundsätzlich dort einsetzen, wo sie benötigt werden, einen Anspruch auf Anstellung an einer bestimmten Schule gibt es in aller Regel nicht.

Für eine Erhaltung des Gesetzes in seiner jetzigen Form sprach sich auch die CDU aus. „Der Schulfrieden erfordert es, dass das Berliner Neutralitätsgesetz uneingeschränkt fortbesteht“, sagte der innenpolitische Sprecher der CDU-Fraktion, Burkard Dregger.

Die Pressemitteilung des Landesarbeitsgerichts im Original

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Ob das Urteil vom Donnerstag der Klägerin und ihren Unterstützern den erhofften Erfolg beschert, bleibt zunächst offen. Unterstützer-Initiativen hatten mehrfach die Hoffnung geäußert, der Fall Emine Ö. würde letztlich beim Bundesverfassungsgericht entschieden und zu einer grundsätzlichen Öffnung der Schulen für Lehrerinnen mit Kopftuch führen. Doch der Weg nach Karlsruhe ist der Klägerin jetzt verwehrt, in Revision kann nur die unterlegene Partei gehen.

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