Strafprozess

Brandanschläge aus Rache an linker Szene

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Michael Mielke
Der mutmaßliche Brandstifter wurde in Lichtenberg festgenommen

Der mutmaßliche Brandstifter wurde in Lichtenberg festgenommen

Foto: imago stock / imago/Christian Mang

Ein 27-Jähriger legt vor einer Moabiter Strafkammer ein Geständnis ab. Er fühlte sich angeblich von Autonomen verfolgt und wollte sich rächen

Marcel G. fühlt sich sichtlich wohl bei diesem Auftritt vor Gericht. Als genieße er es, endlich mal im Mittelpunkt zu stehen. Der 27-Jährige ist angeklagt wegen Brandstiftung. Er hat – das wird er wenig später zugeben – am 5. Juli vergangenen Jahres versucht, mit Grillanzündern drei Autos in Brand zu setzen. Dafür droht ihm eine Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr. Vermutlich mehr. Denn Marcel G. ist einschlägig vorbestraft.

Thema dieses Prozesses ist vor allem das Motiv. Marcel G. hat dafür eine wortreiche Erklärung. Er berichtet, wie er im November 2011 in Hamburg nach zwei Jahren verbüßter Haft aus dem Gefängnis entlassen wurde. Angeblich ohne jegliche Vorbereitung. „Ich hatte nur einen blauen Sack mit meinen Sachen dabei und saß wieder auf der Straße.“ So wie er vorher schon gelebt hatte: ohne Arbeit, obdachlos.

In der linken Szene soll Marcel G. als Verräter gelten

Zu diesem Zeitpunkt, so Marcel G., habe es auch die Freunde in der linksautonomen Szene nicht mehr gegeben. Weil er damit Schluss gemacht habe – er selbst nennt sich „Antifa-Aussteiger“. Aber auch, weil er in der linksautonomen Szene als Verräter galt, sogar als V-Mann, der bei der Polizei mehrere Autonome denunziert habe, um selbst mit einer milderen Strafe davonzukommen. Im Internet sei das behauptet worden, sagt er.

Marcel G. ist darüber empört. Er habe niemals jemanden verraten, sagt er. Und es habe ihn schon gekränkt, dass er plötzlich ein Ausgestoßener gewesen sei, der von den Autonomen beschimpft und angespuckt wurde. So zumindest hat er es in Erinnerung.

Das sei so auch am 5. Juli gewesen. Vor einem Einkaufszentrum in Lichtenberg hätten ihn vier oder fünf schwarz vermummte Männer plötzlich verfolgt und ihm eine leere Flasche hinterhergeworfen. Er habe gerade noch mit seinem Fahrrad fliehen können. Mit einer gehörigen Portion Wut im Bauch.

An diesem Tag habe es auch noch einen Streit mit seiner damaligen Verlobten gegeben, sagt er. Sie lebte in einer Einrichtung für geschütztes Wohnen, er war oft bei ihr. „Wir wollten heiraten und Kinder haben“, sagt er. „Ich habe versucht, mein Leben in den Griff zu bekommen.“

"Du bist gerade wieder dabei, dir das Leben zu versauen"

Es war gegen Mitternacht, als Marcel G. an der Tasdorfer Straße in Lichtenberg Grillanzünder auf die Reifen eines Transporters, eines Opel Astra und eines Škoda legte und anzündete. Den Anzünder hatte er sich unmittelbar davor in einem Discounter gekauft. „Ich wollte die Grillanzünder eigentlich gleich wieder wegnehmen, habe gedacht: Du bist gerade wieder dabei, dir das Leben zu versauen“, behauptet Marcel G. vor Gericht. Aber in diesem Moment seien schon mehrere Polizisten in Zivil gekommen, hätten das Feuer gelöscht und ihn überwältigt.

Als Motiv gibt Marcel G. an, er habe den Linksautonomen schaden wollen. Zu dieser Zeit habe es in der nur wenige Steinwürfe entfernten Rigaer Straße im Stadtteil Friedrichshain immer wieder Auseinandersetzungen zwischen Polizei und Autonomen gegeben. „Ich habe gedacht, vielleicht kann ich das denen auch noch in die Schuhe schieben“, sagt Marcel G.

Geplant sind eine WG und ein straffreies Leben

Das hat er so auch schon unmittelbar nach seiner Festnahme gesagt. Andererseits: Gezündelt hat er schon immer gern; es gibt deswegen ja auch schon Vorstrafen. So sitzt auch nicht zufällig ein psychiatrischer Sachverständiger im Gerichtssaal, der in seinem Gutachten mit hoher Wahrscheinlichkeit auch etwas zu Marcel G.s Affinität zu Bränden sagen wird.

Wie er sich seine Zukunft vorstelle, möchte der Vorsitzende Richter wissen. Marcel G. erzählt, dass er in einer Wohngemeinschaft leben wolle – mit seiner Ex-Freundin, die jetzt von seinem besten Freund schwanger sei. Es gebe auch neue Freunde, Mitläufer bei Bärgida – dem Berliner Ableger der Dresdner Pegida. Letztlich also ein Sprung von ganz links nach ganz rechts, was ja kein weiter Weg sein muss. Erst recht nicht für einen wie Marcel G., dem es offenkundig vor allem darauf ankam, Beachtung und so etwas wie Freunde zu finden. Politisch wolle er sich jetzt aus allem raushalten, sagt er. Und eine Ausbildung wolle er machen und „künftig ein straffreies Leben führen“. „Ich bin erst 27 Jahre alt, habe noch viel vor, kann noch viel erreichen und möchte das auch so.“ Der Prozess wird fortgesetzt.

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