Die Gerüste am Turm sind abgebaut, das Schloss Charlottenburg zeigt sich nach umfangreichen Restaurierungsarbeiten schon wieder in alter Schönheit. Gereinigt und nachvergoldet dreht sich die Schicksalsgöttin Fortuna in 50 Meter Höhe im Wind. Der Aufsatz auf der Kuppel, die sogenannte Laterne, hat ihr Ziergitter nach der Restaurierung und Neuvergoldung in Kiel zurück, und auch die sechs Kronen auf den Kuppelgauben leuchten wieder golden.
Das Schloss Charlottenburg, Berlins größte noch erhaltene Schlossanlage, erhält nach ihrem Wiederaufbau in den 50er-Jahren erstmals eine Komplettsanierung. „1981 gab es die letzte größere Fassadensanierung, seitdem wurde immer nur repariert und saniert, wenn dringender Handlungsbedarf bestand“, sagt Projektleiter Detlef Presberger, der für die Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg das Projektteam – externe Architekten, Ingenieure, Gutachten sowie die internen Fachleute der Stiftung – koordiniert und auch die Ausführung der Arbeiten überwacht.
Die Kronen auf den Gauben wirken von unten im Ehrenhof betrachtet fast zierlich. Doch das täuscht. Eine Krone misst 1,30 mal 1,30 Meter und wiegt stattliche 45 Kilogramm. Die Kronen wurden in Regensburg repariert und vergoldet. Sie erhielten auch wieder die Applikationen, die die Edelsteine am Kronenreif darstellen sollen. Diese mussten bereits vor zehn Jahren von einem Fassadenkletterer demontiert werden, nachdem sich einige in Folge von Korrosion gelöst hatten und heruntergefallen waren. Berliner Restauratoren widmeten sich vor Ort den Puttenköpfen unterhalb der Kronen und den Ziffernblättern der beiden Turmuhren. Und nicht zuletzt wurden auch die Ziergitter auf den Dächern rechts und links vom Turm restauriert und die aufgesetzten Zapfen neu vergoldet.
Presberger und sein Team stehen vor einer Mammutaufgabe. Umfassend instand gesetzt wird die Gebäudehülle, also alle Fassaden und das Dach. Doch auch im Innern wird gebaut, dabei geht es insbesondere darum, die technische Infrastruktur des Hauses, inklusive des Brandschutzes, zu verbessern. Eine weitere Aufgabe ist es, Holzschutzmittel zu entfernen. Beim Wiederaufbau und auch in den Jahren danach wurden zur Bekämpfung von Hausschwamm und Insektenbefall Decken- und Dachbalken sowie angrenzende Bereiche mit chemischen Mitteln behandelt, die sich erst später als gesundheitsschädlich erwiesen. „Um Ausdünstungen künftig auszuschließen, haben wir zunächst die Schadstoffe entfernt und abschließend Decken- und Wandflächen zudem noch beschichtet“, erklärt Presberger.
Ein großes Transparent am Gerüst im Ehrenhof informiert die Museumsbesucher, dass das Schloss Charlottenburg während der Bauarbeiten weiter geöffnet ist. Das ist auch nötig, denn die Baugerüste haben bereits etliche Besucher davon abgehalten, das Denkmal zu besichtigen. Kamen 2015 noch 408.300 Gäste, waren es im vergangenen Jahr nur noch 220.000. Die Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg (SPSG) saniert bereits seit 2013 bei laufendem Museumsbetrieb abschnittsweise die Schlossanlage.
500 Meter lang ist die Anlage, 20.600 Quadratmeter bietet sie
Schon die Größe des Denkmals macht deutlich, wie groß der Aufwand ist: 500 Meter ist das Bauwerk lang, hinzu kommen zwei Seitenflügel, die den Ehrenhof bilden, der östliche Küchenflügel und der Kavalierflügel im Westen. Das Schlossinnere bietet 20.600 Quadratmeter Nettogeschossfläche. Dort sollen auch Haustechnik und Brandschutz modernisiert werden.
Die ersten Bauabschnitte der Sanierung des Neuen Flügels an der Ostseite liegen nun schon mehr als zwei Jahre zurück. „700 der kleinen Isolierglasscheiben mussten wir dort austauschen, schon 1957 wurde beim Wiederaufbau Isolierglas verwandt“, berichtet Presberger. Auch im Alten Schloss gibt es die Isolierverglasung, jedoch mit Isolierglas aus den 80er-Jahren. Im Gegensatz zum Neuen Flügel mussten hier alle Scheiben erneuert werden: 5500 insgesamt. Und alle sind Sonderanfertigungen, die nur noch von einigen wenigen Glasherstellern produziert werden können.
Inzwischen zeigen sich immer mehr Fassadenteile in frischem, leuchtenden hellen Gelb mit abgesetztem Grau um die weißen Holzfenster. Für den Projektleiter dennoch ein zwiespältiges Thema: „Der neue Farbanstrich auf den Fassaden suggeriert, dass das Schloss komplett saniert wurde, was jedoch nur auf die Hülle zutrifft. Im Inneren gibt es immer noch Nachholbedarf, sodass es für Bauhandwerker, Techniker und Restauratoren auch in den nächsten Jahren im Schloss noch viel zu tun gibt.“
Auf der Baustelle sind nahezu alle Berufsgruppen des Handwerks, angefangen vom Gerüstbauer über Stuckateur, Steinmetz, Dachdecker, Zimmerer, Tischler, Heizungsmonteur, Elektriker, IT-Techniker bis hin zu Spezialisten für Restaurierungsleistungen an Gemälden vertreten. Entsprechend gut muss Projektleiter Presberger alles im Blick behalten. Und seine Anforderungen seien hoch, berichten Mitarbeiter. „Man identifiziert sich schließlich mit den Arbeiten und möchte auch, dass alle Beteiligten eine Bindung zum Projekt entwickeln, die dann mit dem gemeinsam erreichten Endergebnis garantiert zu Anerkennung und Stolz über die eigenen Leistung führt“, sagt er.
„Wir liegen im Zeit- und Kostenrahmen“
Mehr als 64 Bauleistungen wurden in den fünf Jahren Bauzeit bislang europaweit ausgeschrieben, über 240 Aufträge inklusive der sogenannten Baunebenleistungen für Planungen, Gutachten, Baustellenbewachung, Kunstguttransporte hat Presberger erteilt. Dennoch kann der Projektleiter stolz verkünden: „Wir liegen im Zeit- und Kostenrahmen.“ Rund 16 Millionen Euro wird dieser erste große Abschnitt der Gesamtsanierung von Schloss Charlottenburg kosten. Finanziert über das Energieeinsparprogramm des Bundes mit einem Anteil von 5,2 Millionen Euro und Mitteln des Sonderinvestitionsprogramms, mit dem die Stiftung seit 2008 ihre rund 300 historischen Bauwerke vor weiterem Verfall rettet.
Eine umfassende Bestandsaufnahme ging den Arbeiten im Schloss Charlottenburg voraus. Zusammen mit Wissenschaftlern der Technischen Universität Berlin vom Fachgebiet für historische Bauforschung hat die Architekturabteilung der Stiftung vor dem Projektstart alle Informationen über das Schloss Charlottenburg aus den Archiven zusammengetragen, die darüber zu finden waren. Mehr als zehn prall gefüllte Aktenordner stehen griffbereit im funktional mit Regalen und einem großen Besprechungstisch eingerichteten Büro Presbergers. Es liegt im Theaterbau am Westende der Schlossanlage, aus dem 2009 das Museum für Vor- und Frühgeschichte auszog, das seitdem seinen Sitz im Neuen Museum auf der Museumsinsel in Mitte hat.
Recherche zur Baugeschichte dient als Grundlage der Planung
Die Schriftstücke zur Baugeschichte des Schlosses, sogar Rechnungen früherer Sanierungen, sind in den Ordnern abgeheftet. Jedes Detail kann Presberger dort nachschlagen. „Das war wichtig, damit wir das über 300 Jahre alte Gebäude mit den Um- und Anbauten und besonders die Veränderungen des Bauwerks mit dem Wiederaufbau nach der Zerstörung des Schlosses im Zweiten Weltkrieg verstehen. Ohne diese Grundlagen hätten wir nichts planen und bauen können.“
Die Sanierungsarbeiten im Hauptgebäude des Alten Schlosses sind zwar abgeschlossen. Auf der Gartenseite und im Ehrenhof stehen jedoch noch Fassadengerüste vor den großen Fenstern zu den Festsälen. Witterungsbedingt konnten hier bis Jahresende nicht wie geplant alle Anstricharbeiten fertiggestellt werden. Mindestens plus fünf Grad brauchen die Maler, um den letzten Anstrich aufbringen zu können.
Im Innern des Kernbaus, wo alles fertig ist, kann jetzt der Schutz an den Wänden und Fußböden entfernt werden. Unter der Aufsicht von Restauratoren bauen die Handwerker den Schutz an den Tapisserien und hochwertigen Wandfassungen gerade mit äußerster Vorsicht wieder zurück. Geschützt sind die großen Wandteppiche mit einem Spezialpapier mit der Bezeichnung Tyvek. „Es verhindert, dass der Staub, der bei den Putz- und Schleifarbeiten an der Fassade oder am Fenster entsteht, sich auf die Kunstwerke legt. Die Luft- und Feuchtigkeitsdurchlässigkeit dieses speziellen Produktes garantiert gleichzeitig, dass die abgeklebten Werke hinter dem Schutz keinen Schaden nehmen“, so Presberger.
Königliches Schloss-Ambiente zur Zeit der Hohenzollern
Nach dem Wandschutz werden auch die Einhausungen der großen Vasen und Gemälde, die nicht aus den Räumen transportiert werden konnten, demontiert. Zuletzt werden die Spanplatten entfernt, die die hochwertigen Parkett- und Natursteinböden schützen. Die jetzigen Wintermonate, in denen das Wetter für Fassadenarbeiten im Außenbereich oft problematisch ist, werden für den Umbau im Innern genutzt – die Kunstgüter werden zurückgebracht, die fertiggestellten Bereiche wieder eingerichtet, Freiräume für den nächsten Bauabschnitt genutzt. Jetzt ist der Westflügel im Alten Schloss, der letzte große Abschnitt des Sanierungsprogramms, an der Reihe.
Die wertvollen chinesischen Vasen, die während der Bauzeit im Westflügel deponiert waren, stehen sorgfältig aufgereiht auf einem Tisch. Sie werden jetzt wieder an ihren alten Standort im fertig sanierten achten Bauabschnitt zurückgebracht, um dort das königliche Schloss-Ambiente zur Zeit der Hohenzollern nachempfinden zu lassen.
Dafür müssen die Möbel und Kunststücke des Westflügels jetzt so gesichert werden, dass ihnen während der Bauzeit nichts passiert. Gemälde werden abgehangen, die großen Wandteppiche mit Spezialpapier geschützt. Eine Fassade auf der Gartenseite ist bereits für die Fortsetzung der Arbeiten im Westflügel eingerüstet, im Frühjahr sollen auch die übrigen Gerüste stehen, damit die Sanierung der Fassade und der für den Barock so typischen großen Fenster beginnen kann. Bis dahin müssen die Kunstgüter im Innern geschützt oder wenn möglich fortgeschafft sein.
Zusätzlich zu den umfangreichen Sanierungsmaßnahmen an den Fassaden und Fenstern muss dort die Dachdeckung komplett erneuert werden. Erst danach kann das Dachgeschoss gedämmt und die Brandmeldeanlage auch auf diesen Bereich erweitert werden.
Wiedereröffnung des Alten Schlosses am 1. Oktober
In diesem letzten Abschnitt mit den fünf Räumen an der Gartenseite und den drei weiteren Räumen sowie der opulent mit Barockschmuck ausgestatteten Kapelle zur Straßenseite befindet sich auch das Porzellankabinett. Im Gegensatz zu den Kunstgütern, die im Zwischengeschoss unter dem Dach lagern und ab Februar in Depots nach Potsdam gebracht werden, können diese Kunstwerke nicht transportiert werden. Die hohen Wände des Raumes sind komplett mit kunstvollem Porzellan geschmückt, das zum größten Teil fest mit dem Untergrund verklebt ist und nur mit extrem hohem Aufwand ohne Beschädigung entfernt werden könnte. „Wir haben deshalb entschieden, alle nicht beweglichen Teile an den Wänden zu lassen, die besonders gefährdeten Bereiche links und rechts neben den Fensteröffnungen mit einer Vorsatzschale zu schützen und die Arbeiten in diesem Raum nur unter ständiger Aufsicht des Wachpersonals ausführen zulassen“, berichtet der Projektleiter.
Am 1. Oktober soll das Alte Schloss wieder für den Museumsbesucher geöffnet werden. Mit der Wiedereröffnung wird zugleich das Projektende gefeiert. Für Projektleiter Presberger ein enger Zeitplan. Doch seine nächste Aufgabe wartet schon: Die Komplettsanierung des Schlosses Charlottenburg wird fortgesetzt. Die jetzigen Arbeiten sind nur der erste große Schritt der Gesamtsanierung. So warten Fassaden und Dach der Großen Orangerie und des Theaterbaus auch noch auf ihre Überarbeitung.
Saniert wird mit einem Masterplan
Das Abkommen über Sonderinvestitionen aus dem Jahr 2009 sieht vor, dass die Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg (SPSG) bis 2017 insgesamt 155,03 Millionen Euro in die Wiederherstellung nationaler Kulturgüter zusätzlich investieren kann.
Damit retten der Bund sowie die Länder Berlin und Brandenburg bedeutende Denkmäler der Berliner und Potsdamer Schlösserlandschaft vor dem Verfall. Der Bund trägt 77,5 Millionen Euro (50 Prozent), das Land Brandenburg 53 Millionen Euro (33,3 Prozent) und das Land Berlin 24,53 Millionen (16,7 Prozent). Die Sonderinvestitionen kommen allen großen Häusern der Stiftung zugute.
Beispiele der Sanierung
Bereits fertiggestellt wurden die Fassaden und Dächer des Schlosses Babelsberg. Auch die Terrassen- und Treppenanlagen einschließlich der Brunnen sind fertig saniert. Dort steht aber jetzt eine umfangreiche Restaurierung im Innern bevor, sodass das Schloss nur zeitweise zugänglich ist. Als nächstes wird es anlässlich der geplanten Pückler-Ausstellung für die Besucher geöffnet (29. April bis 15. Oktober, alle Infos: www.spsg.de/aktuelles/ausstellung/pueckler-babelsberg).
Die Sanierungsarbeiten des Schlosses Cecilienhof in Potsdam werden voraussichtlich noch bis Mitte 2018 dauern, die Museumsräume sind für Besucher geöffnet, auch wenn zeitweilige Teilschließungen nicht vermeidbar sind. Das Hotel musste zur Vorbereitung der Bauarbeiten allerdings bereits Anfang 2014 freigezogen werden.
Im Juni 2017 sollen nach zwei Jahren Bauzeit nach Auskunft der SPSG auch die Arbeiten in den Außenanlagen des Marmorpalais (Foto unten) beendet werden. Bei diesem zunächst letzten Abschnitt der Arbeiten werden wassergebundene Wege wiederhergestellt, die Natursteine der Ufermauer restauriert und fehlende Beete und Fontänenbecken wiederhergestellt.